Interview

Iris Apfel: „Stil kann man nicht kaufen“

Modeikone Iris Apfel
Modeikone Iris Apfel Imago / Magnolia Pictures/Courtesy Everett Collection
  • Drucken

Mit 91 muss man sich kein Blatt mehr vor den Mund nehmen: Stilikone Iris Apfel wettert gegen Jugendwahn und Modediktat.

Diese Karriere ist einzigartig. 13 Jahre nach der Pensionierung startete sie noch einmal so richtig durch. Mit 85. Heute ist sie 91 und fühlt sich als ältester Teenager der Welt: Iris Apfel. Für die Modewelt „entdeckt“ wurde die New Yorker Stilikone von Harold Koda, dem Direktor der Modeabteilung im Metropolitan Museum, der eine Ausstellung über Accessoires großer Designer vorbereitete und sie dazu um Rat fragen wollte. Schon nach einem kurzen Blick in ihre Kommoden und Vitrinen schwenkte er um: Sie sollte im Mittelpunkt der Ausstellung stehen.

Seither ging’s richtig los: eine Schmuckkollektion für das Home Shopping Network, eine Brillenlinie für Eyebob, weltweite Vorträge, wie soeben beim Link Jewelry Summit in Wien, ein Beauty-Shooting für MAC. Was, Beauty-Model mit 91? Ja, sie sei definitiv die älteste Person, die jemals von einer Kosmetikmarke gebucht wurde. Im Nachsatz wettert sie: Dann müssten 65-Jährige wenigstens nicht von der retouchierten Haut der 16-Jährigen auf der Anzeige träumen. Das sei nämlich lächerlich.

Früher hatte Iris Apfel nichts mit Mode zu tun. Gemeinsam mit ihrem Mann Carl führte sie die Interieursfirma Old World Weavers, die auf die Reproduktion alter Stoffe spezialisiert war. Und damit meine sie „das exakte Wiederherstellen“, betont Apfel, die keine Adaptionen zulässt, nur weil man die Farbe oder Größe nicht mag. Vermutlich deshalb statteten die beiden für neun US-Präsidenten das Weiße Haus aus. Heute ist ihr Motto: Man muss interessiert bleiben, sonst ist man nicht interessant. Ihr Interesse gilt der älteren vitalen Population. Die müsse stimuliert werden und partizipieren können, sagt sie. Da fragen wir nach.

Die Presse: Verstehen Sie den Modemarkt aus Sicht einer älteren Dame?

Iris Apfel: Nein! Das meiste Geld wird von Frauen über 60 ausgegeben. Aber niemand beachtet sie. Die ganze Mode wird für diese Zwölfjährigen gemacht. Viele meiner Freunde aus der Modebranche können den Ruf nach dem immer Jüngeren nicht mehr hören und steigen aus. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich glatt auf der Madison Avenue einen Shop aufmachen, der „Sleeves“ heißt. Ab einem gewissen Alter suchen Frauen Kleider mit Ärmeln. Die gibt es aber nicht. Die Designer ignorieren uns einfach. Vielleicht macht man kein großes Geschäft mit 90-Jährigen. Aber mit den vielen 60-, 70- und 80-Jährigen. Die werden immer mehr und können sich das leisten.

Was bedeutet Schönheit für Sie?

Schönheit muss zum jeweiligen Alter passen. Frauen sind ziemlich albern, wenn sie etwas nachgieren, das sie nicht haben können. Coco Chanel sagte, nichts mache so alt, als verzweifelt zu versuchen, jung auszusehen. Ich könnte jeden plastischen Chirurgen der Welt aufsuchen − aber kein Idiot würde danach glauben, ich sei 27! Tatsache ist: Es kostet ein Vermögen, und trotzdem sieht jeder, dass man operiert ist. Ich sehe einfach nichts Falsches an ein paar Falten. Man kann durchaus würdevoll altern. Es gibt eine Saison für alles. Dennoch kämpfen so viele dagegen an. Manche mit Erfolg, manche eher nicht. Da saß eine Frau hinter mir im Flugzeug − voll mit Botox, sie schaute aus wie ein Freak. Dumm!

