Wie man einen Markt erfolgreich ausschaltet

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Symbolbild(c) REUTERS (STRINGER/CHINA)
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Ökostrom. Der Niedergang der deutschen Solarindustrie legt ein unsinniges Förderungssystem bloß, das ein paar Aktionäre reich gemacht und eine ganze Branche nachhaltig zerstört hat. Auf Kosten der Stromkonsumenten.

In Deutschland hat jetzt das große Sterben in der Solarbranche eingesetzt: Vor Kurzem waren Q-Cells, Conergy & Co. noch absolute Börsenstars im Frankfurter Technologieindex TecDAX, jetzt stehen sie teils am Abgrund, teils sind sie schon hinuntergestürzt. Was ist da los in einer Branche, der mittelfristig mit Sicherheit zumindest ein Teil der Energiezukunft gehören wird?

Wenn man das wissen will, muss man sich weniger die Branche als vielmehr die diversen Fördersysteme ansehen. Denn Fotovoltaik ist noch lange nicht „marktfähig“. Die Produktion ist zu teuer und es gibt technische Probleme (etwa bei der Speicherung des erzeugten, aber gerade nicht benötigten Stroms). Letzteres ist beim „Sonnenstrom“ ein besonders wunder Punkt, denn da sind die Verbrauchsspitzen (etwa an einem Dezemberabend zwischen 18 und 20 Uhr, wenn garantiert keine Sonne scheint) und die Produktionsspitzen (etwa an einem sonnigen Julinachmittag zwischen 14 und 16 Uhr, wenn garantiert niemand elektrische Kochplatten in Betrieb nimmt und daneben das TV-Gerät laufen lässt) zwei verdammt unterschiedliche paar Schuhe.

„Nicht marktfähig“ heißt, es muss subventioniert werden oder es gibt das Produkt – in diesem Fall „Ökostrom“ – eben nicht. Subventionieren kann man so oder so: intelligent, etwa in Form von Anschubfinanzierungen und/oder Forschungs- und Innovationsförderung. Oder à la EU-Agrarsystem, indem man mittels Subventionen in den Markt eingreift und dabei eine Fehlallokation nach der anderen provoziert.

Deutschland hat sich (wie auch Österreich, Italien, Spanien etc.) für Zweiteres entschieden: Sonnen- und anderer Ökostrom werden vorwiegend über völlig überzogene Einspeistarife in den Markt gedrückt.
Wer es schafft, in das Fördersystem hineinzukommen, der kann den gesamten so erzeugten Strom sehr lange (13 Jahre in Österreich, 20 in Deutschland) zu garantierten, auch nach den jüngsten Kürzungen noch sehr weit über den Marktpreisen liegenden Tarifen ins Netz einspeisen. Er ist also eine Art pragmatisierter Unternehmer, der eine garantierte Rendite kassiert, während ihm das unternehmerische Risiko per Ökostromzuschlag von den Konsumenten abgenommen wird.

So etwas gibt es nicht einmal mehr in der immer noch abenteuerlich marktfern organisierten Landwirtschaft. Dort hat ein ähnliches System früher übrigens zu regelmäßigen Milchseen und Butterbergen geführt, die dann auf Steuerzahlerkosten abgebaut werden mussten.

Genau diesen Effekt – eine Art teuer zu entsorgendes „Ökostrommeer“ – hat die unintelligente Ökostromförderung auch in Deutschland produziert: Die attraktive, dort auch noch dazu ungedeckelte  Förderung hat die Solarstromerzeugung viel schneller als geplant wachsen lassen. Wegen des Speicherproblems (großtechnisch lässt sich Ökostrom derzeit nur in Kraftwerken speichern) und wegen des Auseinanderklaffens von Verbrauchs- und Produktionsspitzen muss der an sonnigen Tagen sauteuer erzeugte Überschuss-Solarstrom über die nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage funktionierenden Strombörsen quasi verschenkt werden.  Etwa an österreichische Speicherkraftwerksbetreiber, die damit Wasser in ihre Speicherseen hochpumpen. An kalten Dezembertagen kann der solcherart gespeicherte Ökostrom dann wieder zurückgekauft werden. Allerdings als sündteurer Spitzenstrom.

Dieser ökonomische Unsinn ist so haarsträubend, dass er es schon auf die Titelseite der deutschen „Bild“-Zeitung geschafft hat. Allerdings hatte man bei der hohen Förderung zumindest in Deutschland noch einen Hintergedanken: Die deutsche Solarindustrie sollte damit einen Schub erhalten.

Das ist, wie sich gezeigt hat, ungefähr so sinnvoll, als würde man den Benzinpreis subventionieren, um den Absatz von deutschen Autos anzukurbeln: Die Konsumenten haben zwar tatsächlich immer mehr Solarpaneele gekauft. Aber leider immer mehr chinesische, denn die sind bei annähernd ähnlicher Qualität doch deutlich billiger.

Weil die Förderung aber am Anfang der Solarstromgeschichte mit bis zum Zehnfachen des Marktpreises abenteuerlich überzogen war, ist auch eine typische „Blase“ in Form von dramatischen Überkapazitäten in der einschlägigen Industrie entstanden. Und zwar weltweit. Eine Blase, die nach den jüngsten gleichzeitig erfolgten Förderkürzungen in praktisch allen wichtigen Märkten nun geplatzt ist.

Mit Problemen kämpfen, wie sich an den Aktienkursen der börsenotierten Solarpaneelhersteller leicht ablesen lässt, nämlich nicht nur deutsche Solarzellenhersteller, sondern auch amerikanische und chinesische. Nur dass die chinesischen Hersteller dadurch lediglich Ertragsdellen erleiden, die teureren deutschen aber eingehen.

Was hat die großzügige Förderung also unterm Strich bisher gebracht?  Ein paar Unternehmer, die rechtzeitig Solarfirmen gegründet und an die Börse gebracht haben, sind sehr reich geworden. Viele Aktionäre haben jahrelang überzogene, weil de facto von zwangsweise geschröpften Stromkonsumenten finanzierte Kursgewinne und Dividenden lukriert. Ein paar tausend Betreiber von Solaranlagen hatten ein paar Jahre lang pragmatisierte Einnahmen.

Auf der anderen Seite stehen um Milliarden erleichterte Stromkonsumenten und Versorger, deren Netze wegen des unkontrollierten Wachstums der erratisch eingespeisten Ökostrom-Mengen vor dem Kollaps stehen.
Ein weiteres schönes Beispiel, was man mit marktfernem Dirigismus anrichten kann. Hoffentlich wird der gleiche Fehler beim langsam aufkommenden Hype um die Elektromobilität nicht noch einmal gemacht.

E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

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