Der ehemalige Butler von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, stellte sich am Dienstag im Prozess um den Diebstahl päpstlicher Dokumente anders als früher als reiner Einzeltäter dar.
In dem spartanisch eingerichteten Gerichtssaal des Vatikanstaates in Rom hat der Strafprozess um die geklauten und später in Buchform veröffentlichten päpstlichen Dokumente am Dienstag seinen Höhepunkt erreicht.
Am zweiten Verhandlungstag sagten die beiden Hauptpersonen des Prozesses aus: der Beschuldigte Paolo Gabriele (46), Vater dreier Kinder, suspendierter, im Hausarrest befindlicher Kammerdiener Seiner Heiligkeit des Papstes, sowie – als Hauptzeuge – Georg Gänswein (56), Priester, Privatsekretär des Papstes und erfolgreicher Hobbydetektiv: Der Geistliche aus Baden-Württemberg hatte als Erster Verdacht gegen den italienischen Butler des bayerischen Kirchenoberhaupts geschöpft. Und während Gabriele dreimal ehrerbietig aufstand, als Gänswein den Gerichtssaal betrat und ihn wieder verließ, wurde er selbst von dem Monsignore nur eines einzigen, ernsten Blickes gewürdigt.
„Keine 20 diebischen Raben“
Der in der Sache vollauf geständige Gabriele blieb an diesem Tag auch sonst allein – oder er stellte es jedenfalls so dar. Anders als bei den Verhören zuvor und anders, als es der Autor des Skandalbuchs, Gianluigi Nuzzi, schreibt, bestritt Gabriele vor Gericht, dass es gleich „zwanzig diebische Raben“ gegeben habe. Vielmehr habe er „absolut keine Komplizen“ gehabt, sagt er jetzt. Die vertraulichen Dokumente Benedikts XVI. habe er „zunächst ohne bestimmte Absicht“ entwendet und fotokopiert – einfach nur, weil er von wirtschaftlich-personellen Missständen im Vatikan gehört habe, weil er sich „aus erster Hand darüber“ habe informieren wollen – und „weil die Situation weithin unerträglich geworden war, nicht nur für mich, auch für andere“.
Alte Seilschaften im Kirchenzentrum
Demnach habe er mit seinen Aktionen 2010/11 begonnen, als der Vizegouverneur der Vatikanstadt, Erzbischof Carlo Maria Viganò, den Papst über diverse teure, tendenziell betrügerische Machenschaften in der Verwaltung informiert habe und darüber, dass ihn „alte Seilschaften“ bei seinen Ermittlungen blockiert hätten. Der unbequeme Viganò wurde darauf an die Nuntiatur in Washington weggelobt. Seine Anklagen gelangten in die Presse, worauf der „VatiLeaks“ genannte Skandal seinen Anfang nahm.
Die Spekulationen, Gabriele sei aus dem persönlichen Umfeld Benedikts zu seinen Aktionen angestiftet worden, womöglich aus Eifersucht und Intrige, kursieren trotz aller Dementis weiter. Vor Gericht bestätigte Gabriele am Dienstag zwar, als Vertrauensperson Benedikts XVI., als „der Laie, der dem Papst am nächsten stand“, habe er viele „Kontakte, Gespräche und Hilfsersuchen“ gehabt; niemand aber habe ihn zu etwas angestiftet. Er konnte es sich offenbar leisten, den Kopierer im Büro der zwei päpstlichen Privatsekretäre auch tagsüber nach Belieben zu nutzen. Gänswein sagte, jahrelang habe Benedikts Butler zu keinerlei Verdacht Anlass gegeben. Er selbst, der sich den drei Richtern als „genaue, ja sehr genaue Person“ vorstellte, habe auch nie den Verlust von Originalpapieren bemerkt – obwohl solche bei der Durchsuchung von Gabrieles Wohnung durchaus gefunden worden waren.
Begnadigt der Papst?
Heute, Mittwoch, geht der Prozess weiter; schon am Samstag soll nach Schätzungen des vorsitzenden Richters, Giuseppe Dalla Torre, das Urteil verkündet werden. Bis zu vier Jahre Haft erwarten Gabriele. Im Vatikan aber rechnet man damit, dass der Heilige Vater seinen gefallenen Kammerdiener anschließend begnadigen wird.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2012)