Lauda "Was Vettel geschafft hat, ist ein Wahnsinn"

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Der dreimalige Weltmeister Niki Lauda sieht den Triple-Weltmeister im Hoch, aber auch Ferrari und Mercedes "schwimmen nicht auf der Nudelsuppe".

Die Presse: Was ist für Sie das Geheimnis des Erfolges von Red Bull in der Formel 1...

Niki Lauda: ...das ist unter einem Aspekt ganz leicht zu subsumieren: Es ist das perfekte Team. Red Bull hat als erste Mannschaft verstanden, dass die entscheidende Kraft in dieser Saison bei den Reifen liegt. Deren Problematik war eng mit der Technik verankert. Das muss man sich so vorstellen: Der Unterschied zwischen optimaler Temperatur und Renntempo beläuft sich auf drei Grad Wärme. Dieser Wärmeunterschied bringt auf der Strecke aber eine halbe Sekunde. Deshalb war Red Bull gegen Ende der Saison überlegen. Alle anderen haben auch den richtigen Anpressdruck nicht zustande gebracht. Red Bull hat als einziges Team nach den Problemen in der Sommerpause richtig reagiert.

Ist es für Automobilhersteller wie Ferrari oder Mercedes nicht ernüchternd, wenn sie einem Energydrink-Konzern drei Jahre lang in Serie unterliegen?

Das ist sehr plakativ, das kann man so nicht sagen. Der Erfolg in der Formel 1 hängt immer an den hellsten Köpfen. An denen, die das Auto bauen, wie Adrian Newey bei Red Bull. Das muss man ehrfürchtig festhalten, deshalb sind sie zum dritten Mal in Serie Ferrari und Alonso um die Ohren gefahren. Es ist nicht nur ein Getränkehersteller, es sind die besten Mechaniker, Techniker und Newey, sie lenken den Wagen immer richtig.

Sie und nicht Sebastian Vettel?

Natürlich auch er, Vettel ist einer der besten Piloten, gar keine Frage. Ich hätte auch nur Fernando Alonso oder Lewis Hamilton auf der Rechnung, die den RB8 zum WM-Sieg hätten fahren können...


Warum nur dieses Fahrertrio?

Jenson Button hat es manchmal drauf, Kimi Räikkönen hat noch zu viele Schwankungen – andere Topfahrer sehe ich nicht. Die Kombination Red Bull und Vettel ist unbestritten die beste.

Sie wurden im September in den Aufsichtsrat des Mercedes-Teams bestellt. Endet damit nicht automatisch das Schwärmen für die Konkurrenz?

Das ändert an meiner Sichtweise gar nichts. Ich betrachte immer alles objektiv, das muss ich auch als Chairman bei Mercedes machen. Es ist unglaublich, welche Spitzenperformance Red Bull an den Tag legt, daran zu rütteln wird verdammt schwer. Natürlich wurde es versucht, Ferrari oder Mercedes schwimmen ja auch nicht auf der Nudelsuppe daher, aber es hat nicht gereicht. Das Bemühen allein reicht nicht.

Was zeichnet Sebastian Vettel als besten Rennfahrer aus?

Alles! Er ist erst 25 Jahre alt und hat dreimal die WM gewonnen. Das ist einzigartig. Ein Wahnsinn.

Könnten Sie diesen „Wahnsinn“ eine Spur konkreter schildern?

Sebastian ist ein Wahnsinniger! Er will immer alle Rekorde brechen, alle. Er will nicht nur gewinnen, er muss auch die schnellste Runde gefahren haben. Das ist mitunter bescheuert – wie etwa beim GP von Indien, als er noch in der letzten Runde enormes Risiko eingegangen ist – nur um auch auf dieser Strecke der Schnellste zu sein. Doch so fährt er eben. Er hat all diese Statistiken sogar griffbereit zu Hause, er studiert sie.

Liegt es nicht in der Natur eines Rennfahrers, immer der Schnellste sein und darüber Bescheid wissen zu müssen?

