Wien: Fußgängerbeauftragte tritt im November Dienst an

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Die grüne Aktivistin Petra Jens soll neue Fußgängerbeauftragte in Wien werden und Mitte November ihren Dienst antreten. Wie Verkehrsexperte Gerd Sammer erklärt, wartet in diesem Bereich viel Arbeit.

Wien. Die neueste Postenbesetzung von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou war ein Gesprächsthema am Rande der grünen Landesversammlung, die am Sonntag über die Bühne ging. Konkret geht es um den Posten eines Beauftragten, der die Situation für Fußgänger in Wien verbessern soll. Wie „Die Presse“ aus grünen Kreisen auf der Landesversammlung erfahren hat, ist die Entscheidung gefallen: Die grüne Aktivistin Petra Jens soll diesen Job übernehmen und Mitte November ihren Dienst antreten.

Jens ist für die Wiener keine Unbekannte, obwohl sie sich „nur“ in der Bezirksgruppe Brigittenau engagiert. Für wienweites Aufsehen sorgte sie 2006, als sie ihre Kampagne „Eltern gegen Hundekot“ startete. Rund 150.000 Unterschriften sammelten Jens und ihre Mitstreiter damals – mit Erfolg. Es kam zu einem persönlichen Treffen mit Bürgermeister Michael Häupl und Umweltstadträtin Ulli Sima. In der Folge wurde die groß angelegte Kampagne „Nimm ein Sackerl für dein Gackerl“ entwickelt. Auch wurde in der Folge eine „Aktion scharf“ gegen rücksichtslose Hundebesitzer gestartet, die ihre Vierbeiner ohne Leine und Beißkorb herumlaufen lassen – was in nicht wenigen Teilen der Stadt noch heute ein Problem ist.

Jens will ihre Bestellung nicht kommentieren: „In dieser Phase kann ich offiziell nichts sagen“, meint sie zur „Presse“. Dafür erklärt Gerd Sammer, Leiter des Institutes für Verkehrswesen, auf der Universität für Bodenkultur, welche Aufgaben auf eine neue Fußgängerbeauftragte warten.

•Bewusstsein schaffen. „Die Fußgänger sind die Letzten, die bei der Verkehrsplanung berücksichtigt werden“, meint Sammer. Denn sie hätten keine Lobby, obwohl sie die verletzlichsten Verkehrsteilnehmer sind, so Sammer. Deshalb sei es die Aufgabe, Bewusstsein für die Bedürfnisse der Fußgänger zu schaffen: „Ein Viertel der Wege in Wien wird zu Fuß zurückgelegt.“ Trotzdem werde auf die Bedürfnisse der Fußgänger nicht eingegangen – das betreffe auch Menschen mit Behinderungen, die zu Fuß unterwegs sind. Als Beispiel nennt Sammer Ampelschaltungen mit zu kurzer Grünphase und verkehrsreiche Straßen, die für Fußgänger nur mit einem enormen Umweg zu queren sind. Sammer: „Die meisten vergessen: Jeder Autofahrer und jeder Benutzer der öffentlichen Verkehrsmittel ist auch Fußgänger – mindestens auf dem Weg von zu Hause zum Auto oder der U-Bahn-Station.“

•Das unbekannte Wesen. Über Autofahrer, Radfahrer und die Benützer öffentlicher Verkehrsmittel gebe es zahlreiche Daten, um deren Bedürfnisse zu erkunden. Nicht aber bei Fußgängern, so Sammer. Beispielsweise hätten Forschungen ergeben, dass Radfahren pro Kilometer 80 Cent Nutzen bringt – durch verringerte Gesundheitskosten wegen der sportlichen Betätigung und der Schonung der Umwelt. Bei Fußgängern würden derartige Daten fehlen.

•Anwalt sein. Gerade für die schwächsten Verkehrsteilnehmer, die Kinder, müsste die neue Fußgängerbeauftragte als Anwalt auftreten. Denn: „Viele Kinder werden von ihren Eltern mit dem Auto zur Schule gefahren, weil ihnen der Schulweg zu gefährlich ist“, erklärt Sammer. Hier müsste Lobbying für die Schulwegsicherheit betrieben werden, was in der Folge auch der Umwelt zugutekäme.

•Kooperation mit Stadtplanern. „Wir wissen aus Untersuchungen, dass viele ältere Menschen ihr Grätzel nicht verlassen, weil sie eine Hauptverkehrsstraße queren müssen, die kaum zu queren ist“, so Sammer. Die neue Fußgängerbeauftragte müsste sich mit Stadtplanern zusammensetzen, damit auch in deren Ausbildung der Fußgängeraspekt stärker berücksichtigt werde. Beispielsweise, wie es am besten möglich ist, dass querende Kinder am Gehsteig einen freien Blick auf näherkommende Autos haben bzw. Autofahrer Kinder am Straßenrand besser sehen. Auch sollen die Planer künftig Fußgängerachsen berücksichtigen. Also längere Strecken für den Fußgängerverkehr adaptieren.

Auf einen Blick

Wien sucht einen Fußgängerbeauftragten. Auf diesen wartet laut Experten eine Mammutaufgabe. Denn Fußgänger wurden von der Stadt in der Vergangenheit im besten Fall ignoriert. Nun soll sich die Situation verbessern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2012)

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