Spindelegger plaudert zumindest

Der Vizekanzler hielt eine Grundsatzrede, die ganz vernünftig war. Die Umsetzung wäre die Sensation.

Die Gelegenheit, sich über Michael Spindelegger lustig zu machen, wäre günstig. Der Vizekanzler lädt die mehr oder weniger rechte Reichshälfte – vormals also die der ÖVP – in die Hofburg. Der ÖVP-Chef holt sich mit Tennis-Trainer Ronnie Leitgeb einen Laudator zur Einstimmung, der ihn prompt als „grundsolide“ zeichnet. Dann spricht er selbst, erzählt von seinen Eltern und wagt sich auf dünnes Eis. Er versucht sich in Selbstironie. Die Überraschung: Es funktioniert einigermaßen. Zumindest in der ÖVP wird gelacht.

Wichtig war inhaltlich vor allem der Vergleich zu seinen bisherigen Aussagen und Reden: Am Montag predigte nicht der ÖAAB-Chef, der sich um die Beamten sorgt, sondern einer, der in Österreich so einiges vermisst. Also etwa die Möglichkeit durch eigene berufliche Leistung Vermögenswerte zu schaffen. Oder die individuelle Freiheit, etwa im Sozial- oder Bildungssystem. Aus Spindelegger wird sicher kein Dietrich Mateschitz der Innenpolitik werden, aber er ruft nicht: „Her mit dem Zaster!“ Sondern das Gegenteil.

Vor allem aber: Spindelegger unternimmt wenigstens irgendwas, macht sich Gedanken und formuliert – angesichts einer Parteikrise – Ideen. Der Kanzler hingegen geht zwischen Ministerräten und PR-Interviews auf Tauchstation. Heinz-Christian Strache dürfte die Sommersaison in Ibiza eröffnet haben und grinst nur noch von Plakaten. Und die Grünen freuen sich auf Rot-Grün im Bund. Nur Josef Bucher erhebt ein paar Forderungen. (Die könnte allerdings auch Frank Stronach nicht umsetzen, selbst wenn er sich das Land kauft.)

Wirklich relevant bleibt diese Rede des ÖVP-Chefs freilich nur, wenn dem Geplauder irgendwelche Taten folgen. Josef Pröll hielt einst eine vergleichbare staatstragende Rede an die Nation. Dabei sprach er von Staatsreform, einem eigenen Konklave dafür und dem weißen Rauch, der aufsteigen würde.

Es blieb beim wolkigen Bild, Pröll konnte sich nicht durchsetzen. Dass dieser damals mit der Transparenz-Datenbank auch eine wichtige Debatte startete, die bis heute andauert, ist fast vergessen. (Diese Offenlegung ist leider noch immer in weiter Ferne.)

Michael Spindelegger muss vor der Wahl 2012 irgendeinen Erfolg vorweisen können. Sonst bleibt es bei ein paar netten Haltungsnoten.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2012)

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