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, weiß ich nicht einmal mehr, wie viele Grand Prix ich gewonnen habe. Mir waren diese Zahlen immer wurscht.

Wie groß ist die Gefahr, dass Seriensiegern in der Formel 1 der Erfolg über den Kopf hinaus wächst?

Die mag schon groß sein, bei Sebastian Vettel sehe ich diese Gefahr allerdings nicht. Er ist ja quasi mit dem ganzen Wirbel um seine Person aufgewachsen. Er ist ein geerdeter Mensch geblieben, ein vernünftiger Typ, den nichts aus dem Lot bringt und der auf Society oder Facebook nicht viel hält.

Welchen Stellenwert nimmt ein dritter WM-Sieg dann bei einem Fahrer ein?

Jede neue Saison beginnt wieder bei null, ein Titel bringt aber naturgemäß noch größeres Selbstvertrauen mit. Bei Vettel stimmte einfach alles, diese Akribie, der Willen, und es wird genauso weitergehen, weil der Background bei Red Bull der gleiche bleibt. Ein Dreifach-Weltmeister braucht seine Entwicklung einfach nur fortzusetzen, andere müssen ja erst einmal dorthin kommen.

Wie kommt man aber dorthin? Hat Vettel alles in Red Bulls eigener Motorsportschule erlernt?

Na ja, in Wahrheit hat sein Vater das Talent erkannt und gefördert. Er hat die ersten Schritte ermöglicht. Sebastian brachte Leistung, und dann kam Red Bull.

Es geschieht selten, dass ein Deutscher in Österreich so populär ist. Haben Sie für dieses Phänomen eine Erklärung?

Sebastian Vettel ist ein super Typ, er ist sympathisch. Ich bin auch davon überzeugt, dass er bei vielen Österreichern sehr gut ankommt. Es hat aber vielleicht auch mit etwas anderem zu tun – wenn er gewinnt, hören wir auch unsere Hymne. Zuerst kommt die deutsche, dann unsere. Und dann wird es für uns eben emotional.

Emotional wäre für Österreich auch eine Rückkehr in den F-1-Kalender.

Ja, aber das hängt einzig und allein von Didi Mateschitz ab. Er hat Spielberg reaktiviert, ich finde es genial. Er ist ja ein Marketinggenie, das sieht man auch in der breiten, aber gut überlegten Streuung des Sportsponsorings. Heuer hat er sowieso den Jackpot mit Felix Baumgartners Stratos-Sprung und dem dritten Formel-1-Doppel in Serie gewonnen. Das ist unschlagbar! Aber für einen Grand Prix in Österreich reicht es nicht, da geht die Rechnung nicht auf. Ich denke, er fährt mit einem WM-Sieg besser als mit einem sauteuren Rennen in Spielberg, auch wenn es emotional wäre.

Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie heute die Formel 1? Werden Erinnerungen wach, was hat sich verändert?

Heute ist alles ganz anders. Die Formel 1 ist sicherer geworden mit allen technischen Vorkehrungen und Auslaufzonen auf den Strecken. Es wird zwar immer noch schnell gefahren und an Grenzen gegangen, aber die Sicherheit steht klar im Vordergrund. Früher musstest du noch manuell schalten, jetzt drückst du einfach an der Wippe. Zu meiner Zeit war das Risiko größer. Ein kleiner Fehler war bereits tödlich.

Zur Person

Niki Lauda, 63, wurde dreimal Formel-1-Weltmeister (1975 und 1977 mit Ferrari, 1984 mit McLaren). Er bestritt 171 Grand Prix, sicherte sich 24 Polepositions und feierte insgesamt 25 Siege.

Von 1993 bis 1995 agierte er bei Ferrari als Berater, von 2001 bis 2002 war er Teamchef des Jaguar-Teams. Für TV-Sender RTL ist er als Ko-Moderator tätig. Im September 2012 wurde der ehemalige Airliner von Mercedes als Chairman des Formel-1-Teams bestimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2012)

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