Schokoladetester: Soko Schoko

Sein Polentaverbrauch ist hoch und er erzürnt die deutsche Schokoladelobby: Georg Bernardini hat sieben Monate lang Schokolade getestet. Und ja, er hat dabei zugenommen.

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Ausgerechnet mit der Polenta neutralisierte Georg Bernardini seinen Gaumen („ein Tipp von einem Freund. Funktioniert einfach am besten“), als er Josef Zotters Schokoladen verkostete. Gut, dass die Polenta-Schokolade mittlerweile aus Zotters Angebot verschwunden ist. Denn Bernardini, Schokoladetester und Ex-Chocolatier (er gründete die Confiserie Coppeneur), kostete sich für seinen gewichtigen Guide durch viele hundert Schokoladen. Und gelangte, Neutralisierungs-Polenta sei Dank, zur Überzeugung, dass Zotter aufgrund der Bandbreite seines Portfolios und seiner vielen Innovationen der beste Produzent weltweit ist.
Freudentaumel am Fuße der Riegersburg, sieben Kilo mehr bei Bernardini. „Pro Monat also ein Kilo.“ Sieben Monate lang nämlich ließ er sich Proben aus aller Welt schicken, um sie in drei täglichen Verkostungsrunden zu bewerten. „Mein Insulinspiegel ist in der Testperiode gestiegen, ich hatte auch direkt nach den Verkostungen immer Hunger. Die Portionen sind immer größer geworden.“ Georg Bernardini kostete sich durch 2700 Produkte aus 38 Ländern: Grünteekonfekt aus Japan traf ebenso bei ihm in Bonn ein wie Kamelmilchschokolade aus Dubai oder weiße Schokolade mit gefriergetrocknetem Spargel aus dem oberösterreichischen Frankenmarkt. Dabei beachtete Bernardini, der zwanzig Jahre Erfahrung im Schokoladeverkosten hat, nur Schokolade, die im Fachhandel zu kaufen ist. Milka und andere Massenprodukte ließ er links liegen. „Lindt habe ich aber doch getestet, das hat einfach zu viel Tradition, und Hachez ist gut genug für den Guide.“

Aufdecker. Warum er sich die Mühe des Verkostens gemacht hat? „Der Markt ist wahnsinnig unübersichtlich. Es gibt hunderte Firmen, die alle damit werben, dass sie angeblich die edelsten Rohstoffe verwenden oder ausgesuchte Kakaobohnen von kleinen Plantagen. Da wird viel gelogen.“ Sicher, wenn diverse „E“ in der Zutatenliste für „Edel“ stehen, könnten manche Behauptungen stimmen. Mit seinen Tests brachte Bernardini unter anderem die deutsche Schokoladelobby gegen sich auf. Er bezweifelte bei einem großen Produzenten etwa, dass, wie angegeben, Kakaobohnen aus Madagaskar verwendet wurden, – „die besagte Plantage gab es nie“. Eine andere Firma behauptete, sie verwende Kakaobohnen aus Tobago. „Ich kenne dort die einzige existierende Plantage. Dort hat man mir versichert, dass man die produzierten fünf Tonnen ausschließlich für den Eigenbedarf verwendet und keine einzige Bohne an andere Produzenten verkauft hat.“ Die Branche reagierte durchaus verschnupft: Ein deutsches Schokoladefachmagazin etwa stellte Bernardinis Kompetenz als Schokoladenexperte infrage, weil der Redakteur einige Rechtschreibfehler in dem dicken Buch gefunden hatte.

Georg Bernardini testete jeweils eine Auswahl an Schokolade und Pralinen von allen Produzenten, die er weltweit fand. Dabei sind ihm freilich zahlreiche Firmen entgangen, die nicht einmal besonders weit weg gewesen wären: ChocoMe etwa, ein junges ungarisches Unternehmen mit hochwertigen, dicht bestreuten Schokoladen, die in Wien zurzeit öfters zu finden sind, ist in seinem Schoko-Guide nicht vertreten. Die gefüllten Schokoladen von Hagmann aus Krems wurden ebenso wenig von ihm getestet wie jene von Gerhard Pichler aus Sillian in Osttirol oder die Tafeln von Martin Mayer aus Meggenhofen in Oberösterreich. „Ich plane aber eine überarbeitete Auflage“, sagt Bernardini. 

