Wehsely: „Ich habe eine private Zusatzversicherung"

(c) Clemens Fabry
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Die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely erklärt im Interview, warum sie eine private Zusatzversicherung für nicht notwendig erachtet. Sie selbst hat dennoch eine.

Die Presse: Haben Sie eigentlich eine private Zusatzversicherung?
Sonja Wehsely: Ja, ich habe sie abgeschlossen, als ich Gesundheitsstadträtin wurde. Ich will im Krankheitsfall in einem Zweibettzimmer liegen und mir nicht nachsagen lassen, dass ich das meinem Amt zu verdanken habe.

Nur aus diesem Grund?
Nur deswegen. Denn grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man in Wien und Österreich keine Privatversicherung braucht.

Aber Sie könnten ja eine bevorzugte Behandlung einfach ablehnen, sollte Ihnen eine angeboten werden.
Wenn ich nach einem Unfall bewusstlos eingeliefert werde, werde ich sicher nicht gefragt.

In einem solchen Fall würde Ihnen auch niemand ein Zweibettzimmer missgönnen.
Na ja, der Neid ist ein Luder. Jedenfalls möchte ich mich nie mit so einer Kritik konfrontiert sehen. Mir geht es auch um den Anschein.

Können Sie nachvollziehen, warum Menschen private Zusatzversicherungen abschließen? Österreichweit sind es immerhin eine Million.
Ich war jahrelang Versicherungsangestellte und hätte unter günstigen Konditionen Privatversicherungen abschließen können, habe es aber nicht getan, weil ich damals wie heute davon überzeugt bin, dass in Österreich jeder dieselbe medizinische Versorgung bekommt. Aus meiner Sicht braucht es keine Zusatzversicherungen.

Dennoch haben Sie eine und im Ernstfall somit die Möglichkeit, nicht in einem Sechsbettzimmer mit anderen schwer kranken Patienten zu liegen, die vor Schmerzen winseln, schnarchen oder ständig Besuch bekommen. Jemand ohne Privatversicherung kann sich das nicht aussuchen. Inwiefern ist das keine Zweiklassenmedizin?
Insofern, als in Österreich die medizinische Versorgung nicht davon abhängig ist, ob sie jemand bezahlen kann oder nicht. Zuerst die Kreditkarte, dann die Behandlung, wie in den USA - das bedeutet für mich Zweiklassenmedizin.

Das ist die krasseste Form davon. Eine etwas mildere Form ist die Unterbringung in einem Einzelzimmer mit Hotelstandard anstatt in einem Sechsbettzimmer eines Gemeindespitals.
Was die Mehrbettzimmer angeht, gebe ich Ihnen recht. Daher werden die Wiener Gemeindespitäler im Rahmen des Spitalskonzepts 2030 schrittweise so umgebaut, dass darin Ein- und Zweibettzimmer zum Standard werden.

Dann räumen Sie den Klassenunterschied in diesem Punkt ein?
Ja, aber wir müssen berücksichtigen, dass die Wiener Gemeindespitäler - abgesehen vom AKH, der Rudolfstiftung und dem Donauspital - durchschnittlich 80 Jahre alt sind. Diese Spitäler wurden unter anderen Vorzeichen gebaut. Das Spitalskonzept 2030 sieht vor, sie umzustrukturieren. Die Ansprüche haben sich verändert. Menschen sind verschieden, manche haben besondere Bedürfnisse und wollen den Luxus mehr als andere.

Eltern, die nicht zusatzversichert sind, können nicht bei ihren Kindern im Krankenzimmer übernachten. Sonderklassepatienten schon. Bei seinem schwer kranken Kind bleiben zu wollen ist doch kein Luxus.
Auch Eltern ohne Zusatzversicherung können bei ihrem Kind übernachten. Nur müssen sie dafür einen Beitrag leisten, der deutlich geringer ist als die Zusatzversicherung. Das ist eine wirtschaftliche Rechnung. Was ist günstiger? Ich habe mein Kind in einem Gemeindespital zur Welt gebracht und lag in einem Vierbettzimmer. Für mich war das in Ordnung.

Wer also mehr Geld hat, kann bei seinem Kind übernachten. Wer noch mehr Geld hat, kann seinen Arzt zu sich holen und bei sich übernachten lassen.
Ja. In einem freien Land kann sich jeder selbst entscheiden. Als politisch Verantwortliche muss ich zur Kenntnis nehmen, dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben und manche Leute viel Geld in die Hand nehmen, um in ihrem Krankenzimmer schönere Vorhänge zu haben. Und wenn Menschen das wollen, müssen wir ihnen ein Angebot schaffen. Derzeit liegt der Anteil an Privatpatienten in den Wiener Gemeindespitälern bei fünf Prozent. Das Ende der Fahnenstange ist nicht erreicht. An diesen privaten Mitteln sollte die öffentliche Hand auch einen Anteil haben. Sonst wäre das eine Privatisierung der Gewinne und eine Sozialisierung der Kosten.

Mit Ihrem Spitalskonzept 2030 wollen Sie Privatpatienten mit Ein- und Zweibettzimmern in die Gemeindespitäler locken. Der Krankenanstaltenverbund (KAV) fordert zudem Anreize für Ärzte. Etwa die Senkung des Infrastrukturbeitrags von zwölf auf acht Prozent.
Eine Senkung ist kein Thema, nach unten sehe ich keinerlei Spielraum.

Was ist mit dem Verteilungsschlüssel? Wenn ein Arzt in einem Gemeindespital einen Sonderklassepatienten operiert, darf er nicht mehr als 60 Prozent des Honorars behalten, der Rest wird unter der restlichen Belegschaft aufgeteilt. KAV-Direktor Wilhelm Marhold fordert eine Aufteilung von 80 zu 20 Prozent, damit Ärzte nicht in Privatkliniken ausweichen. Auch die Ärztekammer kann diesem Vorschlag viel abgewinnen.
Wenn mir die Ärztekammer versichert, damit einverstanden zu sein, wird die Realisierung nicht an mir scheitern.

An den Ärzten dürfte diese Forderung auch nicht scheitern. Michael Gnant, Spitzenchirurg im Wiener AKH, hat gegenüber dem „Kurier" gesagt, dass Ärzte am liebsten dort operieren, wo sie am besten bezahlt werden.
Das kann auch nur von einem Bediensteten der Republik Österreich kommen, ein Gemeindebediensteter würde das nicht so ohne Weiteres sagen. So zu denken, obwohl er seinen ganzen Ruhm dem AKH und der Medizinischen Universität zu verdanken hat, halte ich in meiner Wertehaltung für problematisch und sogar für unmoralisch.

Die Presse, Print-Ausgabe, 12.09.2012

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