Bebenserie vor Sumatra: Tsunami blieb aus

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Eine Serie teils gewaltiger Erdbeben mit Stärken bis 8,6 nach Richter sorgte am Mittwoch für Alarm bei den Anrainern des Indischen Ozeans. Die befürchteten Flutwellen blieben aus - wohl wegen der Physik der Beben.

Jakarta/Denpasar/Wien/Zast./Wg. Man hatte vor dem geistigen Auge wieder die Bilder vom Dezember 2004 gesehen: gigantische Fluten, die aus dem Meer drangen, tropische Strände überrollten, ins Straßendickicht von Küstenorten schwappten und Menschen, Autos und Häuser mitrissen. Doch gestern, Mittwoch, blieb der Welt eine Tsunami-Katastrophe wie 2004 erspart: Eine Serie schwerer Beben vor Sumatra sorgte zwar in Anrainerstaaten des Indischen Ozeans für Aufregung bis Panik, doch die Flut blieb aus: Nur an einigen Pegeln vor Sumatra maß man Miniwellen von einem Meter Höhe, die an den Stränden verebbten. Opfer gab es keine. In der Nacht kam es zu Dutzenden Nachbeben vor Sumatra, die viele Menschen ins Freie trieben.

Man hatte die unterseeischen Beben in weiten Teilen Südostasiens, von Indien bis Malaysia, gespürt, die größte Angst überkam die Menschen auf der indonesischen Insel Sumatra: Dort flohen im Lauf des Nachmittags (Ortszeit) Zehntausende, vor allem in der nördlichen Region Aceh, in Autos, Bussen, auf Motorrädern und zu Fuß ins Landesinnere. Vielerorts hatten Sirenen geheult, die im Gefolge des „Weihnachts-Tsunamis“ 2004 (siehe unten) im Rahmen eines Tsunami-Frühwarnsystems installiert worden waren. Auch entlang der Südküste Sumatras flohen Menschen in die Berge: Genau hier hatte der Tsunami 2004 am stärksten gewütet.

Touristenflucht in Phuket

Auch die thailändischen Behörden schlugen entlang der Westküste Alarm. Zeugen berichteten von Panik auf der Ferieninsel Phuket, wo Touristen von Stränden flohen, der Flughafen wurde geschlossen. In der indischen Küstenstadt Kalkutta am Golf von Bengalen wurde der U-Bahn-Verkehr eingestellt, auf Sri Lanka wappnete man sich für eine Springflut, sogar die Regierungen Kenias und Tansanias erließen eine Warnung.

Der erste und stärkste Erdstoß (8,6 nach Richter) hatte sich im Meer rund 400 Kilometer westlich des naheliegendsten Küstenabschnitts Sumatras bzw. 440 Kilometer südwestlich der Stadt Banda Aceh ereignet – um 14.38 Uhr Ortszeit beim Epizentrum an der Meeresoberfläche (8.38 Uhr MESZ); auf Sumatra war es 15.38 Uhr, weil dazwischen eine Zeitzonengrenze liegt. Die indonesischen Behörden sowie das US-Tsunami-Warnzentrum auf Hawaii gaben Tsunami-Warnung bzw. „Wachsamkeitsmeldungen“ für den Indischen Ozean heraus, man hatte berechnet, dass eine vom ersten Beben initiierte Welle binnen einer Dreiviertelstunde Sumatra erreichen sollte. Sie blieb aber aus – ebenso wie größere Schäden durch die Erdstöße selbst.

Wenig später hieß es, dass drei bis vier Meter hohe Wellen auf die zu Indien gehörenden Nikobaren und Andamanen zurasen könnten; auch das entpuppte sich als Irrtum. Den Kalkulationen zufolge hätten Wellen binnen der nächsten zwei Stunden Sri Lanka erreichen sollen, Thailand binnen 2,5 Stunden, Australien binnen 4,5 Stunden. Sie kamen nicht, bzw. bestenfalls in Höhen von wenigen Dezimetern – worauf die Warnungen und Evakuierungen im Lauf des Abends aufgehoben wurden.

Bebenherd in Australischer Platte

Allein in den ersten fünf Stunden nach dem großen Knall folgten 14 Nachbeben, von denen eines Magnitude 8,2 hatte, eines sechs, die übrigen fünf bis 5,7. Sie fanden in einem Cluster zwischen 700 und 400 Kilometer vor Sumatra statt, und zwar innerhalb der Indisch-Australischen Kontinentalplatte unweit ihrer Grenze zur Eurasischen Platte (siehe Karte). Britische und US-Geologen hatten vermutet, dass die Beben eher folgenlos bleiben würden: Der Meeresboden habe sich nämlich in horizontaler Richtung bewegt, daher sei die Wassersäule darüber fast nicht „angeschoben“ worden. Genau das geschah beim großen Beben 2004: Da schob sich die Indisch-Australische Platte auf einer Länge von mehr als 600 Kilometer jäh bis zu 30 Meter unter die Eurasische Platte (vor Sumatra heißt sie Sundaplatte), Letztere schnellte mehr als zehn Meter nach oben und setzte das Meer in Bewegung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2012)

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