Brüssel will den EU-Finanzminister

Bruessel will EUFinanzminister
Bruessel will EUFinanzminister(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
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Die EZB soll Europas Banken regulieren, der Euro-Rettungsschirm ESM Spareinlagen garantieren, schlagen die vier Chefs der EU-Institutionen vor.

Am Montagabend schlüpfte mit Zypern bereits der fünfte Eurostaat unter den finanziellen Schutzschirm und suchte in Brüssel um Hilfe wegen drohender Zahlungsunfähigkeit an. Das Hilfsansuchen aus Nikosia war zwar seit Tagen erwartet worden, doch illustriert es zwei Tage vor dem nächsten EU-Gipfeltreffen, dass es so mit dem Euro nicht mehr weitergehen kann.

Wie also stellen sich die Spitzen von Europas Institutionen die Zukunft der Währungsunion vor? Am Dienstag legte Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates, seinen mit Spannung erwarteten Bericht vor, wie die EU zu einer „echten Wirtschafts- und Währungsunion“ werden soll. Van Rompuy hatte den Auftrag für diese siebenseitige Ideensammlung von den Staats- und Regierungschefs erhalten. Gemeinsam mit Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), José Manuel Barroso, dem Chef der Kommission, und Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker zeichnet er für eine Vision tief greifender Reformen verantwortlich, die „im Laufe des nächsten Jahrzehnts“ umgesetzt werden und Änderungen der europäischen Verträge erfordern werden.

EU-Aufsicht über alle Banken

Drei große Bauklötze haben die vier Herren, die in Brüssel spöttisch „The Gang of Four“ genannt werden, zusammengetragen. Erstens schlagen sie eine Bankenunion vor, mit gemeinsamer Einlagensicherung und einem Fonds zur Abwicklung maroder Banken. Das Geld für diesen Geldtopf sollten die Banken vorstrecken, reicht das nicht aus, solle der demnächst seine Arbeit aufnehmende Euro-Währungsfonds ESM als letzte Bastion dienen. Das ist insofern schlüssig, als die gegenwärtige Krise dadurch verschärft wird, dass private zu staatlichen Schulden werden und staatliche zu privaten. Diesen Teufelskreis gelte es zu durchbrechen, sagte Österreichs Staatssekretär im Außenministerium Wolfgang Waldner (ÖVP) am Dienstag zur „Presse“.

Die Aufsicht über diese Bankenunion solle auf EU-Ebene liegen – und zwar für alle rund 8300 Banken in Europa, nicht nur für die größten, „systemrelevanten“. Die EZB soll bei der Aufsicht über Banken aus der Eurozone größtmögliche Durchgriffsrechte erhalten. Dafür ist übrigens keine Vertragsänderung nötig; die geltenden Regeln erlauben es, der EZB diese Zuständigkeiten zu verleihen.

Auf die Bankenunion folgt zweitens eine Fiskalunion. Jährlich sollten die Finanzminister der Euroländer die jeweiligen nationalen Defizite und Schuldenquoten beschließen. Wer mehr Geld braucht, soll sich das vorab genehmigen lassen müssen. „In mittelfristiger Perspektive“ könnten gemeinsame Schuldtitel begeben werden.

Das Papier nennt als Möglichkeiten so einer Vergemeinschaftung der Staatsfinanzen kurz laufende Anleihen (die als „Euro-Bills“ durch die Debattenlandschaft geistern) oder einen Fonds zur gemeinsamen Tilgung von Altschulden. Gleichzeitig müsse aber die Kontrolle über die nationalen Haushalte verstärkt werden. Am Ende dieser Entwicklung stehe ein „Treasury Office“, also ein Finanzministerium, für die Eurozone.

Dürre Worte zur Demokratie

Drittens skizziert das Papier eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung, doch nur vage. Vor allem in den Bereichen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und der Steuerpolitik solle es mehr Lenkung geben. Ebenfalls nur dürre Worte finden die Autoren zur Frage, wie diese Föderalisierung Europas den Bürgern gegenüber verantwortlich gemacht werden soll. Das Europaparlament solle „eng eingebunden“ werden, die nationalen Parlamente ebenso. Mehr als Verweis auf Protokoll 1 zu den EU-Verträgen, das Wohlverhaltensregeln zwecks rechtzeitiger Information der Parlamente aufstellt, findet sich allerdings nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2012)

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