Mario Draghi gegen die Bundesbank

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Der EZB-Chef will „alles tun“, um den Euro zu retten. Damit meint er auch weitere Käufe von Staatsanleihen. Der Streit um den Kurs der Zentralbank geht in die nächste Runde.

Wien/Stef. Auf 3.080 Milliarden Euro oder in etwa das Elffache der Wirtschaftsleistung Österreichs beläuft sich die Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank. Vor einem Jahr lag dieser Wert bei 2000 Milliarden. Der Anstieg ist eine unmittelbare Folge der Eurokrise. Durch sogenannte „unkonventionelle“ Maßnahmen versuchte die EZB, das Feuer einzudämmen. Die höhere Bilanzsumme bedeutet in letzter Konsequenz ein höheres Risiko für die Zentralbank und damit für die haftenden nationalen Notenbanken.

Der EZB-Chef als Feuerlöscher

Der Brand in der Eurozone lodert nach wie vor und EZB-Chef Mario Draghi sagte am Donnerstag bei einer Rede in London überraschend deutlich, dass er „alles Nötige“ zu tun gedenke, um die Einheitswährung zu retten. Das mag auf den ersten Blick nicht von allzu großer Bedeutung erscheinen. Europas Politik sagt das seit mehr als zwei Jahren. Und doch lösten Draghis Aussagen an den Weltbörsen ein mittleres Erdbeben aus.

An allen wichtigen Handelsplätzen setzte es deutliche Kursgewinne. Das wichtigste Ziel von Draghis Aussage war es, die Refinanzierungskosten für spanische und italienische Staatsanleihen zu drücken. Mit Erfolg: Zehnjährige spanische Papiere notierten am Freitag bei einer Rendite von 6,71 Prozent – um einen Prozentpunkt niedriger als vor der Rede des Zentralbankers.

Trotzdem setzt es zum Teil heftige Kritik an dem italienischen Notenbankchef, vor allem vonseiten der deutschen Bundesbank. „Wir bleiben bei unserem Standpunkt“, ließ die wichtigste nationale Notenbank Europas am Freitag ausrichten. Soll heißen: Keine weiteren Käufe von Staatsanleihen und möglichst wenige andere „außergewöhnliche“ Maßnahmen der EZB zur vermeintlichen Beruhigung der Eurokrise.

Neben dem aufgenommenen Risiko durch die hohe Bilanzsumme ist es vor allem die Inflationsgefahr, die den deutschen Notenbankern Sorge bereitet. So versorgte die EZB die Geschäftsbanken in zwei Tranchen mit insgesamt mehr als einer Billion Euro an günstigen Krediten. Zusätzlich kaufte die Frankfurter Zentralbank Staatsanleihen von Krisenländern im Ausmaß von 215 Mrd. Euro.

Einen Gutteil des so in den Markt gepumpten Geldes legen die Banken bislang wiederum bei der EZB an, weshalb sich die Maßnahmen nur bedingt auf die Teuerungsrate auswirken. Nicht zuletzt die deutsche Bundesbank warnt allerdings davor, dass sich dieses Blatt wenden könnte und eine hohe Inflation dann nur noch schwer zu stoppen sei.

Die Geldpolitik als Pokerspiel

Nun warten die Anleger mit Spannung darauf, ob Draghi seinen Worten auch Taten folgen lässt. Kommende Woche findet die monatliche Tagung der EZB statt. Im Anschluss könnte die Zentralbank eine weitere Runde an Staatsanleihenkäufen oder günstigen Krediten für die Banken verkünden. Eine Änderung des Leitzinssatzes in Höhe von 0,75 Prozent wird eher nicht erwartet.

Allerdings ist die Geldpolitik immer auch ein Pokerspiel. Solange eine Notenbank bei den Investoren Glaubwürdigkeit besitzt, genügen oft schon Worte, ohne dass Taten folgen. Weil schon die Ankündigung Draghis die Renditen drückte, könnte es durchaus sein, dass sich die Bundesbank zunächst durchsetzt und es zu keinen weiteren „unkonventionellen“ Maßnahmen kommt. Steigen die Renditen danach jedoch wieder, hat Draghi zumindest sein rhetorisches Pulver verschossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2012)

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