Die internationale Presse bejubelt die Wettbewerbs-Beiträge von Michael Haneke und Ulrich Seidl. Haneke gilt als Favorit für die Goldene Palme.
Die internationale Presse ist sich weitgehend einig: Bei den Filmfestspielen in Cannes "regieren die Österreicher", fasste "Die Welt " angesichts der beiden Wettbewerbsbeiträge "Paradies: Liebe" von Ulrich Seidl und "Amour" von Michael Haneke zusammen. Die beiden Österreicher hätten die "bisherigen Höhepunkte" abgeliefert. "Die Zeit " fragt bereits, ob "jemand Michael Haneke die zweite Goldene Palme nehmen können" wird. Und die "New York Times " zählt Seidls Film zu den zwei bisher besten des Festivals. In der französischen Presse wurde "Paradies: Liebe" kontrovers aufgenommen, während Haneke bereits als großer Favorit gilt: Alleine sieben von 14 Medien, die in "Le film francais " ihre Wertungen abgeben, sehen "Amour" als bisher heißesten Anwärter auf den Hauptpreis des Festivals.
Im täglichen internationalen Bewertungsraster des "Screen "-Magazins schneidet Ulrich Seidls "Paradies: Liebe" nicht sehr gut ab. Die kontroverse Aufnahme des Films zeitigte etwa in Australien und Brasilien eine niedrige Wertung, im Durchschnitt kommt Seidl nur auf 1,5 Punkte. Da auch Jury-Präsident Nanni Moretti nicht als Freund des Werks des österreichischen Filmemachers gilt, dürfte eine Auszeichnung für "Paradies: Liebe" eher unwahrscheinlich sein. Haneke dagegen kommt auch in diesem angelsächsischen Raster auf 3,3 Punkte und damit die bisher höchste Punktzahl.
Die Kritiken im Überblick:
Österreicher in Cannes: Ulrich Seidl ist mit "Paradies: Liebe" und Michael Haneke mit "Amour" im Wettbewerb vertreten. Pressestimmen im Überblick: "Die Welt": "In Cannes regieren die Österreicher: Die bisherigen Höhepunkte lieferten Ulrich Seidl und Michael Haneke mit den Filmen "Paradies: Liebe" und "Amour" ab. Ein Spaß ist das jedoch nicht unbedingt. (...) Wenn der Österreicher Ulrich Seidl einen Film "Paradies: Liebe" benennt, kann man getrost erwarten, dass "Hölle: Schrecken" damit gemeint ist. Obwohl das neue Werk seines Landsmannes Michael Haneke "Amour" heißt, sollte niemand auf ein Happyend am Schluss hoffen. (...) Haneke hält die delikate Balance zwischen dem Dinge-beim-Wort-Nennen und Schonung, anders als der schonungslose Seidl. Auch so lassen sich letzte Wahrheiten sagen." (c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT) "Seidl ist der Fall des Regisseurs, der unbeirrt vom Kassenergebnis weiter die Filme dreht, die er drehen will. Bei ihm sind das auf harter Recherche gründende Fiktionen vom scheußlichen Leben. Sextourismus weißer Frauen in Kenia war es diesmal. (...) Aber am Ende hat Seidl doch etwas Erstaunliches geschafft - eine Sehnsucht, die in Ausbeutungsverhältnissen gefangen bleibt, nicht herunterzumachen. Michael Hanekes Film, der auch von der Liebe spricht, ist einer der Filme, die mit hoher Spannung erwartet wurden. "Liebe" heißt er einfach, und Liebe zeigt er in einem Ausmaß von Unsentimentalität, das bei Haneke nicht überrascht, und einem Ausmaß an Zärtlichkeit, das einen bei diesem Regisseur trifft wie ein Hammerschlag. (...) Kein Blutbad hat bisher das Entsetzen auf die Gesichter der zweitausenddreihundert Zuschauer gezeichnet, das Haneke mit einer Szene, in der Anne geduscht wird, bei ihnen auslöste. Jeder ahnte, dass er in seine eigene Zukunft blickt." (c) APA (HARALD SCHNEIDER) "Der 81-jährige Trintignant und die 85-jährige Riva, deren Karrierehöhepunkte aus einer Zeit stammen, als Wohnungseinrichtungen wie die von Georges und Anne noch üblich waren, spielen ihre todesnahen Rollen mit - wenn man das so sagen darf - atemberaubender Genauigkeit. Und geführt