ATV2 und Arte senden eine Miniserie über das Schicksal der Familie Kennedy: eine Mischung aus Zeitgeschichte, Familienporträt und Gefühlsausbrüchen.
Dreißig Millionen Dollar hat sich der US-amerikanische History Channel das Projekt kosten lassen. Geld, das für die sichere Bank bestimmt war. Was soll auch schiefgehen, wenn man die zeitgeschichtlich spannende Story einer der einflussreichsten Familien der USA – der Kennedys – als Mischung aus Politthriller und Seifenoper für das Fernsehen dramatisiert? Nur eines: dass sich die Kennedys querlegen. Das taten JFK-Tochter Caroline und Nichte Maria Shriver – mit der Begründung, die Darstellung der Familie in der TV-Serie wäre zu negativ, sogar von Rufschädigung John F. Kennedys war die Rede. Der History Channel schrieb erst um, ließ dann lieber die Finger davon und verzichtete auf die Ausstrahlung. Dafür konnte sich der kleinere ReelzChannel mit John Cassars Miniserie schmücken. Mittlerweile ist sie Emmy-gekrönt – und läuft dieser Tage im deutschsprachigen Fernsehen an. Just in dem Moment, da eine der Hauptdarstellerinnen – Katie Holmes in der Paraderolle als Jackie Kennedy – wegen privater Turbulenzen in den Klatschspalten steht. Als wäre es eine von den Kennedys geschickt inszenierte PR-Aktion...
Kein Held, kein Mythos, kein Geheimnis
Womit wir auch schon mitten in den Achtteiler eingetaucht wären, der die Familiengeschichte anhand historischer Meilensteine aufrollt: von der Wahl John Fitzgerald „Jack“ Kennedys im November 1960 bis zum Attentat und der späteren Ermordung seines Bruders Robert Francis „Bobby“ Kennedy 1968 – Kubakrise, Berliner Mauerbau und Rassenunruhen inklusive. Die Kennedys werden als zielstrebiger Clan präsentiert, in dem alle Mitglieder am Erreichen der ehrgeizigen politischen Pläne mitarbeiten wollen, sollen und müssen. Tom Wilkinson ist der zunächst eiserne, später gebrochene Patriarch Joe Kennedy Senior. Oscar-Kandidat Greg Kinnear schaut John F. Kennedy hier nicht nur erstaunlich ähnlich, er gibt auch ein überzeugendes Bild einer nicht bloß zielstrebigen, sondern manchmal auch in sich zerrissenen Persönlichkeit. Man kann sich vorstellen, was der Familie an der Darstellung nicht behagte: John F. Kennedy nur als zweite Wahl des ehrgeizigen Vaters (hinter seinem verunglückten Bruder Joe); ein „Doctor Feelgood“, der mit ominösen Spritzen den Präsidenten und die First Lady therapiert; ein Inhaber des höchsten Amts im Staat, der nicht nur Augen für seine schöne Frau hat... Kein Held also. Kein Mythos. Aber es sind auch keine Geheimnisse, die da aufgedeckt werden.
Was wären die Kennedys ohne ihre Frauen? Und erst diese Serie! Der Damenwelt wird gehörig Platz eingeräumt, was des Öfteren Chancen für überschäumende Gefühle und herzzerreißende Bekenntnisse lässt. Niemand weiß, ob sich zwischen John F. Kennedy und seiner Frau bei seinem letzten Flug in Richtung Dallas, Texas, folgender Versöhnungsdialog (oder Ähnliches) zugetragen hat: „Ich habe dir nie gedankt dafür, dass du mitkommst. Dass du bei mir bist...“ Sie: „Aber gern!“ Er: „... dass du bei mir bleibst.“ Sie: „Ich bin noch nie in meinem Leben so glücklich gewesen.“ Aber falls es nicht stimmt, dann ist es zumindest gut erfunden.
„Die Kennedys“: Ab 20. Juli (20.15h) auf ATV2 und ab 26. Juli (20.15h) auf Arte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2012)