Mit dem Waffensystem soll das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad an Angriffen auf türkisches Gebiet gehindert werden.
Die Warnsignale an den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad werden lauter und häufiger. Nun verlegt die Nato "Patriot"-Flugabwehrraketen ins türkische Grenzgebiet zu Syrien. Das beschlossen die Außenminister der 28 Bündnisstaaten nur einen Tag, nachdem US-Präsident Barack Obama ("Der Einsatz von Chemiewaffen wäre völlig inakzeptabel") und US-Außenministerin Hillary Clinton ("Wir planen ganz sicher Aktionen, wenn das passieren würde") Assad eindringlich vor dem Einsatz chemischer Waffen gegen die Opposition gewarnt hatten.
Monatelang hatte sich die Nato demonstrativ aus den immer blutiger werdenden Unruhen in Syrien herausgehalten. Bündnis-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verwies stets auf das Fehlen eines Mandats des UN-Sicherheitsrates. So stand ein militärisches Eingreifen aufseiten der Aufständischen - anders als in Libyen - nie ernsthaft zur Diskussion. Auch deswegen nicht, weil angesichts der syrischen Streitkräfte ein Sturz Assads mit militärischen Mitteln als kaum machbar galt.
Nato zeigt Flagge
Mit der Bitte Ankaras um moderne Abwehrraketen gegen mehrere Hundert Scud-B-Raketen aus alter sowjetischer Produktion (Reichweite 400 bis 700 Kilometer) ist der blutige Konflikt an der südlichen Grenze des Nato-Mitglieds Türkei zumindest psychologisch ein bisschen näher auch an die anderen 27 Nato-Mitglieder herangerückt. Zugleich zeigt die Nato deutlicher als je zuvor Flagge in einem Konflikt, in dem die Weltmächte gegeneinanderstehen: Russland und China stützen Assad, die USA und die anderen westlichen Länder verlangen Maßnahmen gegen ihn.
Nato-Diplomaten machen keinen Hehl daraus, dass die Operation "Active Fence" (Aktiver Zaun) mehrere Ziele hat. Einerseits sind da die syrischen Raketen. In Verbindung mit Chemiewaffen - über die Syrien nach Erkenntnissen der Nato zweifelsfrei verfügt - könnten sie in türkischen Städten verheerende Wirkung entfalten. Hohe Nato-Militärs räumen ein, dass Assad bisher den Konflikt mit der Opposition in seinem Land nicht internationalisiert hat. Niemand aber wisse, was ein mit dem Rücken zur Wand stehender Assad zu tun imstande sei.
Rasmussen: "Dies soll Konflikt deeskalieren"
"Wir sind sehr besorgt", so Rasmussen zur Raketen- Entscheidung. "Und dies soll den Konflikt deeskalieren." Allerdings soll die Entscheidung für die Entsendung der "Patriot"-Raketen auch innerhalb des Bündnisses positiv wirken. Die Türkei soll mit der Waffenhilfe der Alliierten darin bestärkt werden, die bisherige besonnene Politik gegenüber Syrien fortzusetzen. Die Regierung in Ankara, die mittlerweile für mehr als 120.000 syrische Flüchtlinge zu sorgen hat, dürfe auf keinen Fall das Gefühl bekommen, allein gelassen zu werden. Eigenmächtige Aktionen Ankaras gegenüber Assad müssten unter allen Umständen verhindert werden.
Das Bündnis war einig beim Beschluss zur "Patriot"-Hilfe für die Türkei, einiger als in vielen anderen Fragen. Niemand mochte bezweifeln, dass die Türkei ein Recht auf Beistand hat. Sogar Russlands Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich überraschend milde gestimmt. Fragen nach seiner verbundenen linken Hand und seiner aufgeplatzten Lippe wehrte er zwar genervt ab: "Arbeiten Sie für die Klatschpresse?" Aber auf Fragen nach dem "Patriot"-Beschluss formulierte er, dies sei Sache der Türkei. Dagegen habe man keine Einwände. Allerdings solle niemand glauben, dass eine militärische Lösung des Syrien-Konflikts möglich sei.
(APA/dpa)