Spindelegger: Austreibung "ideologischer Spinnerei"

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ÖVP-Obmann Spindeleggers Lehrstunde in konservativem Wirtschaften. Von den Gefahren der Reichensteuern bis zu Liebesschwüren für seine stürmische Finanzministerin Fekter.

Wien. Der Schlot ragt als eine Art Mahnmal in den nebeligen Himmel. Im Backsteinbau daneben wurden einst Teile für Lokomotiven produziert, jetzt dient er als moderne Event-Location. „Zukunft aus Tradition“ lautet der ÖVP-Slogan. In einer früheren Fabrikshalle in Wien-Donaustadt ist ÖVP-Chef Michael Spindelegger eine (Lehr-)Stunde lang in einer Grundsatzrede über „Wirtschaft, Wohlstand, Werte“ bemüht, Wege aus der Krise und mit zehn „Impulsen“ Hilfe für Unternehmen aufzuzeigen. Das parteipolitische Hauptziel: die ÖVP als „einzige Wirtschaftspartei“ darzustellen.

700 Gäste haben sich laut ÖVP angemeldet: Manager, Wirtschaftskräfte, Ökonomen. Spindelegger kann seinen Vorgänger Josef Pröll begrüßen. In der Inszenierung ist zuerst Star-Geigerin Celine Roschek dran. Eine reichlich kindliche Videoeinspielung zeigt das Aufblühen eines Apfelbaumes als Sinnbild für Wachstum. Moderatorin Cathy Zimmermann spult zum Aufwärmen Talkrunden ab. Da erklärt dann ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch, was „konservatives Wirtschaften“ ohne Schuldenmachen bedeutet.

„Fördern statt faseln“

Da darf auch Johanna Mikl-Leitner, die noch vor einem Jahr beim Amtsantritt als ÖAAB-Chefin „Her mit dem Zaster!“ gefordert hat, das Bild der ÖVP-Arbeitnehmer als „linker Flügel“ zurechtrücken: Für die Linken seien Unternehmen Feindbilder, für den ÖAAB seien sie Partner. Nach einer Stunde beginnt sich Unruhe breitzumachen.

„Fördern statt faseln“, „Machen statt motzen“ ist auf Transparenten zu lesen. Als der ÖVP-Obmann an der Reihe ist, „motzt“ dieser selbst in der ersten halben Stunde über den – ungenannten – Koalitionspartner SPÖ, der über „die bösen Kapitalisten“ herziehe und Reichensteuern fordere. Vertrauen und Verlässlichkeit – jene Werte, mit denen der ÖVP-Obmann schon seit seinem Amtsantritt im Frühjahr 2011 zu reüssieren versucht, beschwört er. „Das gehört gestärkt und nicht eine ideologische Spinnerei.“ In dieser Rolle des schwarzen Exorzisten erntet Spindelegger den meisten Applaus. Da warnt er davor, es sei falsch, den Reichen etwas wegzunehmen: „Die Folge ist, Unternehmer sind weg, die Arbeitslosen bleiben. Das ist kein Konzept für Österreich.“

Direkte und indirekte Seitenhiebe auf Frank Stronach und die FPÖ folgen. Wenn „die Straches dieser Zeit“ raus aus dem Euro wollten, „ist das der Tod der Exportnation Österreich“. Die zweite Hälfte der Rede ist tatsächlich den zehn ÖVP-„Impulsen“ für die Wirtschaft gewidmet. Von der Vereinfachung der Gewerbeordnung über Startkapital für Jungunternehmer bis zu weniger Bürokratie. („Vor lauter Beauftragten kann man gar nicht mehr wirtschaften.“) Es ist eine Art Best-of: Alles schon von der ÖVP gehört, aber bestenfalls zum Teil umgesetzt. Weitere Privatisierungen („auch Teile der ÖBB“) und deren Erlöse für Forschung („Das ist eine Vergoldung, nicht ein Verscherbeln von Familiensilber.“) dürfen nicht fehlen. Alles, was das Herz eines Wirtschaftsliberalen höher schlagen lässt, wird beschworen: „Ich bin für Eigeninitiative, gegen Gleichmacherei.“

Sogar eine Liebeserklärung an die „quirlige“ Finanzministerin Maria Fekter, die für die Spindelegger-Rede ihren Termin im Budgetauschuss verschieben hat lassen und auffallend viel Applaus erhält, geht sich noch aus: „Du, liebe Maria, hast ein unglaubliches Gemüt, eine unglaublich stürmische Art, ich liebe das.“ Und: „Da passt kein Löschblatt zwischen uns.“

(K)eine Wahlkampfrede

Ob das eine Wahlkampfrede sei, hat Spindelegger selbst rhetorisch gefragt: „Nein, ist es nicht!“ Dass er zum Ende donnert, wenn die ÖVP wieder Nummer eins sei, gewinne ganz Österreich, besagt freilich anderes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2012)

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