Juan Amador: „Gern Neoklassik“

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Teller wie aus Floristenhand, Taube in sieben Gängen und „Cook it raw“: Juan Amador mag so einiges nicht. Wovon ist er selbst überzeugt?

Amador kocht in einer ehemaligen Fabrikhalle.
Amador kocht in einer ehemaligen Fabrikhalle.(c) Beigestellt
Das Restaurant Amador im Industriegebiet von Mannheim.
Das Restaurant Amador im Industriegebiet von Mannheim.(c) Beigestellt

Vielleicht liegt es an seinen spanischen Wurzeln, dass Juan Amador mit den Küchentrends aus dem hohen Norden nicht viel anzufangen weiß: „Jetzt sind dort rohe Ameisen der letzte Schrei. Die schmecken angeblich so schön nach Zitrone. Verdammte Scheiße, ja dann nimm doch Zitrone!“ Wer mit Juan Amador redet, darf keine Angst vor bösen Wörtern haben. Und wer bei ihm in Mannheim essen will, braucht gar nicht erst versuchen, mittels Abendspaziergang zum Restaurant Amador zu kommen. Der Taxifahrer kennt das Lokal, amüsiert sich nach der Ankunft über die fragenden Augen des Fahrgasts im Rückspiegel: Hier, neben dem Metro-Großmarkt, ein Drei-Michelin-Stern-Lokal? Der Mann gibt Tipps für die Rückfahrtbestellung: „Sagen Sie nicht die Hausnummer, sagen Sie ,neben Metro, gegenüber von Aldi‘. Und vielleicht warte ich sicherheitshalber noch kurz, ob auch wirklich jemand öffnet“, fügt er grinsend hinzu. Selten ist man so froh, das goldfarbene „Relais & Châteaux“-Schild zu sehen, wie hier. Fluchen hält offensichtlich nicht von der Mitgliedschaft ab.

Anlass zur Veränderung. Juan Amador ist im August 2011 mit seinem Küchenteam ins Industriegebiet von Mannheim übersiedelt, kocht nun in einer kompakten Küche in einer ehemaligen Fabrikhalle. Sein voriger Arbeitsplatz und der jetzige könnten unterschiedlicher nicht sein: Ein Fachwerkhaus im beschaulichen Ort Langen hat er gegen viel Raum und Purismus sowie die Nachbarschaft einer beachtlichen Anselm-Kiefer-Sammlung eingetauscht (und einen Pool fürs Team, genützt wird der im Sommer meist erst nach Mitternacht). „Der Umzug hat Anlass zur Veränderung der Küchenlinie gegeben. In Langen war das Ambiente traditionell, dort haben wir sehr modern gekocht. Hier können wir uns erlauben, klassischer zu arbeiten. Und komplexer.“ Amador, von dem ein Kochkollege sagt, dass er als deutsches Aushängeschild der Molekularküche bei deren Niedergang „gelitten hat wie ein Hund“, scheint froh über diese Möglichkeit der Neupositionierung. „Weniger ist mehr. Heute sind wir mehr Sein als Schein, wir sind ruhiger geworden, klarer.“ Mit der Stimme eines tiefergelegten Meister Eder fügt er hinzu: „Ich werde alt.“ Ein dunkles Grinsen.

Die Molekularküche will Juan Amador früher aus gutem Grund so forciert haben: „Wir hatten kein Schloss, wir hatten keinen Sponsor, wir mussten uns abheben. Also machten wir was Neues.“ Heute ist in seiner Küche von Schäumchenschlagen nicht mehr viel zu spüren, nur bei wenigen Dingen wie Geliertechniken folgt er alten Pfaden. Dafür findet man hochkonzentrierte Aromen und oft monochromatische Gerichte, etwa das magentafarbene Dessert „Another Brick in the Wall“. Seine Gerichte sind meist in der Tellermitte zentriert, anders als bei zurzeit vielen Kollegen keine Aufreihung entlang des Tellerrands mit leerer Mitte, „Teller wie vom Floristen, und irgendwo am Ende versteckt sich dann ein Stück Fleisch“. An der Klarheit kann man aber nie genug arbeiten, meint er. „Nehmen wir meine Taube. Die kann man nicht verbessern, nur noch mehr konzentrieren beim Anrichten.“ Anhand der Taube erklärt Amador auch, von welchen Entwicklungen in der Spitzenküche er nichts hält: „Eine Taube in sieben Gängen? Da wird doch die Taube denaturiert. Da vergessen Köche dann das Gericht vor lauter Zeigen, was sie können.“ Ein komplexes Gericht, das idealerweise durch eine Soße zusammengehalten wird, sei doch besser, als alles auf hundert Gänge aufzuteilen. „Das ist nur anstrengend für den Gast.“ Das Wichtigste bei ihm sei die Soße, „die ist die Seele jedes Tellers, das A & O. Und das ist gut so“. Da brauche man dann auch nicht 25 Handgriffe beim Anrichten. „Cook it raw als Trend – klar, wenn der Teller vor lauter Anrichten kalt wird.“ Eine etwas kurz gegriffene Polemik, aber Amador kann diese Strömung offensichtlich wirklich nicht ausstehen. „Eine lebendige Garnele auf Crushed Ice zu servieren ist doch kein Kochen. Ich beiß ja auch nicht einer Forelle den Kopf ab.“

Neoklassik. Gegen Noma & Co. scheint Juan Amador generell allergisch zu sein, er positioniert sich deutlich am anderen Ende der Kochskala: „Wenn das Noma Avantgarde ist, wollen wir keine sein. Wir machen gern Neoklassik.“ Kurz vor der Veröffentlichung der Liste der 50 besten Restaurants der Welt im Frühling 2012 sagte er in Richtung René Redzepi: „Wenn ich nur zwei Michelin-Sterne hätte, würde ich den San-Pellegrino-Sieg gar nicht annehmen.“ Der Noma-Küchenchef nahm diesen wenig später erneut an, Dreisterner Amador war nicht unter den gelisteten Köchen.

Die Taube mit Purple Curry, Kokos und Mango.
Die Taube mit Purple Curry, Kokos und Mango. (c) Beigestellt


Juan Amador, der große Grantler? Mag sein. Dafür traut er sich Dinge zu sagen, die sich andere Köche nur denken, wie „Die größten Parasiten sind Foodblogger“. Schließlich gibt es ja Journalisten, die beides sind, es ist vielen Kochkollegen also zu heikel, sich dazu zu äußern. Amador gibt auch gern zu, dass er den Regionalismus nicht für der Weisheit letzten Schluss hält. „Süßwasserfisch kann Salzwasserfisch doch nie ersetzen. Und bitte: An sich sollen wir keine Zuchtfische essen, aber bei Süßwasser plötzlich schon? Die Leute wollen außerdem Meeresfisch. Ist doch großartig, wenn ich auf der ganzen Welt alles kaufen kann!“

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