Ein spiritueller Auftakt: Gibt es gutes Publikum?

(c) Dapd (Kerstin Joensson)
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Der neue Salzburger Intendant Alexander Pereira über die künstlerischen und medialen Erfahrungen seiner ersten Festspiel-Tage.

Herr Intendant, ich will Sie nicht um eine Halbzeitbilanz bitten. Aber es ist vielleicht Zeit, einmal das Stimmungsbarometer abzulesen.

Halbzeit haben wir ja auch noch nicht. Aber wir wissen natürlich nach den ersten Premieren, in welche Richtung es geht. Ich bin glücklich, wie meine Idee der „Ouverture spirituelle“ akzeptiert worden ist. Man konnte bei diesen Konzerten mit geistlicher Musik wirklich spüren, wie das Publikum mitgegangen ist. Übrigens hat mir ein schöner Zufall kurz vor meiner Abreise nach Salzburg meine einstige Bewerbung für das Wiener Konzerthaus in die Hände gespielt. Ich hatte das gar nicht mehr in Erinnerung, aber da stand damals, in den frühen Achtzigerjahren, schon drin, ich möchte ein Festival mit geistlicher Musik machen.

Das hat dann aber nie stattgefunden.

Manchmal brauchen die Dinge Zeit, Gestalt anzunehmen. Vieles, was hier exzellent funktioniert – ein Konzert mit A-cappella-Musik aus der Renaissance! – wäre in Wien wahrscheinlich heute noch ein Leerfeger. Hier war's rammelvoll!

Und die Opern-Produktionen?

Am glücklichsten bin ich mit „Ariadne auf Naxos“. Sven Eric-Bechtolf hat eine faszinierende Spielfassung für den ersten Teil des Abends hergestellt. Persönlich mag ich auch unsere „Zauberflöte“, auch wenn sie nicht bei allen gut angekommen ist. Ich habe bei der Premiere viel gelernt – vor allem über die Zusammensetzung des Publikums.

Wie darf man das verstehen?

Das Verhältnis muss stimmen. Es waren weit über 500 geladene Gäste in der Premiere. Bei einem Haus, das 1400 Sitzplätze hat, darf nicht ein so hoher Prozentsatz nicht von Aficionados besetzt sein. Da ist die Reaktion automatisch nicht so enthusiastisch. Das ist für die Künstler lähmend. Das „normale“ Publikum in der zweiten Vorstellung hat den Künstlern Standing Ovations bereitet.

Das heißt, die Zusammensetzung des Publikums ist eine wichtige Komponente für den Erfolg?

Absolut. Das haben wir an diesem Abend gelernt. Wir haben drei höchst unterschiedliche Säle und es geht da um die richtige Feinabstimmung, um das Publikum bestmöglich zu bedienen.

Das Publikum wird ja heuer auch bedient, wenn es gar nicht nach Salzburg kommt. Nie gab es so viele Fernsehübertragungen.

Das ist ein immenser Erfolg. „La Bohème“ sahen allein am Premierentag, als der ORF übertrug, über 420.000 Menschen. Der Marktanteil lag bei 20 Prozent! Tags darauf sendete dann auch noch das ZDF im Hauptabendprogramm. Die „Zauberflöte“, die auf Arte zu sehen war, haben 560.000 Zuschauer verfolgt.

Wie ist es Ihnen gelungen, die Fernsehanstalten plötzlich so zu motivieren?

Das war die Initiative von Unitel-Chef Jan Mojto und mir, wir haben ZDF, ORF und Arte ins Boot holen können, um die Übertragungen zu koordinieren. Ich muss sagen: Dass es ORF III gibt, war eine enorme Hilfe. Wir können heuer insgesamt zwölf Produktionen aufzeichnen.

Das potenziert die Breitenwirkung der Festspiele?

Die „Bohème“ wird in Russland gesendet, in Korea, vom NHK in Japan . . .

Sind Sie nach wie vor der Meinung, dass Opernproduktionen nur eine Saison lang gezeigt werden sollen? Tut Ihnen das, angesichts eines Erfolgs wie „Ariadne auf Naxos“ etwa, nicht leid?

Also im Fall der „Ariadne“ ist es wohl so, dass eine solche Künstlerkonstellation einen Glücksfall darstellt, der sich nicht leicht wiederholen lässt. So etwas noch einmal zusammenzukriegen ist schwer. Ich werde mir im Übrigen immer den Spielraum geben, um etwas zu wiederholen, wenn ich es wiederholen möchte. Wenn mir Nikolaus Harnoncourt heute sagt, er möchte noch dreimal die „Zauberflöte“ dirigieren, dann werden wir noch dreimal die „Zauberflöte“ spielen. Aber die Grundidee, dass wir jedes Jahr etwas Besonderes bieten wollen, schließt Wiederholungen im großen Stil jedenfalls aus. Dabei bleiben wir schon.

Und die, sagen wir, etwas unebene Basis, auf der Ihr Verhältnis zur Salzburger Kulturpolitik gestanden ist – zumindest bis zur jüngsten Kuratoriumssitzung?

Die Wogen haben sich geglättet. Die Politiker sind jetzt alle begeistert. Wir haben uns die Latte hoch gelegt, aber wir haben sie alles in allem übersprungen, denke ich. Außerdem ist es durch die „Ouverture spirituelle“ gelungen, ein bisschen von dem Hype um die Eröffnungspremiere wegzunehmen. Wir konnten „normaler“ starten, ganz auf die Musik konzentriert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2012)

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