Die Causa Matt: Eine Chronologie der Ereignisse

Von den erste Vorwürfen gegen Direktor Matt über seinen Rücktritt bis zur Einstellung des Korruptions-Verfahrens.

Im März ist Gerald Matt als Direktor der Kunsthalle Wien zurückgetreten. Vorangegangen war ein über ein Jahr dauerndes Wechselspiel zwischen laut werdenden Vorwürfen und lauter Abwehr aufseiten des Kunstmanagers. Am Freitag nun gab die Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft bekannt, dass sie das Ermittlungsverfahren gegen Matt sowie gegen weitere Personen eingestellt hat. Im Folgenden eine Chronologie der bisherigen Ereignisse:

9. April 2011: Erstmals werden Vorwürfe gegen Gerald Matt laut, wonach dieser Mitarbeiter seines Hauses eingesetzt haben soll, um einen privaten Auftrag abzuwickeln. Laut "profil" habe Matt für die gemeinsam mit dem Nationalrat herausgegebene Interviewsammlung "Österreichs Kunst der 60er-Jahre" sowie für zwei Ausstellungen im Hohen Haus 15.000 Euro Honorar erhalten. Die involvierten Mitarbeiter seien zunächst jedoch nicht bezahlt worden. Matt indes weist die Vorwürfe zurück: Die Mitarbeiter seien honoriert worden. Überdies sei im Zeiterfassungssystem der Kunsthalle exakt zu ersehen, wann sich die einzelnen Kunsthallen-Mitarbeiter der Publikation gewidmet hätten.

14. April: Das Präsidium des Vereins Kunsthalle nimmt Matt in Schutz. Dem Direktor sei es ausdrücklich gestattet, Nebentätigkeiten nachzugehen, heißt es in einer Stellungnahme von Präsident Thomas Häusle und Vizepräsident Siegfried Menz. "Für die vertraglich gestatteten Nebentätigkeiten dürfen auch die betrieblichen Ressourcen im sonst üblichen - und für die konkrete Aufgabe jeweils erforderlichen - Ausmaß eingesetzt werden." Man werde dennoch eine Überprüfung durch unabhängige Rechnungsprüfer und einen Wirtschaftstreuhänder initiieren. Dabei solle auch die Finanzgebarung des Vereines Kunsthalle Wien seit 2007 überprüft werden.

21. April: Der grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl bringt wegen angeblich unklarer Abrechnungen mit einer parlamentarischen Anfrage drei weitere Ausstellungen im Österreichischen Kunstforum New York aufs Tapet, die von Matt kuratiert wurden. Kunsthallen-Präsident Häusle weist die implizierten Vorwürfe zurück.

29. April: Erstmals werden Vorwürfe laut, wonach Matt versucht haben soll, ausländische Sponsoren zu gewinnen, indem ihnen österreichische Staatsbürgerschaften in Aussicht gestellt wurden. Laut "Salzburger Nachrichten" hätten die Spender je 1,4 Mio. Euro zahlen sollen. Der Kunsthallen-Vorstand bestätigt, 2007 Kontakte mit potenziellen Sponsoren geknüpft zu haben und im Zuge dessen über die zuständigen Behörden die Frage geklärt zu haben, ob außerordentliche Sponsorleistungen zur Verleihung der Staatsbürgerschaft führen könne. Die Bemühungen seien 2009 jedoch endgültig eingestellt worden.

Im Wiener Gemeinderat stimmen SPÖ, Grüne und FPÖ dem ÖVP-initiierten Antrag zu, das Kontrollamt mit einer Prüfung der Anfang April publikgewordenen Vorwürfe gegen Matt zu beauftragen. Eine "Beurlaubung" des Kunstmanagers lehnt Mailath-Pokorny allerdings ab, da diese einer Vorverurteilung gleichkomme.

2. Mai: Es wird bekannt, dass die gesamte Auflage des Matt-Buches "Österreichs Kunst der 60er Jahre" eingestampft und neu gedruckt werden muss. Bernhard Böhler hatte über seinen Anwalt die Autorenschaft für ein Interview mit Alfred Hrdlicka urgiert, die im Buch Matt zugeschrieben wurde.

3. Mai: In einer Follow-Up-Überprüfung des Rechnungshofes lobt dieser die Kunsthalle, die alle Empfehlungen eines 2005 veröffentlichten Berichts umgesetzt habe: "Dadurch wurde eine Verbesserung der Einnahmen erzielt und die Wirtschaftlichkeit erhöht."

6. Mai: Die Wiener ÖVP bringt gegen Matt im Zusammenhang mit den Vorwürfen, potenzielle Sponsoren mit Staatsbürgerschaften gelockt zu haben, eine Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft ein.

2. Juni: Ein neuer Prüfbericht der Kanzlei Interbilanz Hübner entkräftet die Vorwürfe bezüglich hoher Reisespesen und laxer Abrechnungsregelungen gegen Matt. Sämtliche Vorwürfe gegen den Direktor entbehrten der Grundlage, so Kunsthallen-Präsident Häusle. Dies betreffe auch die von den Grünen kritisierten Ausstellungen in New York.

6. Juni: "Profil" bringt neue Vorwürfe: Matt habe Besucherzahlen frisieren lassen, sein Vertrag sei vom Vorstand im Jahr 2000 heimlich verlängert worden und der Kunstmanager habe sich privat Geld für Jurytätigkeiten bei der Invest Kredit Sammlung auszahlen lassen. Die Vorhaltungen würden "auch durch Wiederholung nicht wahr", so Häusle in einer Stellungnahme.

10. Juni: Der Vorwurf an Matt, Mitarbeiter der Kunsthalle für sein Buchprojekt "Österreichs Kunst der 60er Jahre" unrechtmäßig eingesetzt zu haben, bekommt eine neue Wendung. "Eine Kooperation mit der Kunsthalle hat es nicht gegeben", heißt es vonseiten der Parlamentskorrespondenz. Ein Vertrag sei mit Matt selbst geschlossen worden. Die Kunsthalle unterstreicht, dass der Einsatz von Mitarbeitern gerechtfertigt gewesen sei.

17. Juni: Die Kunsthalle legt die Expertise von Professor Peter Lewisch vom Wiener Institut für Strafrecht und Kriminologie vor. Demnach ist die Intervention der Kunsthalle respektive ihres Direktors hinsichtlich einer möglichen Staatsbürgerschaftsverleihung für ausländische Kunstmäzene legal gewesen.

5. