Delikatessenprojekt: Schüttelbrot, radikal

Kastanienholz und der Meeresspiegel: Wie detailreich ein regionales Delikatessenprojekt gedacht sein kann, zeigt "Pur Südtirol".

Wenn Ulrich Wallnöfer einmal loslegt, ist er nicht mehr so rasch zu stoppen. Zu viel hat er, der früher in der Marketingbranche arbeitete, über Schüttelbrot, Apfelholz und die Südtiroler Speckproblematik zu erzählen, eines der größten Reizthemen des Landes. „Die Schweine kommen aus Deutschland, aus den Niederlanden, aus Österreich, werden dann halt an der Südtiroler Luft getrocknet, und plötzlich ist die Luft das Wichtigste am Schinken. Das wird dann enorm aufgebauscht.“ In Südtirol gebe es 10.000 Schweine, „und wie in der Bibel machen wir daraus sechs Millionen Hammen“. 



Ulrich Wallnöfer hat zwar mit solch wundersamen biblischen Vermehrungen nichts am Hut, man kann ihn aber getrost als Missionar bezeichnen. Er möchte Regionalitätsbewusstsein unter die Leute bringen. Gemeinsam mit Günther Hölzl, dem Leiter des Meraner Weinhauses, hat er „Pur Südtirol“ gegründet, einen Markt für Südtiroler Lebensmittel mit neuerdings zwei Filialen in Meran und Bruneck. Man bezieht ohne Zwischenhändler von Bauern, beim Verpackungsdesign wird nur manchmal eingegriffen – anders als beim österreichischen Pendant „De Merin“, das Produkte der südsteirischen Bauern einheitlich verpackt.

Hammenholz. Dabei ist Wallnöfer und Hölzl nicht nur die Produktvielfalt wichtig – 1500 Lebensmittel sind es, von über 220 Anbietern, darunter etwa Schüttelbrotschnaps, Ziegenbutter oder sortenreines Apfelgelee, eine Accessoirelinie gibt es ebenfalls. Die Einrichtung bereitete den Pur-Machern auch viel Kopfzerbrechen, sollte doch auch sie Südtiroler Flair verströmen. So konsequent regional in Sachen Material und Formensprache, direkt ein wenig nerdig, dürfte kaum ein vergleichbares Projekt sein: Die Einkaufswagen wurden „in letzter Sekunde“ mit einer heimischen Korbflechterin produziert. Man recherchierte, aus welchem Holz traditionellerweise die Stangen sind, auf denen die Hammen genannten Speckseiten zum Trocknen aufgehängt werden, und ließ nur dieses eine Holz für die Hammen im Pur-Keller zu – Akazie. „Den Leuten ist’s vermutlich egal, uns war’s aber wichtig“, sagt Wallnöfer. Für die Möblierung in der Meraner Filiale wählte man rares Apfelholz für die Präsentationskisten sowie Kastanienholz; für die neue Filiale in Bruneck aber war Kastanie dem strengen Konzept nach schon nicht mehr erlaubt – der Meeresspiegel ist schuld. Wie bitte? Tja, Bruneck liegt eben höher als Meran, und auf über 800 Höhenmetern wächst keine Kastanie mehr, also nahmen Wallnöfer und Hölzl das sehr wohl erlaubte Ulmenholz.

Ein Schwerpunkt im Pur-Angebot ist naturgemäß der Apfel. Und auch darüber hat Wallnöfer viel zu erzählen: „Seit den Dreißigerjahren gab es lange Zeit keine Apfelweine mehr, nachdem Mussolini alle Weine aus vergorenen Früchten verboten hat. Obwohl wir der größte Apfelproduzent Europas sind!“ Zur Zeit kümmert man sich also bei Pur um dieses Produkt, verkostet Apfelweine aus ganz Europa und hat einen eigenen herausgebracht: S’Pom. Der Name ist natürlich ebenso hintersinnig wie die Einrichtungsdetails: Das S steht für Südtirol und Spumante, Pom für Apfel. Und dass man mit Pommery zusätzlich Prickeln assoziiert, stört sicher nicht.

TIPP

„Pur Südtirol“ hat zwei Filialen: Freiheitsstraße 35, Meran, Herzog-Sigmund-Straße 4a, Bruneck. Die Küchenaccessoire-Kollektion aus 23 Entwürfen von Harry Taler sind auch online zu kaufen. www.pursuedtirol.com

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