Sie sagen, Ihr Stil habe sich nie verändert, nur weiterentwickelt. Wie können Menschen an ihrem Stil feilen?

Indem sie ein bisschen experimentierfreudiger sind. Ich habe über meine Kleidung immer gesagt, ich hoffe, du magst es, aber wenn nicht, ist es dein Problem, nicht meines. Ich weiß nicht, wie es hier ist, aber in den USA sind alle zu ängstlich. Was soll schon passieren? Man kann einen Fehler machen. Aber es kommt garantiert nicht die Fashion-Polizei und sperrt einen ein. Wer nicht ausprobiert, wird nicht dazulernen. Man muss eine Haltung entwickeln, wissen, wer man ist, worin man sich wohlfühlt. Sonst kann man niemals gut aussehen.

Ihr Handy hat gerade geklingelt. Sind Sie komplett digital?

Vermutlich bin ich die einzige Person auf der Welt, die das Handy nur fürs Telefonieren benutzt. Ich verschicke keine SMS, und ich mache nichts im Internet. Technologisch lebe ich im 18. Jahrhundert, und da möchte ich bleiben. Leute erzählen mir, dass es im Web 1000 Dinge über mich gibt. Ich habe sogar eine Facebook-Seite, die nicht von mir ist.
Deshalb haben Sie auch so viele junge Fans.
Ja, sogar 6-Jährige schreiben mir. Faszinierend. Aber auch viele Männer − und die sind nicht alle homosexuell oder aus der Modeszene. Männer sind einfach romantischer, als ich je dachte. Die wollen Frauen reizvoll sehen. Die wollen Glamour. Und sie vermissen das Geheimnisvolle. Das gibt es nicht mehr. Wie furchtbar.

Sie meinen, die Menschen ziehen sich heute schlechter an?

Niemand bemüht sich mehr. Man kann auch Jeans individuell tragen, sodass es nicht wirkt, als ob man gerade erst aus dem Bett gestiegen ist.

Wo kaufen Sie Ihre Mode?

Mir geht es mehr um das Jagen und Finden als ums Kaufen. Ich mag Märkte, Souks und verrückte Geschäfte. Grundsätzlich gebe ich aber mehr von meiner Sammlung an Museen, als dass ich Neues nachkaufe. Außerdem habe ich Sachen im Kasten, die ich schon wieder vergessen habe. Wenn ich sie wiederfinde, sind sie perfekt. Wenn man weiß, wer man ist, hat man eben Dinge, die zeitlos sind. Alle wollen Stil kaufen − aber den kann man nicht kaufen und der ist auch für jeden anders. Es geht um Haltung.

Dasselbe gilt vermutlich auch für Trends?

Trends sind gut fürs Geschäft. Die Menschen sollen sich nicht immer so leiten lassen. Medien erschrecken Frauen zu Tode. Sie sagen, wie man aussehen muss, wie man sich benehmen muss. Aber nur, weil etwas „in“ ist, heißt es nicht, dass es auch an allen gut aussieht. Traurig, diese Fashion Victims. Sie sehen ein Kleid auf dem roten Teppich, es schaut göttlich aus an Angelina Jolie, und sie glauben, wenn sie es anziehen, verwandeln sie sich auch.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Mode

Alter in der Mode: Ein Kurzfilm

Woher kommt eigentlich der Vintage-Begriff, was heißt Retro, und wer ist Iris Apfel? Im Kurzfilm "Alter in der Mode"erklärt Gerda Buxbaum Wissenswertes, jenseits des Mainstream-Horizonts.
Salon

Iris Apfel: New Yorks älteste Stilikone

Iris Apfel hatte immer schon einen Hang zu extravaganten Outfits. Doch noch nie war die 90-jährige New Yorkerin damit so gefragt wie jetzt. Dabei ist es nicht so, dass Iris Apfel ein neues Phänomen wäre.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.