Berlusconi will trotz Haftstrafe zurück in die Politik

'Nach ihm die Sintflut': Das Ende der Aera Berlusconi
'Nach ihm die Sintflut': Das Ende der Aera Berlusconidapd
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Er sieht die Verurteilung wegen Steuerbetrugs als Justizfehler und sich als Opfer eines Komplotts unter deutscher Führung. Als Spitzenkandidat will er aber nicht mehr antreten.

Nach seiner Verurteilung zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen Steuerbetrugs hat Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi angekündigt, weiterhin in der Politik zu bleiben. "Dieses Urteil wird Folgen haben. Ich fühle mich verpflichtet, weiterhin in der Politik zu bleiben, um die Justiz zu reformieren, damit anderen Bürgern nicht das geschieht, was ich erlebt habe", sagte Berlusconi im Interview mit seinem TV-Sender "Canale 5" am Samstag. In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz wurde der 76-Jährige konkreter. Er werde nicht als Spitzenkandidat ins Rennen gehen, sich jedoch weiterhin für einen Wahlsieg des "gemäßigten Lagers" in Italien einsetzen.

Berlusconi ortet europäisches Komplott

Bei der Pressekonferenz bezeichnete sich Berlusconi als Opfer eines europäischen Komplotts unter deutscher Führung, mit dem er im November 2011 aus dem Premieramt gedrängt worden sei. Der Medienzar warf Deutschland in der Euro-Krise egoistisches Verhalten vor. Als Premier habe er sich gegen die Finanztransaktionssteuer und gegen den Fiskalpakt eingesetzt. "Deutschland hat die EU-Regierungschefs zu Beschlüssen getrieben, mit denen ich nicht einverstanden war", behauptete er.

Berlusconi drängte zu Verfassungsreformen, die die Kompetenzen des Premiers in Italien stärken könnten. Ohne tiefgreifende Reformen könne Italien nicht erneuert werden. Insbesondere die Justiz hat Berlusconi im Visier. "Italien ist keine Demokratie mehr, sondern eine Diktatur der Staatsanwälte. Das können wir nicht mehr ertragen", sagte er bei der Pressekonferenz.

Den Mailänder Richtern hat Berlusconi schwere Voreingenommenheit vorgeworfen. Es sei "unglaublich und lächerlich", dass man ihm Steuerhinterziehung in Höhe von 4,9 Millionen Euro im Jahr 2002 vorwerfe. "Dabei hat meine TV-Gruppe den Staatskassen allein in diesem Jahr 156 Millionen Euro an Steuern gezahlt", betonte Berlusconi, der sich als "unbescholtener Vater von fünf Kindern und Großvater von sechs Enkelkindern" bezeichnete.

Reaktion: Nur noch zum Lachen?

Berlusconis Comeback-Pläne lösten unterschiedliche Reaktionen aus. "Wir sind alle begeistert, wenn Berlusconi in die Politik zurückkehrt", sagt die Südtiroler Parlamentarierin von Berlusconis Partei "Volk der Freiheit", Michaela Biancofiore. "Ein Lachen ist die beste Antwort auf Berlusconis Worte", sagte der Präsident der Abgeordnete Gianfranco Fini, langjähriger Vertrauter des Medienzaren. Fini hatte sich vor zwei Jahren von Berlusconi politisch getrennt.

Auswandern als Alternative

Schon vorher hatte Berlusconi empört und verbittert auf die Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs reagiert. In einer Stellungnahme nach der Urteilsverkündung sprach der Medienunternehmer von einem "politischen" Urteil. Dieses sei "unglaublich und unzumutbar". Die Anklage sei "fernab jeder Realität", erklärte der TV-Macher. Er und seine Verteidiger seien sicher gewesen, dass es einen Freispruch geben werde, sagte Berlusconi und griff die verantwortlichen Richter scharf an. Er habe Lust, alles liegen und stehen zu lassen und auszuwandern, berichtete die römische Tageszeitung "Il Messaggero".

Beobachter sehen einen direkten Zusammenhang zwischen der ursprünglichen Ankündigung Berlusconis, auf die Kandidatur für das Premieramt bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr zu verzichten, und dem Ende des Verfahrens wegen Steuerhinterziehung. Berlusconi habe den Richtern ein Signal geben wollen, dass er sich aus der politischen Arena zurückziehen werde, spekulieren politische Beobachter in Rom. Er habe somit auf einen Freispruch gehofft, seine Hoffnungen wurden aber enttäuscht. Berlusconi fürchte auch den sogenannten Ruby-Prozess, heißt es, bei dem ihm wegen Amtsmissbrauch und Sex mit einer minderjährigen Marokkanerin bis zu 15 Jahren Haft drohen.

Urlaub mit Formel-1-Manager in Kenia

Kein Wunder, dass Berlusconi an Flucht denkt. Er plane einen Rückzug auf Malindi in Kenia im Urlaubsressort seines Freundes, dem Ex-Formel 1-Manager Flavio Briatore, berichtete die Tageszeitung "Corriere della Sera". Hier hatte Berlusconi bereits im September seinen Urlaub verbracht. Dabei hatte er sich einer strengen Diät und einem Trainingsprogramm unterzogen und nur wenige Personen getroffen, berichteten italienische Medien. Vertrauensleute des Politikers sprachen von einem tief deprimierten Berlusconi.

Die Verurteilung des Mailänder Großunternehmers, der Italiens politische Szene in den letzten 20 Jahren stark geprägt hat, stürzt das Mitte-rechts-Lager in die Ratlosigkeit. Die von Berlusconi gegründete Partei "Volk der Freiheit" war noch mit der Verkraftung des offiziellen Verzichts des 76-Jährigen beschäftigt, zum sechsten Mal als Premierkandidat anzutreten, als aus Mailand die Nachricht der Verurteilung eintraf. "Silvio muss seinen Beschluss überdenken und doch wieder in die politische Arena einsteigen. Er muss kandidieren, um sich vor diesen Richtern zu verteidigen, die ihn tot sehen wollen", betonte Berlusconis Vertraute Daniela Santanché.

Verjährung droht

Ob Berlusconi jetzt doch noch seine Kandidatur für das Premieramt einreichen wird, um sich der Justiz zu entziehen, ist fraglich. Vorerst braucht er jedenfalls das Gefängnis nicht zu fürchten. Das Urteil im Mailänder Prozess wegen Steuerbetrugs wird erst nach der dritten Instanz rechtskräftig. Dem Ex-Regierungschef stehen noch zwei Berufungsebenen zur Verfügung, eine Haftstrafe müsste er erst nach einem endgültigen Schuldspruch antreten. Sehr wahrscheinlich ist, dass das 2006 begonnene Verfahren schon im nächsten Jahr wegen Verjährung eingestellt wird. Berlusconis Rechtsanwälte wollen bis zum 10. November gegen die Verurteilung ihres Mandanten Einspruch einreichen.

In dieser schwierigen Situation beschloss die Berlusconi-Partei am Freitag, dass am 16. Dezember die Vorwahlen stattfinden, bei denen der Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr bestimmt werden soll. Mehrere Schwergewichte des Mitte-rechts-Lagers wollen sich in den Wahlkampf stürzen. Am Freitag bestätigte die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini, dass sie sich an der Urwahl beteiligen wolle. Auch der Ex-Gouverneur der Region Veneto, Giancarlo Galan, und PdL-Chef Angelino Alfano gehen ins Rennen.

(APA)

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