Schritt zurüc
k. Dass der Schokoladetester ausgerechnet bei Zotter den „back to the roots“-Gedanken schätzt, mag erstaunen. War es doch Josef Zotter, der mit Sorten wie Grammel-, Blut- oder Forellen-Marshmallow-Schokolade die Konsumenten irritierte. Georg Bernardini schätzt aber besonders die Nougatsorten „Nougsus“, mit denen Zotter 2010 begann, als viele andere erst auf den Zitronenpfeffer-Matcha-Veilchen-Zug aufsprangen. Der Boom der Hyperkreativschokoladen sei schon seit zwei, drei Jahren vorbei, meint der Schokoladeverkoster. Der Markt schrumpfe eher, auch neue Schokoladefachgeschäfte hätten es nicht leicht: „Die, die jetzt da sind, sind wohl etabliert, mehr ist aber nicht drin.“ Der Trend geht stark zu traditionellen Sorten, glaubt Bernardini: „Wir machen gerade einen Schritt zurück von Yuzu oder Chili-Propolis zu ,normalen‘ Sachen, zu bestem Nougat etwa und zu klassischen Pralinen.“ Was eben Josef Zotter richtig erahnt haben dürfte. Der „Nougsus Sesam“ ist in den Augen des Testers ein „Ausnahmeprodukt“, die Kürbiskern-Konfektkugeln nennt er gar „Harmonie in Vollendung“.

Die Testsieger neben Zotter, mit sechs von sechs Kakaobohnen ausgezeichnet, sind unter anderem Schokokult-Vorreiter Domori aus Turin, den Bernardini für den besten Produzenten purer Schokolade hält, sowie Marcolini und Patrick Roger, die zwei Superstars vor allem im Konfektbereich mit Boutiquen in Paris und Brüssel. Patrick Roger ist für Georg Bernardini der beste Konfekthersteller der Welt. „Der hebt sich dermaßen ab! Hat einen eigenen Kräuter- und Gewürzgarten, verwendet kein Maracujakonzentrat, sondern kauft zig Kilo Früchte und macht alles selbst. Das schmeckt man. Und das ist dann auch den Preis wert.“ Pierre Marcolini habe wegen ihm sogar die Produktion umgestellt, erzählt Bernardini stolz: „Ich habe ihm gesagt, deine Sachen sind hervorragend, aber warum tust du überall Vanille hinein? Etwas später hat er gemeint, Georg, ich hab Gänsehaut, der Unterschied ist so offensichtlich.“ Schon am Salon du Chocolat diesen Herbst präsentierte Marcolini Produkte ohne Vanille. „Da freue ich mich natürlich über meinen Einfluss.“

Harte Kritik. Mit anderen Firmen geht er bisweilen hart ins Gericht. Bachhalm, der erfolgreiche, aber von Bernardini schlecht bewertete österreichische Produzent von bestreuten Tafelschokoladen, könne ihn auch gern um Rat fragen. „Die haben sich aber noch nicht gemeldet.“ Was er Bachhalm vorwerfe? „Schauen Sie, die belegten Tafeln haben nur 53,8 Prozent Kakaoanteil. Das heißt, der Rest ist Zucker. Wenn Sie dann oben drauf noch kandierte Minzeblätter oder Veilchen haben, die fast reiner Zucker sind, haben Sie noch mehr Zucker. Ganz abgesehen von den synthetischen Farbstoffen. Wenn die mich fragen, was sie besser machen können, sag ich: ,Nehmt 65 Prozent Kakao.‘“ Einen weiteren österreichischen Erfolgsbetrieb hat Bernardini gar mit null von sechs Bohnen bewertet: die Confiserie Altmann & Kühne, die mit ihrem „Liliputkonfekt“ in pittoresken Nostalgieschachteln vor allem Touristen anzieht. „Das ist eine Unverschämtheit. Die werben mit feinsten Inhaltstoffen, man kann sich aber die Liste nicht ansehen, weil alles schon vorverpackt ist.“ Wer sich die Mühe dann mache, die Liste anzusehen, entdecke viele künstliche Farb- und Aromastoffe. Oder: „Da ist das Konfekt mit einer Walnuss verziert, aber in der Inhaltsliste ist keine Nuss angegeben.“ 

