Goma: Eine Stadt in Angst vor Armee und Rebellen

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Nach der Einnahme der Provinzstadt Goma in der Demokratischen Republik Kongo verlangen die Rebellen der kongolesischen M23-Miliz die Freilassung politischer Häftlinge. Doch Premier Joseph Kabila winkt ab.

Der bergige Osten der Demokratischen Republik Kongo ruht zugedeckt von üppigem Grün, als das laute Hupen eines Militärkonvois die Stille des Abends zerreißt. Am Horizont tauchen Scheinwerfer auf. Zwei Lastwagen mit bewaffneten Soldaten rasen mit röhrenden Motoren vorbei, gefolgt von zwei protzigen Geländewagen und einem weiteren Lastwagen.

Der „Präsident“ kommt: Jean-Marie Runiga, der Anführer der kongolesischen M23-Rebellen, ist mit seinen Truppen auf holprigen Schotterstraßen von Bunagana an der Grenze zu Uganda unterwegs nach Goma.

Die M23 sind eine Gruppe von Tutsi-Rebellen. Sie wurden vor dreieinhalb Jahren in die kongolesische Armee eingegliedert, spalteten sich jedoch am 23. März (deshalb M23) dieses Jahres wieder ab. Seit vergangener Woche besetzt die M23-Miliz Goma, eine Schlüsselstadt im Osten des Landes.

Massenflucht aus Goma

Dem Einmarsch in Goma gingen heftige Feuergefechte zwischen den Rebellen und der kongolesischen Armee voraus. Seit Beginn des bewaffneten Konflikts im April wurden rund eine halbe Million Menschen aus dem Gebiet vertrieben.

Die Geschäfte in Goma sind offen, überladene Minibusse rumpeln über die mit Schlaglöchern übersäten Straßen, aus den Kirchen hallten am Sonntagmorgen Gesänge. Doch dieser Frieden trügt: Uniformierte M23-Kämpfer zeigen starke Präsenz. Ein Panzer der kongolesischen Armee blieb fast eine Woche lang mitten auf der Hauptstraße liegen.

Die Panzer und Militärfahrzeuge der Friedensmission der Vereinten Nationen (Monuscu), die 1999 ihr Mandat antrat, haben seit dem Wochenende Posten entlang der Hauptstraße aufgestellt und patrouillieren verstärkt in den Abendstunden. Geländewagen mit Logos und Fahnen von internationalen Hilfsorganisationen gehören zum Stadtbild. Überall sieht man verlassene Stellungen der Kriegsparteien, in denen unzählige Patronenhülsen liegen.

Gescheiterte Gespräche

Am Dienstag waren zunächst Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des Konflikts aufgekeimt. Doch dann zerschlugen sich diese Hoffnungen wieder. M23-Anführer Runiga verkündete im voll besetzen Prunksaal des Ihusi-Hotels in Goma der dort versammelten internationalen Presse seine Forderungen für einen Rückzug seiner Kämpfer aus der Stadt: Der kongolesische Präsident Joseph Kabila müsse sich zu Verhandlungen bereit erklären, politische Häftlinge freilassen und die Wahlkommission auflösen.

Die Stellungnahme der kongolesischen Regierung kam prompt. Die Forderungen seien eine „Farce“, sagte Regierungssprecher Lambert Mende zur Nachrichtenagentur Reuters in Kinshasa. „Wenn sie nun jeden Tag mit neuen Forderungen kommen, dann wird das Ganze lächerlich“, schimpfte der Regierungssprecher.

Ein Schuss durchschlug Hauswand

Die Bevölkerung in Goma ist gespalten. „Ich will nicht, dass M23 bleibt“, sagt Riziki Wimana, die neben ihrer fünf Monate alten Tochter Joyce auf einem Krankenbett sitzt. Sie habe Joyce am Montag gebadet und dann ins Haus gebracht, um sie anzukleiden, als plötzlich Schüsse fielen und Explosionen zu hören waren. Ein Schuss durchschlug die hölzerne Hauswand und bohrte sich in die rechte Schulter ihrer Tochter. Zwei Kliniken hätten sie abgelehnt, bevor sie ins Virunga-Krankenhaus kam, wo der Durchschuss behandelt werden konnte.

„Die Soldaten plündern“

Andere, wie etwa Mwembamba Emmanuel, stellen sich hinter die Rebellen. „Die Regierungstruppen sind zu nichts gut“, sagt er aufgebracht, einen Plastiksack mit Getreide auf dem Kopf balancierend. Er kommt von Minova, etwa 27 Kilometer westlich von Goma, wohin die Regierungstruppen zurückgedrängt wurden.

Kongolesische Regierungssoldaten hätten ihm sein Telefon abgenommen und sein monatliches Lehrergehalt von 5000 Kongo-Francs (rund acht Euro), das er dort abgeholt hatte, erzählt er. „Sie sind rüde, schikanieren die Bevölkerung und plündern“, sagt Mwembamba Emmanuel.

Auch Menschenrechtsorganisationen berichten von gewalttätigen Übergriffen durch die Regierungstruppen, von Diebstahl und Vergewaltigungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2012)

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