Nach Bossi: Lega Nord sucht politischen Neubeginn

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Lega Nord(c) AP (Giuseppe Aresu)
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Ein Triumvirat wird die Partei führen. Ex-Innenminister Maroni will aufräumen und verspricht mehr Transparenz. Bossis Anhänger sehen den gefallenen Parteichef als Opfer.

Der Rücktritt ihres Vorsitzenden Umberto Bossi unter dem Druck der Betrugsermittlungen ist ein harter Schlag für Italiens rechtspopulistische Oppositionspartei Lega Nord, die in den letzten 25 Jahren auf populistische Kampagnen gegen den "römischen Sumpf" und den Süden ihren politischen Erfolg aufgebaut hatte. Die Vorwürfe gegen den Lega-Gründer, der seit 23 Jahren an der Spitze der ältesten noch aktiven italienischen Großpartei steht, sind gravierend und reichen von Veruntreuung von Parteigeldern, über Betrug bis zur Günstlingswirtschaft. Die föderalistisch-gesinnte Gruppierung will jetzt so rasch wie möglich den Schock nach Bossis Rücktritt überwinden und für ihren Neubeginn kämpfen. Ihr stehen harte Zeiten bevor.

Zum neuen starken Mann der Partei rückt jetzt Bossis langjährige "rechte Hand", Ex-Innenminister Roberto Maroni, auf. Mit den Parteikollegen Roberto Calderoli und Manuela Del Lago wird er die Gruppierung bis zum Lega-Kongress im kommenden Herbst führen. Maroni rief Bossi auf, beim Kongress wieder seine Kandidatur zum Parteichef einzureichen. "Wir haben Bossi aufgefordert, auf seinen Rücktritt zu verzichten, doch er war unnachgiebig", berichtete Maroni am Ende der spannungsgeladenen Tagung des Parteigremiums am Donnerstagabend.

Maroni von Lega-Anhängern beschimpft

Beim Verlassen des Lega-Hauptquartiers wurde Maroni von einigen Lega-Anhängern beschimpft. "Judas, Judas!", riefen ihm einige Aktivisten zu. Sie bezogen sich auf die Kritik, die Maroni in den vergangenen Wochen an Bossi wegen der Mitarbeiter, mit denen dieser sich umgab, geübt hatte. Maroni hatte schon vor einem Jahr begonnen, sich gegen dieses "alte Regime" aufzulehnen. Er hatte auch als einer der Ersten in der Lega gegen den skandalumwitterten Schatzmeister Francesco Belsito rebelliert, der nun im Mittelpunkt des ausgedehnten Betrugsskandals steht.

Maroni will nun für Transparenz in der skandalgebeutelten Partei sorgen. "Jetzt machen wir uns an die Arbeit und räumen auf. Wir haben eine Bilanzprüfungsgesellschaft beauftragt, Klarheit zu schaffen", berichtete Maroni. Er wird kein einfaches Leben haben, da auch Calderoli, der mit ihm die Partei vorübergehend führen soll, von Skandalen belastet ist. Er wird beschuldigt, mit Bossi Parteigelder veruntreut zu haben, weist das jedoch entschieden zurück. "Die einzigen Gelder, die ich je von der Lega kassiert habe, sind die Rückerstattung der Spesen für politische Veranstaltungen, an denen ich mich für die Partei beteiligte", versicherte Calderoli.

Anhänger: Bossi ist ein Opfer

Fassungslos versammelten sich am Donnerstagabend mehrere Dutzend Anhänger Bossis vor dem Hauptquartier der Lega, um ihre Solidarität mit dem skandalerschütterten Bossi zu bekunden. "Bossi ist ein Opfer, er hat nichts von den intransparenten Geschäften Belsitos gewusst", versicherte ein Lega-Anhänger. Der kranke Politiker sei Opfer der Intrigen seiner engsten Mitarbeiter. Der Bürgermeister von Verona und Lega-Spitzenpolitiker Flavio Tosi plädierte für mehr Transparenz in der Lega. "Die Partei braucht einen neuen Kongress. Wir müssen unseren Anhängern klar machen, dass wir uns tiefgreifend erneuern wollen", sagte Tosi.

Die Mitte-rechts-Partei "Volk der Freiheit" um Ex-Premier Silvio Berlusconi, mit der die Lega Nord bis zum Rücktritt des Medienzaren im vergangenen November verbündet war, zeigte sich mit Bossi solidarisch. "Bossi hat eine politische Epoche geprägt. Seine Lega war eine der wichtigsten politischen Neuigkeiten von den 1990er Jahren bis heute, sagte der PdL-Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer, Fabrizio Cicchitto. "Nach jener von Berlusconi ist jetzt auch die politische Karriere Bossis zu Ende gegangen", kommentierte der Politiker der Mitte-rechts-Partei FLI, Carmelo Briguglio.

Kommender Wahlkampf wird Gradmesser

In dieser verworrenen Lage muss sich die Lega Nord jetzt in den Wahlkampf für die Kommunalwahlen am 6. und 7. Mai stürzen, zu denen neun Millionen Italiener aufgerufen sind. Seitdem die Koalition mit Berlusconi zerbrochen ist, hoffte die Lega Nord, bei den Kommunalwahlen in ihren Hochburgen in Norditalien zur stärksten Partei zu avancieren. Nach dem Schock des Korruptionsskandals kann die Lega Nord aber nur noch versuchen, massive Stimmenverluste einzudämmen.

(APA)

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