Fiskalpakt: „Die Iren werden diesmal Ja sagen“

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Irland stimmt heute über den Fiskalpakt ab. Der Chef der Ja-Kampagne Simon Coveney ist optimistisch, dass seine Landsleute das neue Euro-Sparprinzip akzeptieren werden.

Die Presse: Ihre Landsleute sind berüchtigt für ihr Verhalten bei Referenden über EU-Verträge...

Simon Coveney: Stimmt...

Sind Sie besorgt, dass sie den Fiskalpakt genauso ablehnen wie den Nizza- und Lissabon-Vertrag in der ersten Runde?

Mein Bauchgefühl sagt mir, die Iren werden diesmal Ja sagen. Sie sehen den Sinn im besseren Haushalten und im Zugang zum Stabilitätsfonds, falls wir diesen brauchen. Aber sie wollen auch, dass in Bezug auf Wachstum mehr passiert.

Aber im Vertrag geht es letztlich um mehr Austerität.

Nein, nein, nein! Irland muss jetzt „Austerity“ (Enthaltsamkeit, Anm.)aushalten, weil wir in der Vergangenheit schwere Fehler begangen haben. Wenn man Länder auffordert, ihre Schulden auf ein vernünftiges Maß zu senken, dann um genau den Kollaps zu verhindern, den wir erlebt haben. Es geht darum, „Austerity“ zu vermeiden.

Haben Sie kein Verständnis, dass Ihre Landsleute das Sparen satt haben?

Was ist denn die Alternative? Weiter Geld zu leihen, das wir uns nicht leisten können? Die Menschen müssen endlich in der Realität ankommen. Egal ob man einen Haushalt, ein Unternehmen oder einen Fitnessklub leitet – man kann nur das Geld ausgeben, das man entweder verdient oder sich leihen kann. Das soll nicht heißen, dass ich nicht auch für mehr Wachstum bin. Wir müssen Jobs schaffen. Aber wir müssen das intelligent anstellen – und nicht indem wir Geld ausgeben, das wir nicht haben. Deshalb finde ich es gut, dass jetzt auf europäischer Ebene über ein Wachstumspaket nachgedacht wird. Aber zusätzlich zum Fiskalpakt, nicht stattdessen.

Ein gemeinsames Wachstumspaket mag gut klingen – aber wie sieht es mit der Steuerharmonisierung aus, wie sie etwa Frankreich fordert? Das wäre doch eher bedrohlich für Irland?

Da machen wir nicht mit, um es klar zu sagen. Länder mit kleiner Bevölkerung und geringer Binnennachfrage brauchen weiter Instrumente, um wettbewerbsfähig zu bleiben und um ausländische Investoren anzuziehen. Ich möchte keine Vereinigten Staaten von Europa, in denen alles zentral bestimmt wird. Die Mitgliedsländer müssen weiter eigene Entscheidungen treffen können. Und dazu gehört für mich die Unternehmenssteuer – genauso wie die Einkommensteuer.

Sie haben gesagt, das Referendum sei wichtiger als die Parlamentswahlen. Klingt fast, als gäben Sie jenen recht, die sagen: Die Brüsseler Bürokraten werden in Irland das Sagen haben?

Aber so ist es doch nicht! Die EU-Länder verwalten ihre Haushalte selbst. Es geht nicht darum, dass jemand aus der EU-Kommission in unserem Finanzministerium sitzt und guckt, was wir treiben, so wie es momentan ist, wo uns ein Haushaltsexperte aus Frankfurt ständig über die Schulter schaut. Irland erlebt sehr schwere, – manche sagen, demütigende – Zeiten, mit einem echten Verlust an Souveränität, in denen wir Vorgaben erfüllen müssen, die uns von außen auferlegt wurden. Aber das wird nächstes Jahr vorbei sein. Es geht nicht darum, mehr Macht abzugeben. Es geht darum, die Strukturen zu schaffen, die verhindern, dass Länder weiter gegen Regeln verstoßen und so die Stabilität der gesamten EU gefährden.

Die Zukunft der Eurozone scheint ungewiss – ist der Fiskalpakt überhaupt noch das Papier wert, auf dem er geschrieben wurde?

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Vertrag geändert wird, ist ungefähr so groß wie die Überlebenschance eines Schneeballs in der Hölle. Deutschland hat das doch sehr klar gemacht. Fraglich ist nur: Wird es parallel zum Vertrag noch etwas für mehr Wachstum geben? Irland ist sehr dafür.

Ihre Regierung ist gerade dabei, die Modalitäten des ersten „Bail-out” neu zu verhandeln – hätte die Troika Ihnen rechtzeitig zum Referendum nicht ein bisschen mehr entgegenkommen können, um das Wahlvolk milde zu stimmen?

Wir haben immer klar gesagt, dass das zwei verschiedene Themen sind. Aber natürlich hätten wir gerne bessere Bedingungen. Die Schuldenlast ist nicht fair verteilt. Und das irische Volk ist wütend darüber. Ich hoffe, die EZB sieht das ein, denn nach dem, was wir momentan leisten, sowohl was die Wirtschaft angeht als auch das Einhalten unserer Sparziele, haben wir ein Entgegenkommen verdient.

Wäre ein Nein zum Vertrag letztlich der erste Schritt Irlands aus der Eurozone?

Nein. Die Iren sind sehr überzeugt vom Euro. Wir sind Händler, wir brauchen Europa, und wir tragen stark zum europäischen Projekt bei. Egal ob Ja oder Nein, ich sehe nicht, dass Irland die Eurozone verlässt, und es wäre ein großer Fehler, das nur anzudeuten.

Zur Person

Simon Coveney (39) ist seit dem Regierungswechsel 2011 irischer Agrarminister. Von 2004 bis 2007 war er Europaabgeordneter der Mitte-rechts-Partei Fine Gael. Er ist Chef der Ja-Kampagne seiner Partei zum Referendum über den Fiskalpakt. [Cork Independent]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2012)

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