von einem Regisseur, dessen Werk sich von Film zu Film in immer gelassenere Höhen schraubt. Wird jemand Michael Haneke die zweite Goldene Palme nehmen können? Die Frage ist im Augenblick, wo dieser Film unerbittlich sanft in den Herzen und Köpfen der Zuschauer implodiert, nicht so wichtig." (c) APA (GUENTER R. ARTINGER) Zu Seidls Film: "Paradies: Liebe" lotet diese tiefe Ambivalenz aus Bedürftigkeit und Arroganz aus. Der Film wirft seiner Hauptfigur nicht vor, was sie tut, er entwickelt sogar ein Gespür für die Komik, die in dieser verqueren, neokolonialen Austauschbeziehung eben auch steckt. Aber zugleich erspart er seinem Publikum nichts." Zu Hanekes Film: "Alles an diesem Film ist dicht und nuancenreich. (...) "Amour" hallt lange nach, weil er uns mit unserer eigenen Sterblichkeit und der von Angehörigen und Freunden in Berührung treten lässt; zugleich ist der Film selbst wie ein Gefährte für diese schwierige, letzte Reise." (c) Die Presse / FABRY Clemens ''Die bisherigen Höhepunkte lieferten Seidl und Haneke ab'' "Amour" handelt von zwei pensionierten Musiklehrern, Georges (Jean-Louis Trintignant) und Anne (Emmanuelle Riva), die mit ihrer Tochter (Isabelle Huppert), einer Musikerin, im Ausland leben. Als Anne eines Tages einen Schlaganfall erleidet und eine Seite ihres Körpers gelähmt bleibt, wird die Beziehung zwischen Georges, Anne und ihrer Tochter auf die Prüfung gestellt.
Seidl folgt mit nüchternem Blick er einer österreichischen Sextouristin (Margarethe Tiesel) in Kenia, die aus Sehnsucht nach echten Gefühlen das sexuelle Geschäft mit Liebe verwechselt und nach und nach desillusioniert wird.
Zum 65. Mal finden heuer die Filmfestspiele Cannes statt. 22 Filme rittern vom 16. bis 27 Mai um die Goldene Palme, auch zwei Österreicher standen im Wettbewerb: Michael Haneke mit "Amour" und Ulrich Seidl mit "Paradies: Liebe". Den Auftakt machte ... Text: her (c) REUTERS (Yves Herman / Reuters) von Wes Anderson (USA) Der Regisseur setzt - erneut - auf charmante Nostalgie: Im Sommer 1965 laufen zwei verliebte 12-Jährige weg und versetzen damit jene ruhige Insel, auf der sie leben, in Aufregung. Mit: Bruce Willis, Bill Murray und Tilda Swinton sowie Frances McDormand in einer Doppelrolle als Eltern des Mädchens (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Michael Haneke (Österreich) wurde mit der GOLDENEN PALME ausgezeichnet Der Film heißt zwar "Amour", eine Liebeskomödie darf man aber nicht erwarten: Es geht um ein Paar um die 80, Georg und Anna, beide kultivierte Musikprofessoren. Eines Tages hat Anna einen Anfall - eine Bewährungsprobe für die Liebe der beiden beginnt. Mit: Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva und Isabelle Huppert als Tochter des Paares (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Ulrich Seidl (Österreich) Sicher kein leichter Tobak kam von Seidl: Er wirft einen Blick auf ältere europäische Frauen, die an den Stränden Kenias junge schwarze Männer für Liebesdienste aufgabeln. Im Zentrum steht die 50-jährige Österreicherin Teresa. Die beiden anderen Filme seiner "Paradies"-Triloge handeln von einer Frau, die im Kloster Urlaub macht ("Paradies: Glaube") und einer, die ein Diätcamp für Teenager leitet ("Paradies: Hoffnung"). Mit: Margarete Tiesel, Maria Hofstätter (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Yousry Nasrallah (Ägypten) Mahmoud ist einer jeder Soldaten, der mithelfen sollten, die Proteste auf dem Tahrir Platz in Kairo niederzuschlagen. Der Arabische Frühling zieht ihm den Boden unter den Füßen weg. Dann trifft er die junge, aufgeklärte und geschiedene Reem ... Mit: Bassem Samra, Menna Chalaby (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von