Der nun angeklagte ehemalige Kammerdiener des Papstes soll bereits vor sechs Jahren damit begonnen haben, Schriftstücke zu sammeln.
Der wegen Diebstahls vor Gericht stehende ehemalige päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele mehr als tausend Dokumente des Kirchenoberhauptes gehortet. In der Wohnung des Butlers wurden auch einige streng geheime Unterlagen entdeckt, die der Papst selbst zur Vernichtung gekennzeichnet hatte. Das berichtete Stefano De Santis, einer der vier Gendarmen, die am Tag der Festnahme Gabrieles im Mai die Wohnung des Kammerdieners durchsucht hatten.
Die Kopien und Originale hätten 82 Kisten gefüllt, sagten Beamte der Vatikan-Polizei am Mittwoch im Verfahren um die sogenannte "Vatileaks"-Affäre aus. Die Gendarmen gehen davon aus, dass Gabriele schon kurz nach Aufnahme seiner Tätigkeit als päpstlicher Kammerdiener 2006 begonnen habe, Dossiers aus der Wohnung des Papstes zu entwenden, schrieb die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" am Donnerstag. Vor Gericht hatte Paolo Gabriele behauptet, dass er 2010 mit der Entwendung der vertraulicher Dokumente begonnen hatte.
Dokumente zu "absoluter Intimsphäre"
Gabrieles Archiv sei beeindruckend, berichteten die Gendarmen. Aus den Dokumenten geht hervor, dass sich der Butler für Geheimdienste, Freimaurerlogen, Esoterik, sowie für die Skandale rund um die Vatikanbank IOR und um Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi interessierte. Nachtsüber surfte er im Internet und druckte sich alle möglichen Texte über Buddhismus, Yoga und Christentum aus.
Kodierte Schreiben, wie sie innerhalb der vatikanischen Diplomatie ausgetauscht werden, wurden demnach ebenfalls gefunden. Dutzende Dokumente hätten "die absolute Intimsphäre und das Familienleben des Heiligen Vaters" betroffen, sagte ein Polizist. Neben den Dokumenten beschlagnahmte die Polizei auch Festplatten, Speicherkarten, Laptops und ein iPad. Diese würden noch immer untersucht.
Urteil am Samstag
Gabriele wird in dem Prozess schwerer Diebstahl vorgeworfen. Er soll über Monate hinweg vertrauliche Dokumente kopiert und dem italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi zugespielt zu haben. Die Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung, die jeweiligen Erwiderungen darauf und ein Schlusswort des Angeklagten sind für Samstag vorgesehen. Noch am Samstag sollen sich die drei Richter zurückziehen und später das Urteil verkünden.
Dem Ex-Kammerdiener drohen bis zu vier Jahre Haft. Allerdings rechnen Beobachter damit, er könne begnadigt werden. Gabriele gibt zwar zu, vertrauliche Dokumente gestohlen zu haben, hält sich aber nicht für schuldig. Nach eigener Darstellung glaubte er, der Papst werde im Vatikan manipuliert, da er nicht gut über Vorgänge in der Kirche informiert gewesen sei. Bereits während der Ermittlungen hatte der verheiratete Vater dreier Kinder gesagt, er habe "das Böse und Korruption" im Vatikan bekämpfen wollen.
(APA)