Welche Trends – neben dem Traube-Nuss-Revival – beobachtet Bernardini derzeit? „Immer mehr Firmen machen Schokolade von der Bohne weg.“ Wie Zotter eben. Und „raw chocolate“ ist im Kommen. „Dabei werden die Bohnen nie über 46 Grad erhitzt. Sonst geht es beim Rösten schon einmal bis 145 Grad.“ „Raw chocolate“ sei etwas gewöhnungsbedürftig, sagt Georg Bernardini, „einige Firmen  wie Pacari aus Ecuador machen das schon ziemlich perfekt, bei anderen merkt man doch einen deutlich anderen Geschmack“.
Das laut Bernardini „wahrscheinlich beste Schokofachgeschäft Europas“ ist übrigens auch in Österreich zu finden, besser gesagt, in Wien: Xocolat auf der Freyung.

TIPP

Wälzer. Ein (ge-)wichtiges Buch für Schokoladeliebhaber mit Hintergrundinfos zu Produzenten, kuriosen Fundstücken und Verkostungsnotizen. Nachdem es aber bisher nur auf Deutsch erschien, fallen die fehlenden Produzenten aus dem deutschen Sprachraum umso mehr auf. Georg Bernardini: Der Schokoladetester. 732 S., 30,80 Euro.

Schokolade im Tee

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Dieses Bild mit dem Schokoladelöffel ist nicht ganz ernst zu nehmen, demons-triert aber gut die Fragen, die von Kunden zu den Schokoladetees kommen, die immer häufiger zu sehen sind: Ist da flüssige Schokolade drin? Nein. Schokotees, wie es sie etwa von Kusmi, Haas & Haas oder Demmer gibt, enthalten neben schwarzem Tee oder Rooibos meist Kakaonibs und oft Gewürze, in Anlehnung an die ursprüngliche heiße Schokolade der Azteken. Die Schokotees polarisieren, der Geschmack ist gewöhnungs-bedürftig, kann aber süchtig machen. Manche trinken Mischungen wie „Some like it hot“ schon als kalorienlosen Dessertersatz.

Schokolade auf Zeit

Neben der Rolltreppe im Kaufhaus Steffl stehen die bemalten Schoko-Babuschkas wohl genau richtig, die Russenquote dürfte hier in der Vorweihnachtszeit ziemlich hoch sein (wenn diese nicht gerade an den schokoladeverkostenden Gästen im Ritz vorbeiflanieren, siehe rechts). Thomas Kovazh von „Schokov“ hat hier bis Silvester noch seinen Pop-up-Store im Steffl-tauglichen Outfit und konzentriert sich auf weihnachtliche Produkte. Etwa vier Kilo schwere Riesenweihnachtsmänner in Knallfarbenstanniol, innen in „dunkler Milch- oder heller dunkler Schokolade“, wie Kovazh sagt, oder die selbst befüllten Schokov-Adventkalender. Oder sündige Nougatnüsse, mit essbarer Goldfarbe bemalt.

Schokolade in Reinform

Typisch ist das Publikum im Wiener Ritz, das man während nachmittäglicher Loungesitzerei begutachten kann, ganz untypisch ist hingegen, was man dort täglich von 15 bis 18 Uhr serviert: Schokolade aus drei stets wechselnden Anbaugebieten, etwa Ecuador oder Peru, mit 72 Prozent Kakaogehalt, langsam 1:1 mit Wasser zu einem dickflüssigen heißen Elixir gerührt. Das sich in allem von dem unterscheidet, was man sonst an Schokolade in heißer Form trinkt. Ein Erweckungserlebnis in Sachen Aromen. Milch oder Gewürze kann man dazu haben, es empfiehlt sich aber, die Schokoladen pur zu verkosten. Schließlich kommen sie von Domori. Sagt für Schokofreaks schon alles.

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