Gemeinde lehnt Zwangsbeglückung ab

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Zwaring-Pöls im Süden von Graz ist eine jener Gemeinden, die das Land Steiermark aus Kostengründen fusionieren will. Das wollen die Zwaringer aber nur bedingt.

Graz. Ein Volksschüler nach dem anderen biegt um die Ecke. Auf dem Parkplatz der freiwilligen Feuerwehr Zwaring-Pöls reihen sie sich auf. Hinterrad an Vorderrad. Dann starten sie los: Die Hauptstraße entlang, bis zur ersten Kreuzung und wieder zurück. Sie proben den Ernstfall: die Radfahrprüfung. Am Ende ihrer Runde werden sie von Cora Holzerbauer in Empfang genommen. Sie ist heute als Mutter eines der Kinder als Unterstützung für die Lehrerin dabei. Sie macht das gern, das gehört zum Leben in der Gemeinde Zwaring-Pöls dazu. Wie auch das Gemeindeamt, vor dem sie gerade steht.

Sorge um die Schulplätze

Zwaring-Pöls ist eine 1600-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Graz-Umgebung. In die steirische Landeshauptstadt braucht man keine halbe Stunde mit dem Auto. Zwaring-Pöls ist auch eine jener Gemeinden, die Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und sein Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP) im Zuge der Gemeindestruktur-Reform fusionieren möchten. 542 Gemeinden gibt es in der Steiermark, das sind in Relation zur Bevölkerung die meisten Gemeinden Österreichs. Zudem haben 200 Gemeinden weniger als 1000 Einwohner. Das kostet Geld. Geld, das das Land nicht hat.

Cora Holzerbauer hält wenig von der Reform. „Ich will, dass unsere Gemeinde eigenständig bleibt.“ Im Falle einer Zusammenlegung fürchtet sie den Verlust von Kindergarten- und Schulplätzen. Dass viele seiner Gemeindemitglieder gegen eine Fusion sind, weiß Bürgermeister Ernst Gödl (ÖVP). Seit 18 Jahren ist er der Chef im Ort. Als er gewählt wurde, war er mit 23 Jahren der jüngste Bürgermeister Österreichs. Im vergangenen März hat er eine Umfrage in Zwaring durchführen lassen. Das Ergebnis: 76 Prozent möchten, dass die Gemeinde eigenständig bleibt. Die Beteiligung an der Umfrage lag bei 85 Prozent der Wahlberechtigten. „Es wird oft suggeriert von den Landespolitikern, dass die Gemeindereform die Funktionäre mehr bewegt als die Bürger selbst, dass den Bürgern dieses Thema egal ist. Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Gödl.

Er selbst ist nicht gegen eine Fusion. Man werde sich nicht mehr leisten können, ständig mehr Geld auszugeben als einzunehmen. Aber: „Ich will mir nicht vom Land vorschreiben lassen, was wir zu tun haben.“ Schon einmal hat die Landesregierung Zwaring zwangsfusioniert. 1968 wurde die Gemeinde mit Pöls zusammengelegt. „Es hat 30 Jahre gedauert, bis aus zwei Gemeinden eine Einheit wurde“, sagt Gödl.

„Es ist gut, dass etwas passiert“

100 Meter neben dem Gemeindeamt hat die Firma Trost ihren Sitz. Ein Familienunternehmen mit elf Mitarbeitern. Tankstelle, Kunstschmiede, Garten- und Forstgeräteverkauf. Im Verkaufsraum reihen sich die Rasenmäher-Traktoren aneinander. Seniorchef Josef Trost hilft im Verkauf aus, das Geschäft hat Sohn Gerald übernommen. Der Senior sagt: „Es ist gut, dass was passiert. Weil als kleine Gemeinde wird es auf Dauer schwierig werden.“ Für seinen Betrieb wäre eine Fusion von Vorteil. „Jetzt ist es schwierig, der Gemeinde Dobl Geräte zu verkaufen. Weil wir sind halt aus einer anderen Gemeinde.“

Dobl, das hat die Umfrage ergeben, wäre bei einer Fusion die Gemeinde der Wahl der Zwaringer. 47 Prozent haben sich für den nordwestlichen Nachbarn entschieden. Gemeinsam hätte man 3500 Einwohner. „Es gibt durchaus die Erkenntnis, dass nicht alles gleich bleiben wird, gleich bleiben kann, so wie es bisher war“, sagt Gödl. Als kleine Gemeinde werde es immer schwieriger, die Kinderbetreuung und das Schulwesen zu finanzieren. „Da wäre es eine gute Möglichkeit, mit Dobl die Schule zu organisieren. Auch abseits der Gemeindefusion.“

Die Zusammenlegung mit Dobl liegt für den Bürgermeister im Bereich des Möglichen. Ob es die einzige Methode ist, Kosten einzusparen, ist die Frage. „Wir wollen die Vor- und Nachteile einer Fusion und einer vertieften Kooperation gegenüberstellen und hoffen dann, dass wir im Einvernehmen mit dem Land eine Entscheidung treffen können.“ Der Zeitplan der Landesregierung für die Reform ist eng. Bis Ende September 2012 sollen die Verhandlungen mit den Gemeinden abgeschlossen sein, Ende 2014 die alten Einheiten aufgelöst werden, damit im März 2015 die Gemeinderatswahlen stattfinden können. Für Zwaring-Pöls steht am 7. Mai das Fusionsgespräch mit dem Land an. Erste Gespräche mit Dobl hat es gegeben. „Wir haben weder Abwanderungs- noch finanzielle Probleme. Deswegen muss es vom Land besonders gut begründet sein, warum wir zusammengelegt werden sollen“, sagt Gödl. „Ich führe aber keinen Abwehrkampf.“

Gastwirt Herbert Seserko steht hinter der Bar, zwei Stammgäste davor. Was er über die Gemeindereform denkt? Passt eh alles, er füge sich der Gewalt, meint Seserko. „Grundsätzlich seh' ich die Gemeindezusammenlegung schon positiv. Dass sich was tut und so“, sagt er. Und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: „Aber es wäre schon besser, wenn wir allein bleiben würden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2012)

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