USA: „Spielten Sie russisches Roulette?“

(c) EPA (JIM LO SCALZO)
  • Drucken

JP-Morgan-Chef Jamie Dimon stellte sich im Bankenausschuss dem Kreuzverhör der Senatoren. Das Finanzfiasko der Londoner Filiale sei lediglich ein „isoliertes Ereignis“.

Washington. Mehr als Gelächter ernteten die Demonstranten im Senats-Bankenausschuss nicht, die vor Beginn des Hearings Anti-Banken-Parolen und „Gauner“-Rufe skandierten. Sie waren schnell abgeführt, und Jamie Dimon verfolgte die Szenerie mit ausdruckslosem Gesicht – wie auch später die Ermahnungen des Vorsitzenden Tim Johnson. Der Chef von JP Morgan Chase, vom Senat infolge der Milliardenverluste seiner Bank zu einer Anhörung in Washington vorgeladen, fühlte sich denn auch weniger auf der Anklagebank denn als Erklärer der Praktiken im modernen Finanzbusiness.

Dimon schwang sich nicht zu großen Entschuldigungen auf, sondern sprach von einem „isolierten Ereignis“ und einem Versagen der Kontrollmechanismen. Es seien weder Steuerzahler noch Klienten zu Schaden gekommen, sagte er in einem vorbereiteten Statement, das bereits zuvor in den Medien zirkulierte. Im Übrigen zeigte er sich zuversichtlich, dass JP Morgan auch im zweiten Quartal einen Gewinn erzielen werde. Die Wall-Street-Bank hatte im Vorjahr ein Plus von 19 Milliarden Dollar verbucht, sie hatte die Krise weitgehend ungeschoren überstanden.

Mit riskanten Finanzwetten des sogenannten „Londoner Wals“ hat die britische JP-Morgan-Filiale nach Angaben Dimons im Frühjahr zwei Mrd. Dollar verspekuliert. Das „Wall Street Journal“ setzt die Verluste indessen weitaus höher an: Die Bank müsse womöglich bis zu fünf Mrd. Dollar abschreiben.

Dimon, der einstige Vorzeigebanker Barack Obamas – inzwischen längst nicht mehr so gut auf den Präsidenten zu sprechen –, hatte das Finanzfiasko anfangs noch als „Sturm im Wasserglas“ kleingeredet. Erst als sich die Dimensionen abzeichneten, rief er im Mai eilends eine Krisensitzung mit Investoren ein. Als Konsequenz feuerte er die für die Revision zuständige Vizepräsidentin und leitete eine interne Revision ein. Die New Yorker Börsenaufsicht SEC und das FBI führen indessen eigenständige Ermittlungen gegen das Geschäftsgebaren des größten US-Finanzinstituts.

Das Kreuzverhör der Senatoren drehte sich um die Fragen: „Wie konnte das passieren? Kann sich das wiederholen? Welche Lektionen haben Sie daraus gezogen?“ Es sei ja paradox, dass JP Morgan Chase noch mehr Risiken eingehe, statt diese zu minimieren. Der demokratische Senator Robert Menendez fragte: „Haben sie russisches Roulette gespielt?“ Sein republikanischer Kollege Richard Shelby äußerte die Vermutung, dass Dimon bei einer nichtöffentlichen Anhörung frei von der Leber weg reden würde.

Disput um Regulationen

Bei dem Hearing traten indessen die unterschiedlichen Positionen der Parteien zur von der Obama-Regierung verabschiedeten Finanzreform zutage. Dimon gilt als dezidierter Gegner einer strikten Finanzaufsicht – insbesondere der „Volcker“-Regeln, die die Risikogeschäfte der Banken einschränken würden, wogegen er massives Lobbying betrieb.

Dimon hält die Gesetze für ausreichend, die Gesetzeslage sei besser und sicherer als 2007 vor Ausbruch der Finanzkrise. „Wir haben den besten Kapitalmarkt auf der Welt, wir dürfen ihn nicht leichtfertig aufgeben.“ Doch keine Bank sei vor einem Scheitern gefeit. Den Demokraten Sharrod Brown veranlasste dies zur Gegenfrage: „Sind manche Banken zu groß, um sie noch managen zu können?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Jamie Dimon muss Federn
International

JP-Morgan-Chef Jamie Dimon muss Federn lassen

Der Chef von JPMorgan Chase erwirtschaftete zwar einen Rekordgewinn, musste aber wegen einer Spekulationsblase eine massive Gagenkürzung hinnehmen.
Londoner mutmasslicher Brandherd
International

JPMorgan: Welche Rolle spielte "Londoner Wal"?

Ein einzelner Trader könnte mit seinen Spekulationen die Milliardenverluste der US-Bank verursacht haben. Er ist bekannt als der "Londoner Wal".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.