Neues Tierversuchsgesetz erfüllt "gerade Minimum"

Martin Balluch kann dem neuen Tierversuchsgesetz nur wenig Positives abgewinnen.
Martin Balluch kann dem neuen Tierversuchsgesetz nur wenig Positives abgewinnen.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Der Verein gegen Tierfabriken kritisiert zu lasche Veröffentlichungspflichten und fehlende Tierversuchskommissionen.

Mit der Regierungsvorlage eines neuen Tierversuchsgesetzes wird nach Ansicht des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) in weiten Teilen "gerade das Minimum" einer entsprechenden EU-Richtlinie umgesetzt. So könne über Tierversuche etwa künftig von einzelnen Beamten entschieden werden, statt von eigenen Kommissionen, kritisierte VGT-Obmann Martin Balluch bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien.

Auch die "mangelhafte Veröffentlichungspflicht" von Tierversuchen sowie der "Gummiparagraf" über Versuche, die schweres Leid verursachen und lange andauern, stehen in der Kritik der Tierschützer. Positiv bewertet Balluch dagegen die Einführung eines Kriterienkatalogs zur ethischen Abwägung zwischen Schaden und Nutzen jedes Versuchsantrags.

Selbst hier gebe es aber einen "Wermutstopfen", so Balluch: Der entsprechende Katalog müsse erst bis Ende 2015 vorliegen. Einen "Fortschritt" stellt für Balluch auch die Aufwertung der Tierschutz-Ombudsleute der Länder dar, die künftig über Kontrollen von Labors, Züchtern und Lieferanten informiert werden müssen. Dabei komme ihnen aber keine Parteienstellung zu, außerdem würden sie nicht über die Genehmigung von Versuchsanträgen bzw. deren Ergebnisse informiert.

Einzelpersonen entscheiden

"Am schockierendsten" fand der vom VGT eingeladene australische Tierethiker Andrew Knight an der Regierungsvorlage die fehlende Einbindung von Kommissionen bei der Genehmigung von Versuchsanträgen. Solche gebe es praktisch in allen Ländern der westlichen Welt. In Österreich sei dagegen die Genehmigung durch einzelne Beamte vorgesehen, die "auf Fachwissen zurückzugreifen haben", zitierte Balluch die Regierungsvorlage. Sogar das Gesundheitsministerium habe in seiner Stellungnahme die Schaffung eines unabhängigen Gremiums dafür vorgeschlagen.

Außerdem schreibe die Regierungsvorlage nur eine mangelhafte Veröffentlichung von Tierversuchen vor, meinte Balluch: So sei es etwa verboten, den Leidensgrad der Tiere bei einem Versuch zu veröffentlichen. Der VGT wünscht sich auch, dass einzelne Versuchsabläufe publik gemacht werden müssen. In bestimmten Fällen problematisch ist für Balluch außerdem die Erlaubnis von Tierversuchen, die schweres Leid verursachen, das lange anhält und nicht gelindert werden kann: Diese seien nämlich erlaubt, wenn dies "aus wissenschaftlich berechtigten Gründen erforderlich" ist - für den VGT ein "Gummiparagraf". Die EU-Richtlinie hätte es explizit ermöglicht, derartige Versuche ausnahmslos zu verbieten.

Wissenschaftlicher Nutzen in Frage gestellt

Knight zweifelt die wissenschaftliche Nützlichkeit von Tierversuchen prinzipiell an. In einer Metastudie untersuchte er viel zitierte Studien in den sieben Top-Journals in diesem Bereich. Ergebnis: Nur rund 37 Prozent der Tierversuchsstudien konnten in randomisierten Studien mit Menschen wiederholt werden. Knapp 20 Prozent kamen zu entgegengesetzten Ergebnissen, rund 45 Prozent führten zu gar keinen klinischen Studien. Am Ende führten nur rund zehn Prozent der Tierversuchsstudien zu Ergebnissen, die für die Patientenbehandlung zugelassen wurden. Und auch hier sei der Nutzen zweifelhaft: Immerhin seien Nebenwirkungen bei zugelassenen Behandlungen nicht ungewöhnlich und bildeten in US-Spitälern eine der häufigsten Todesursachen.

Die entsprechende Regierungsvorlage soll am 6. Dezember im Nationalrat beschlossen werden.

(APA)

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