Hagia Sophia und Yücel-Urteil

"Die Türkei entfernt sich immer weiter von Europa"

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Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte in Frankfurt rechnet wegen der Verurteilung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel und der Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee mit der „autoritären Türkei" ab. Kritik auch von Europas Bischöfen.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt verurteilt den Ausgang des Gerichtsverfahrens gegen den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel aufs Schärfste. Der Journalist war am Donnerstag in Abwesenheit von einem Gericht in Istanbul zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Dem 46-Jährigen wurde vor dem Hintergrund seiner Arbeit für diverse deutsche Medien Propaganda für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen; er saß deswegen rund ein Jahr in türkischer U-Haft, was zu schweren Verstimmungen mit Berlin geführt hatte.

Nach Auffassung der IGFM zeige das Verfahren erneut, dass sich die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan immer weiter von Europa und seinen Werten entferne, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Aussendung. "Das gestrige Urteil gegen den Journalisten Deniz Yücel ist ein Akt politisierter Justiz. Richter und Staatsanwälte stehen unter enormem Druck, politisch genehme Entscheidungen zu treffen. Oder aber sie stützen mit Begeisterung das Vorgehen gegen Journalisten, Menschenrechtler und zivilgesellschaftlich engagierten Personen, die auf der ,falschen' Seite stehen", erklärt Vasilis Pavegos, Sprecher des Arbeitsausschuss Türkei und Mitglied des Vorstands der IGFM.

Die 1972 gegründete IGFM, die weltweit mehr als 30.000 Mitglieder hat, kritisierte jüngst auch den Plan der Regierung Erdogan, die Hagia Sophia in Istanbul wieder in eine Moschee umzuwandeln. Das imposante Gebäude war im 6. Jahrhundert zur Zeit des Oströmischen Reiches gebaut worden und eine Kirche, bis sie nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 zur Moschee umgewidmet wurde.

Bald wieder Gebete

1935 war sie auf Drängen Mustafa Kemal Atatürks, des ersten Präsidenten der Türkei nach Ende der Sultansherrschaft (1923 - 1938), in ein religiös neutrales Museum umgewandelt worden. Vor kurzem hatte das Oberste Verwaltungsgericht aber geurteilt, dass die seinerzeitige Umwidmung rechtswidrig gewesen sei. Präsident Erdoğan gab danach sofort den Auftrag, das Gebäude noch im Juli wieder als Moschee benutzbar zu machen.

Aus zahlreichen christlichen Ländern gab es darauf scharfe Reaktionen, etwa aus Griechenland, Russland, den USA und Italien. Papst Franziskus bedauerte die Umwandlung.

Minderheiten, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit würden in der autoritären Türkei nichts zählen, so die deutsche NGO. Man fordere daher die deutsche Regierung auf, gegenüber Erdoğan deutlich zu machen, dass Deutschland von einem NATO-Partner die Achtung der Menschenrechte - insbesondere der Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit - erwarte.

Christliche Geistliche in Aufruhr

Der Schritt der türkischen Regierung entferne das Land von Europa und sei "ein Schlag gegen die orthodoxe Kirche und den interreligiösen Dialog", erklärte unterdessen Manuel Barrios Prieto, Generalsekretär der katholischen EU-Bischofskommission, am Donnerstagabend in Brüssel. Auf diesem Feld habe die Türkei ohnehin ein "ernstes Problem", sagte der spanische Geistliche unter Berufung auf einen einschlägigen EU-Kommissionsbericht von 2019.

Die Evangelische Kirche in Deutschland geißelte die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee als "rückwärtsgewandten Schritt", der den christlich-islamischen Beziehungen weltweit großen Schaden zufüge. In einer am Freitag veröffentlichten Erklärung schrieb der Vorsitzende der Evangelischen Mittelost-Kommission, Marcus Dröge, wenn die Hagia Sophia wieder zur Moschee werde, werde das bisher als Symbol des friedlichen Zusammenlebens geltende Kulturerbe "zu einem Zeichen der Konfrontation gemacht". Die deutschen Protestanten stellten sich deshalb mit den Christen des Nahen Ostens entschieden gegen dieses Vorhaben.

(APA; red.)

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