EU-Haushalt

Brexit kostet 84 Mrd. Euro

„Die Rechnung geht nicht auf“: EU-Kommissar Oettinger kritisiert die deutsche Haltung zum Unionsbudget ab 2021.
„Die Rechnung geht nicht auf“: EU-Kommissar Oettinger kritisiert die deutsche Haltung zum Unionsbudget ab 2021. (c) imago/IPON (imago stock&people)
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Der Ausfall der britischen Mitgliedsbeiträge wird von 2021 bis 2027 eine jährliche Lücke von zwölf bis 14 Milliarden Euro aufreißen.

Brüssel. Eine Woche vor dem nächsten Europäischen Ratstreffen der Staats- und Regierungschefs lancierte Budgetkommissar Günther Oettinger am Mittwoch einen warnenden Appell: Wenn sich die 27 Mitgliedstaaten darauf versteifen, dass der Haushalt der Union in den Jahren 2021 bis 2027 jeweils höchstens ein Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung betragen dürfe, könnten sie ihre feierlich angekündigten neuen gemeinsamen Aufgaben im Klimaschutz, dem Grenzschutz und in der Migrationspolitik in den Wind schreiben.

„Meine Botschaft an die Mitgliedstaaten ist: Mit 1,0 Prozent kann man die neuen Aufgaben der EU nicht finanzieren – es sei denn, man kürzt stärker bei Agrar und Kohäsion“, sagte Oettinger nach der wöchentlichen Sitzung der Kommission. Diese beiden Ausgabenposten, welche derzeit gemeinsam mehr als zwei Drittel des Unionsbudgets ausmachen, nicht zu kürzen, gleichzeitig aber nicht mehr einzahlen zu wollen und der EU auch nicht zuzugestehen, neue eigene Einnahmequellen zu erschließen, lasse laut Oettinger nur einen Schluss zu: „Diese Rechnung geht nicht auf.“

Die Kommission hat bereits vor Längerem vorgeschlagen, dass dieser nächste mehrjährige Finanzrahmen 1,14 Prozent des Bruttonationaleinkommens der 27 Mitgliedstaaten ausmachen solle: 27, nicht 28, weil nach dem Brexit ja der zweitgrößte Nettozahler, das Vereinigte Königreich, wegfällt. Derzeit entspreche der langfristige Haushalt der EU für 28 Mitgliedstaaten 1,03 Prozent, hält die Kommission in einer ebenfalls am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung fest. Ohne das Vereinigte Königreich steige diese Zahl allerdings auf 1,16 Prozent, so der wesentliche Zusatz. „Dies ist die richtige Vergleichsgröße.“

Oettinger kritisiert Berlin

Der Ausfall der britischen Beitragszahlungen wird laut Oettinger in den genannten sieben Jahren eine Lücke von 84 Milliarden Euro aufreißen: Im ersten Jahr betrüge dies rund zwölf Milliarden, im letzten Jahr 14 Milliarden Euro.

Der Kommissionsvorschlag von 1,14 Prozent trägt nach Oettingers Ansicht der Verkleinerung der Union um einen Mitgliedstaat ohnehin schon Rechnung. Neben Einsparungen brauche die EU aber auch neue Einnahmequellen. Mindestens zehn bis 14 Prozent ihres Haushalts solle sie aus Eigenmitteln bestreiten, sprich: nicht als jährlich mühselig verhandelte Mitgliedsbeiträge von den Finanzministern bekommen.

Deutschland sowie die Niederlande, Dänemark, Österreich und Schweden jedoch widersetzen sich dem 1,14-Prozent-Ziel. Ein Prozent, nicht mehr solle es sein. Oettingers Replik auf die Frage, ob Deutschland gleichsam die bisherige Rolle der Briten einnehme, also ständig darauf poche, „sein“ Geld zurückhaben zu wollen: „Diese Frage ist berechtigt. Mein bester Berater ist Adam Riese: Diese Rechnung in Berlin geht wirklich nicht auf.“

Oettingers Hoffnung darauf, nächsten Donnerstag und Freitag beim EU-Gipfel eine Richtungsentscheidung von den Chefs zu bekommen, dürfte allerdings vergebens sein: Dieser Europäische Rat wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Brexit-Krise monopolisiert werden und keine Zeit für die grundsätzliche Befassung mit anderen Themen erlauben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2019)

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