David Cronenberg (Kanada) Der Untergang der kapitalistischen Gesellschaft, erlebt in einer weißen Limousine: Der junge Milliardär Eric Packer lässt sich in New York von einem Ende der Stadt zum anderen chauffieren. Als das System zusammenbricht, befindet er sich plötzlich in Lebensgefahr. Mit: Robert Pattinson, Paul Giamatti, Juliette Binoche, Samantha Morton, Mathieu Amalric (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Sangsoo Hong (Südkorea) Ein Heimspiel für Isabelle Huppert: Sie ist drei Mal Anne, eine Frau, die eine südkoreanische Stadt besucht. Jedes Mal hat sie ein andere Geschichte und einen anderen Grund, der sie in die Stadt führt. Mit: Isabelle Huppert, Jun-Sang Yu, Jung Yumi (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Jacques Audiard (Frankreich) Der arme Ali und sein fünfjähriger Sohn, den er kaum kennt, finden Unterschlupf bei seiner Schwester in Südfrankreich. Dort trifft er die schöne Stephanie. Als sie Opfer einen schrecklichen Unfalls wird, entsteht aus einer oberflächlichen Bekanntschaft etwas Tiefergehendes. Mit: Marion Cotillard, Matthias Schoenaerts und Céline Sallette (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Sang-Soo Im (Südkorea) Eine Geschichte über Macht, Sex und Gewalt in der Oberschicht von Korea. Mit: Yun-shik Baek, Hyo-jin Kim und Kang-woo Kim (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Cristian Mungiu (Rumänien) Der neue Film des Cannes-Gewinner von 2007 ("4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage"): Eine junge Frau verfällt in einem rumänischen Kloster zunehmend dem Wahnsinn. Sie wird deshalb einem Exorzismus unterzogen. Die Filmgeschichte hat gezeigt: So etwas geht nie gut aus. Mit: Cosmina Stratan, Cristina Flutur, Valeriu Andriuta (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Leos Carax (Frankreich) Der erste Film des Regisseurs seit "Pola X" von 1999 galt im Vorfeld als einer der mysteriösesten Beiträge: Der französische Charakterdarsteller Denis Lavant bewegt sich darin zwischen Paralleluniversen. Irgendwie, irgendwo trifft er auf Eva Mendes und Kylie Minogue. Mit: Eva Mendes, Kylie Minogue, Michel Piccoli, Denis Lavant (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Thomas Vinterberg (Dänemark)Bewährt Realistisch-Dramatisches vom Dänen: Nach einer Scheidung hat der 40-jährige Lucas sein Leben gerade erst wieder in den Griff bekommen, als es erneut durcheinander gewirbelt wird: Eine Lüge verbreitet sich wie ein Virus, bald muss Marcus um seine Würde und sein Leben kämpfen. Mit: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Susse Wold, Anne Louise Hassing (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Andrew Dominik (Australien) Nach "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" ist dieser Dominiks zweiter Film mit Brad Pitt: Der Hollywood-Star will einen Raubüberfall bei einem Pokerspiel im Mafia-Milieu aufklären - notfalls offenbar mit Waffengewalt. Mit: Brad Pitt, Scoot McNairy, James Gandolfini, Ray Liotta (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) Melinda Sue Gordon von John Hillcoat (Australien) Starbesetztes Mafia-Drama vom "The Road"-Regisseur voller Blut und illegal gebrautem Alkohol: In der Depressionszeit kämpft eine Gang in Virginia gegen die nicht minder gewalttätige Polizei. Mit: Tom Hardy, Jessica Chastain, Guy Pearce, Gary Oldman, Shia LaBeouf, Mia Wasikowska (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) Richard Foreman, Jr. SMPSP (Richard Foreman, Jr. SMPSP) von Abbas Kiarostami (Iran) Ein älterer Mann und eine junge Frau treffen in Tokio aufeinander. Sie kennt ihn nicht, er glaubt sie zu kennen. Er gewährt