Briten haben roten Teppich ausgerollt

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Belastungspaket. Immer mehr Franzosen, die vor den Steuererhöhungen in ihrer Heimat flüchten wollen, sehen sich in Großbritannien nach Job und Wohnung um.

London. Für Frankreichs Großverdiener würde er „den roten Teppich ausrollen“, tönte der britische Premierminister David Cameron vor gut zwei Monaten. Nun will Frankreich den Spitzensteuersatz tatsächlich auf 75 Prozent erhöhen und zusätzliches Geld aus einer Einkommensteuerreform lukrieren (siehe Bericht links). In Großbritannien beschloss man hingegen im März, ab 2013 den Höchststeuersatz für Jahreseinkommen ab 150.000 Pfund (187.562 Euro)von 50 auf 45 Prozent zu senken.

Cameron erntete zwar Kritik im In- und Ausland. Die Zielgruppe aber, Frankreichs Arbeitskräfte mit hohen Gehältern, scheint die Einladung nun dankend anzunehmen. Anfang der Woche berichtete die britische Recruitmentfirma Astbury Marsden gegenüber der Londoner Finanzzeitung City AM, dass die Bewerbungen aus Frankreich zuletzt um 52 Prozent angestiegen seien. In keinem bisherigen Jahr und auch in keinem anderen Land habe es einen derartigen Zuwachs gegeben. In den Augen französischer Arbeitnehmer habe die Attraktivität Londons mit der Politik des französischen Präsidenten François Hollande zu tun.

London wird immer attraktiver

Auch eine Umfrage der Jobbörse Totaljobs.com ergab, dass 42 Prozent der Franzosen für die Arbeit nach London umsiedeln würden. International schneidet die britische Hauptstadt damit deutlich besser ab als andere Städte, inklusive Paris. Zudem berichten mehrere Maklerbüros, dass Londons teurer Immobilienmarkt zusehends interessanter für Franzosen wird. Die Zahl der Franzosen, die in London ein Haus oder eine Wohnung kauften, sei seit der Wahl Hollandes im Mai deutlich gestiegen.

In Großbritannien ergab im März eine Studie des Finanzministeriums, dass das Konzept, Mehreinnahmen durch höhere Steuern für Gutverdiener zu lukrieren, nicht funktioniert, weil betroffene Einkommen in Steueroasen verschoben wurden. Ein zu hoher Spitzensteuersatz schade mehr als er nutze. Auch deshalb dürfte der Plan des britischen Schatzkanzlers George Osborne, das Haushaltsdefizit von derzeit zehn Prozent bis 2015 auf Null zu reduzieren, nicht aufgehen. Mit einem niedrigeren Steuersatz, der Zahler aus Frankreich anzieht, könnte sich die Lage etwas bessern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2012)

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