Energiesparen: Na bitte, geht doch!

Private Bauherren erwärmen sich fürs Energiesparen. Passivhäuser werden Standard. Beim Warmwasser durch Sonnenkraft sind Österreicher Europameister.

Dass die Österreicher bereit sind, in nachhaltige Immobilien zu investieren, zeigte eine kürzlich durchgeführte „ImmoNachhaltigkeitsstudie“. Knapp zwei Drittel der über 1400 telefonisch und online Befragten gaben dabei an, dass sie für eine solche Immobilie tiefer in die Tasche greifen würden. 83 Prozent glauben überhaupt, dass nachhaltige Gebäude in Zukunft mehr nachgefragt werden. Auch das Konzept der Blue Buildings im „Sinne des Dreiklangs von ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit“ sei bei den Konsumenten in Österreich angekommen, heißt es in der Studie, die von wiko initiiert und von Karmasin und Immobilien.net durchgeführt wurde.

Der Trend der Marktforscher wird in der Realität bestätigt. Es wird nicht nur auf gewerblichem Gebiet sondern eben auch im privaten Bereich zunehmend in nachhaltiges Bauen investiert, Bauherren nutzen alternative Energieformen, um den ökologischen Fußabdruck vor der eigenen Haustür zu verkleinern. Beim Einfamilienhaus etwa ist das Passivhaus bereits deutlich auf der Überholspur. Der Boom hat sogar die Statistiker überrollt: „Passivhäuser sind bald so selbstverständlich wie Elektrizität und damit so zahlreich, dass wir sie derzeit nicht mehr erfassen“, sagt fast entschuldigend Architekt Johannes Kislinger, Obmann der IG Passivhaus. Die letzte Erhebung fand 2010 statt. Damals wurde bereits jedes vierte Einfamilienhaus in Passivbauweise errichtet, zum Jahresende gab es 11.800 solcher Bauten. Nur zehn Jahre davor waren es ganze 60!

Passivhaus auf dem Weg zum Standard

Aktuelle Regelungen zeigen, dass das Passivhaus auf dem Weg ist, zum heimischen Hausbaustandard zu werden, meint Kislinger: „In Vorarlberg fordert die Bauordnung den Passivhausstandard, auch in Innsbruck, Wels und anderen Städten gilt die Regelung. Niederösterreich hat die Förderung verbessert, alle Fertighaushersteller haben Passivhäuser im Programm.“ Längst beschränkt sich die Bauweise nicht mehr nur aufs Einfamilienobjekt: Wohnanlagen, Schulen, ja selbst Bürotürme wie der derzeit am Donaukanal in Wien wachsende EOD-Tower, werden im Passivhausstandard errichtet.

Das Energiesparpotenzial ist groß: Der Heizenergiebedarf liegt bei 15 kWh/m2 pro Jahr und beträgt weniger als ein Zehntel eines konventionellen Hauses aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Zum niedrigeren Energieverbrauch und geringeren CO2-Emissionen komme trotz höherer Planungs- und Baukosten der finanzielle Vorteil, rechnet Günter Lang, Passivhausexperte der ersten Stunde, vor: „Innerhalb von 40 Jahren sind die eingesparten Life Cycle Costs doppelt so groß wie die im Gebäude nach Bauordnung gesamten Errichtungskosten ausmachen.“ Der Architekt Erwin Kaltenegger ortet einen echten Trend: „Früher mussten wir fast missionarisch arbeiten, um Bauherren dafür zu begeistern. Heute wollen sie dezidiert ein Passivhaus.“ Überzeugt hat wohl auch der Wohnkomfort. Gerade die oft skeptisch angesehene automatische Belüftung trägt dazu bei: „Sie gewährleistet optimale Luftqualität, wie man sie sonst nur mit ständig geöffneten Fenstern erreicht“, sagt Kaltenegger. Bleiben die Fenster zu, holt die Anlage permanent frische Luft herein.

Wobei an heißen Tagen die Energie für den Betrieb der Komfortlüftung immer öfter von der Sonne kommt. Denn für größere Energieunabhängigkeit statten Bauherren ihre Häuser zunehmend mit Fotovoltaikanlagen aus. Die technischen Entwicklungen bestätigen ebenfalls, dass die Österreicher auf Nachhaltigkeit setzen. Laut dem Marktbericht „Innovative Energietechnologien“ des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie hat sich im Vorjahr die installierte Leistung der Fotovoltaikanlagen mehr als verdoppelt, verglichen mit 2008 beinahe verzwanzigfacht. Wesentlich beigetragen zum Boom haben laut Experten Förderungen wie sie einige Bundesländer und der Klima- und Energiefonds auch für Private bieten, die eine netzgekoppelte Fotovoltaikanlage auf dem Dach errichten.

Warmwasser durch Sonnenkraft gefragt

Bei solarthermischen Anlagen, die zur Warmwasserbereitung mit Sonnenkraft dienen, ist Österreich in Relation zur Einwohnerzahl sogar Europameister. Zwar verzeichnete der Markt im Vorjahr einen Rückgang von 17 Prozent. Die bisher installierten Anlagen bringen aber bereits einen Nutzwärmeertrag von 1920 GWh. Bei Berücksichtigung des österreichischen Wärmemixes – so der Marktbericht über innovative Energietechniken – werden dadurch fast 440.400 Tonnen CO2-Emissionen gespart.

Energiesparende Technologien alleine machen einen Bau aber noch nicht nachhaltig. Die verwendeten Baumaterialien von der ressourcenschonenden Erzeugung bis zum Recycling spielen ebenso eine Rolle wie die Nutzung und Veränderbarkeit der Flächen oder die Qualität der Innenluft. Über 70 Kriterien berücksichtigt etwa die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft bei der Zertifizierung eines Gebäudes. Auf eine solche Zertifizierung nach Nachhaltigkeitskriterien setzen immer mehr Bauherren, erzählt Phillipp Kaufmann von der vor drei Jahren geschaffenen Zertifizierungsstelle ÖGNI: „Wir haben mittlerweile 50 Zertifikate ausgestellt, aber in den eineinhalb Jahren ist das Interesse der Bauherren geradezu explodiert und heute befinden sich bereits mehr als 240 Projekte in der Zertifizierung“.

Susanne Gessler von der Zertifizierungsstelle ÖGNB sieht ebenfalls einen deutlichen Trend zu dieser Form der Qualitätsüberprüfung von Immobilien. Und sie registriert, dass das der Zertifizierung zugrunde liegende Bewertungssystem für nachhaltiges Bauen noch wesentlich häufiger bei den Planungen berücksichtigt wird, also nachhaltig gebaut wird: „Die Zertifizierung durch eine unabhängige Stelle ist nur der letzte Schritt der Überprüfung und wird oft nicht gemacht, weil noch kein Bedürfnis nach einem Zertifikat besteht.“

Für den Einfamilienhausbauer sind solche Nachhaltigkeitsüberprüfungen um einige Nummern zu groß. Aber auch für ihn gibt es ab 1. Dezember dieses Jahres den Energieausweis. Darin steht dann schwarz auf weiß, wie wenig Energie das Haus benötigt. Und dieses Kriterium wird in Zukunft auch ein wichtiges Verkaufsargument für eine nachhaltige Immobilie sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2012)

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