ihr Unterkunft, sie bietet ihm im Gegenzug ihren Körper an. Der Regisseur erhielt für "Der Geschmack der Kirsche" 1997 die Goldene Palme. Mit: Rin Takanashi, Tadashi Okuno (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Jeff Nichols (USA) "Take Shelter - Ein Sturm zieht auf" von Nichols lief vor Kurzem bei uns im Kino, in Cannes zeigte er seinen neuen Film: Zwei Teenager beschließen darin, einem flüchtigen Verbrecher auf der Suche nach seiner großen Liebe zu helfen. Mit: Reese Witherspoon, Matthew McConaughey, Michael Shannon (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) Jim Bridges von Walter Salles (Brasilien) Mit Spannung wurde an der Croisette die Adaption von Jack Kerouacs Beatnik-Manifest erwartet. Erzähler Sal Paradise und Dean Moriarty reisen durch die USA und Mexiko und erkunden die Welt(en) von Sex, Drugs 'n' Jazz. Mit: Sam Riley, Garrett Hedlund, Kristen Stewart, Kirsten Dunst, Amy Adams, Viggo Mortensen, Steve Buscemi (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Carlos Reygadas (Mexiko) Schaut düster aus: Es geht um eine urbane Familie in Mexiko, die am Land lebt - und diese zwei Welten, Stadt und Land, zu einen versucht. Mit: Nathalia Acevedo, Adolfo Jiménez Castro und Willebaldo Torres (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Matteo Garrone (Italien) Nach dem Mafia-Film "Gomorrah" widmet sich Garrone einem Fischhändler: Der liebenswerte und unterhaltsame Luciano bessert sich sein Einkommen durch kleine Betrügereien auf. Und er bewirbt sich bei der TV-Show "Big Brother". Mit: Claudia Gerini, Paola Minaccioni und Nando Paone (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Ken Loach (Großbritannien) Loach ist ein Meister darin, die britische Unterschicht auszuloten, auch in seinem neuen Film widmet er sich den weniger Begüterten - aber mit Humor. Der junge Vater Robbie entkommt nur knapp dem Häfn, der Besuch in einer Whisky-Destillerie inspiriert ihn, etwas aus seinem Leben zu machen. Wird als schottisches "Ganz oder gar nicht" (die Komödie, in der arbeitslose Hackler zu Strippern werden) beworben. Mit: Roger Allam, Paul Brannigan und James Casey (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) von Lee Daniels (USA) Ein Reporter kehrt im im Sommer 1965 in seine Heimatstadt in Florida zurück, um den Fall eines zu Tode Verurteilten neu aufzurollen. Ihm geht es aber mehr um den Pulitzer-Preis als um den Inhaftierten. Regisseur Daniels wurde mit "Precious - Das Leben ist kostbar" bekannt. Mit: Zac Efron, John Cusack, Nicole Kidman und Matthew McConaughey (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) Anne Marie Fox von Alain Resnais (Frankreich) Der neue Film des Nouvelle-Vague-Altmeisters heißt auf Englisch "You ain't seen nothin' yet": Nach seinem Tod versammelt eine Dramatiker alle seine Freunde, die in seinem Stück "Eurydice" je mitgespielt haben. Mit: Mathieu Amalric, Lambert Wilson, Michel Piccoli, Sabine Azéma (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) A.BORREL von Sergei Loznitsa (Weißrussland) Westfront der UdSSR, 1942: Die Deutschen haben das Land besetzt, ein Mann wird fälschlicherweise der Kollaboration beschuldigt. Mit: Vladimir Svirskiy, Vladislav Abashin und Sergei Kolesov (c) PR Bilder (Film Festival Cannes) Haneke, Seidl und ihre 20 Konkurrenten Im Wettbewerb des Festivals konkurrieren bis zum Pfingstsonntag 22 Filme um die Goldene Palme. Insgesamt werden während des zwölftägigen Festivals 90 Spielfilme gezeigt, davon 20 im Nebenwettbewerb "Un certain regard" ("Ein gewisser Blick"). Das Festival endet am 27. Mai mit der Preisverleihung.
(APA/Red.)
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