Analyse: Warum die Unis nicht mehr brennen

Kraftlose Audimaxisten Warum Unis
Kraftlose Audimaxisten Warum Unis(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Analyse: Eine Neuauflage der Uni-Revolte des Jahres 2009 ist trotz bildungspolitischen Stillstands heute nicht mehr denkbar. Das hat nicht zuletzt die Kurzzeitbesetzung der Uni Wien deutlich gemacht.

Eigentlich wäre er wohl groß genug – der Druck, der auf dem heimischen Hochschulsystem lastet: Die prekäre Finanzlage der Universitäten hat sich in den vergangenen Jahren nur unmerklich entschärft, auch ein Ende des ungeregelten Zustroms an Studenten ist nicht in Sicht. Kurz gesagt: Die großkoalitionäre Blockade in der Bildungspolitik hat all jene Missstände weiter festgeschrieben, die Ende des Jahres 2009 für einen der größten Studierendenaufstände der jüngeren österreichischen Geschichte gesorgt hat. Seien es überfüllte Hörsäle oder eine falsch umgesetzte Bologna-Struktur.

Und dennoch: Jene Studenten, die sich 2009 als „Uni brennt“-Bewegung einen Namen gemacht haben, haben ihre besten Zeiten hinter sich. Sie werden es im Jahr 2012 nicht mehr schaffen, die Unis anzuzünden. Was ihnen – wie vergangene Woche, als sie aus Protest gegen das Ende des Studiums der Internationalen Entwicklung die Universität Wien besetzten – bleibt, ist ein letztes Aufbäumen. Dass deutlichere Zeichen zu erwarten sind, hat mehrere Ursachen.

Es beginnt bei den Adressaten des Protests: Diese haben in den vergangenen Jahren argumentativ, vor allem aber taktisch aufgerüstet. Der Überraschungseffekt, den die Studierenden 2009 auf ihrer Seite hatten, ist mittlerweile überschaubar. Die Rektoren – das bewiesen nicht zuletzt die Vorgänge am vergangenen Donnerstag – haben ihre Notfallpläne griffbereit.

Während der damalige Uni-Wien-Rektor Georg Winckler 2009 (auch verunsichert von der zögerlichen Haltung der Politik) tage- und wochenlang immer neue Besetzer ins Gebäude ließ, reagierte sein Nachfolger rasch. Innerhalb kürzester Zeit ließ Heinz Engl Security-Personal und Polizisten in großer Zahl aufmarschieren und die Uni einfach sperren. Während die Besetzer 2009 zu diesem Zeitpunkt gerade dabei waren, eine „Volxküche“ einzurichten und Infostände mit Propagandamaterial aufzubauen, waren sie in der Vorwoche zur gleichen Zeit bereits von jeglichem Nachschub abgeschnitten.

Auch eine Strategie hatte Engl vorbereitet: Statt Gespräche zu verweigern, lud er die offiziellen Studentenvertreter der ÖH zu einem Termin – und schickte wenig später einen Mitarbeiter mit Vorschlägen und einem Ultimatum aus. Als dieses nicht angenommen wurde, hatte Engl die Rechtfertigung für eine rasche Räumung in der Tasche. Als er einen Tag später statt an den Besetzern lieber Kritik an der Politik von Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP) übte, hatte er die Sympathien auf seiner Seite – und den Besetzern den Wind aus den Segeln genommen

Der Protest als reiner Selbstzweck

Generell dürften neuerlichen Protesten wohl die Sympathien fehlen: Der Besetzung 2009 wohnte (vor allem zu Beginn) ein gewisser revolutionärer Charme inne, der ideologisch nicht einschlägig vorbelastete Erstsemestrige ebenso ansprach wie so viele andere Österreicher, die auf einmal begannen, über den Stillstand in der Bildungspolitik nachzudenken.

Die Besetzer haben diese Sympathien mit ihrer Verweigerermentalität, die sie auch dann noch beibehielten, als eine (bis heute fortwirkende) breite Bildungsdebatte begann, damals jedoch verspielt. Zu rasch wurde klar, dass es vielen nicht um Kompromisse und konstruktive Gespräche ging. Der Protest wurde so zum Selbstzweck. Das führte dazu, dass heute mehrheitlich nur noch jene Studierende für Besetzungen zu mobilisieren sind, auf die die Zuschreibung des Berufsdemonstranten nicht allzu schlecht passt. Breitenwirksam ist ihr Engagement nicht.

Und – vielleicht – das größte Problem: Selbst die letzten Wütenden, die sich da vergangene Woche im Audimax einfanden, haben den Glauben an das, was sie da tun, bereits ein Stück weit verloren. Dass die Besetzung eines Hörsaals eine echte Uni-Reform bewirken kann, glauben nach dem Jahr 2009 wohl nicht einmal mehr die größten Idealisten.

Wenn die Studenten glaubhaft Veränderungen anstoßen wollen, müssen sie sich neue Formen des Protests überlegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2012)

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