AUA-Bilanz: Prüfer entdeckt Ungereimtheiten

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Der Wirtschaftsprüfer Herbert Heiser ist zum Schluss gekommen, dass die Austrian Airlines 2007 einen Verlust von 205,5 Millionen Euro hätten ausweisen müssen. Statt eines Gewinns von 3,3 Millionen Euro.

Wien. Die AUA durchläuft gerade die radikalste Sanierungskur ihrer Unternehmensgeschichte. Dabei muss Airline-Boss Jaan Albrecht auch jene Sünden der Vergangenheit aufarbeiten, die der AUA allein ab 2008 mehr als eine Mrd. Euro Verlust beschert haben. Aber auch 2007 hätte die AUA statt des offiziell ausgewiesenen Gewinns von 3,3 Mio. Euro einen saftigen Verlust ausweisen müssen – und zwar rund 235 Mio. Euro. Das geht jedenfalls aus dem Gutachten des Wirtschaftstreuhänders Herbert Heiser hervor, der im Rechtsstreit zwischen der AUA und Scheich Mohamed bin Issa Al Jaber vom Gericht beigezogen wurde.

Heiser sollte die Frage beantworten, ob die AUA Anfang 2008 tatsächlich saniert war, wie der damalige AUA-Chef Alfred Ötsch behauptet hatte. Al Jaber wollte bei der AUA mit 150 Mio. Euro einsteigen. Angesichts des finanziellen Sturzflugs sprang er aber wenig später, im Frühjahr 2008, wieder ab, weil er sich über die wirtschaftliche Lage der Fluglinie falsch informiert sah. Al Jaber klagte daraufhin Ötsch wegen des Verdachts des schweren Betrugs und des Verstoßes gegen § 255 Aktiengesetz (unrichtige Weitergabe, Verschleierung oder Verschweigung unternehmensrelevanter Ereignisse). In diesem Strafverfahren liegt schon länger ein Gutachten vom Gerichtssachverständigen Martin Geyer vor, das zu vergleichbaren Schlüssen wie Heiser kommt („Die Presse“ berichtete exklusiv am 10. Februar 2011).

Im Gegenzug klagte die AUA Al Jaber auf 156 Mio. Euro Schadenersatz, weil die Vertreter der Fluglinie der Ansicht waren, dass der Scheich seinen Vertrag nicht erfüllt habe. Al Jaber konterte mit einer sogenannten Widerklage über 30 Mio. Euro. In diesem zivilrechtlichen Verfahren wurde nun Heiser beigezogen.

Das Ergebnis der Expertise spielt dem von der Kanzlei Kerres vertretenen Al Jaber in die Hände:
► Heiser hat festgestellt, dass die AUA durch die Kapitalerhöhung im Jahr 2006 zwar verhinderte, unter die vorgeschriebene Eigenkapitalquote (acht Prozent) zu sinken. Doch „die strukturellen Schwächen und damit die Verlustursachen waren nicht beseitigt. Eine nachhaltige Gewinnfähigkeit war meines Erachtens nicht hergestellt“, meint Heiser. Deshalb zieht er auch in Zweifel, „ob mit dem Ergebnis 2007 ein saniertes Unternehmen vorliegt“.

► Wobei Heiser das Ergebnis 2007 insgesamt anzweifelt. Die AUA hat Ende des Jahres 2007 keinen Abwertungsbedarf, die Flugzeugflotte betreffend, festgestellt. Mit dem Argument, dass der Nutzwert der Flugzeuge höher gewesen sei als der Buchwert. Sie hat allerdings für die Abzinsung einen Zinssatz von fünf Prozent herangezogen. Heiser erachtet diesen für zu niedrig und verweist darauf, dass die Lufthansa mit einem Zinssatz von 9,81 Prozent arbeitete und die AUA selbst dann ein Jahr später acht Prozent ansetzte.
Ein Zinssatz von acht Prozent hätte anstelle der Überdeckung von 109 Mio. Euro eine Unterdeckung von 182 Mio. Euro ergeben. Bezieht man diese Abwertung und eine von Heiser ebenfalls monierte Anpassung bei latenten Steuern von 26,8 Mio. Euro ein, wäre der AUA im Jahr 2007 ein Verlust von 205,5 Mio. Euro entstanden – statt eines Gewinns von 3,3 Millionen Euro.

► Zahlungsunfähig und/oder überschuldet sei die AUA hingegen nicht gewesen, heißt es in dem Heiser-Gutachten, das der „Presse“ exklusiv vorliegt. Damit ist der Vorwurf der Konkursverschleppung vom Tisch. Aber: „Ohne weitere Zuschüsse seitens der Eigentümer war die AUA mit zunehmendem Zeithorizont (mittel- bis langfristig) auf einer Standalone-Basis nicht überlebensfähig“, wie Heiser schreibt.

► Aus den ihm vorliegenden Vorstands- und Aufsichtsratsprotokollen schließt der Gutachter zudem, dass dem Vorstand die prekäre wirtschaftliche Situation bekannt war, der Aufsichtsrat aber zu wenig Informationen darüber erhielt, obwohl einige Mitglieder mehrfach kritische Fragen zur Bilanz 2007 und den Businessplänen für die Folgejahre stellten. Ab Mitte März 2008 habe sich eine „merkbare Diskrepanz zwischen der internen Einschätzung und der Kommunikation“ abgezeichnet. Für Al Jaber seien die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht ausreichend gewesen, um ein richtiges Bild von der AUA zu erhalten.

Die von der Anwaltskanzlei Reich-Rohrwig vertretene AUA sieht die Sache naturgemäß anders. „Al Jaber hätte aufgrund der traditionell hohen Zyklizität des Luftfahrtgeschäfts mit einem Verlust im ersten Quartal 2008 rechnen müssen“, umreißt AUA-Sprecher Peter Thier die Position der Fluglinie. Die Frage nach einem möglichen Wertminderungsbedarf sei sehr wohl diskutiert worden, da jedoch niemand die schwere Wirtschaftskrise vorhersehen habe können, habe man sie nicht gemacht. Die Bilanz 2007 sei zudem vom Wirtschaftsprüfer Ernst & Young bestätigt worden. Al Jaber hat weiter Deloitte als Berater für seine Firmenprüfung heranzogen.

Beide Prozesse dürften sich noch einige Zeit hinziehen, meinen Juristen. Die Kapitalerhöhung sei zwar Vergangenheit, es gehe dabei aber um prinzipielle Fragen der Bilanzerstellung und der Kommunikation von Unternehmen nach außen. Allein die Prozesskosten werden auf rund zehn Mio. Euro geschätzt. Pikantes Detail dazu: Da die zu Prozessbeginn noch im Staatsbesitz stehende AUA dieses Geld nicht hatte, soll die ÖIAG dafür ein mit 30 Mio. Euro dotiertes Sonderkonto eingerichtet haben.

Auf einen Blick

Rechtsstreit. Der Wirtschaftsprüfer Herbert Heiser hat in einem vom Gericht beauftragten Gutachten festgestellt, dass die AUA nicht als saniert zu bezeichnen war und einen Partner brauchte. 2007 hätte die Fluglinie zudem keinen Gewinn, sondern einen Verlust von über 205 Mio. Euro ausweisen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31. Juli 2012)

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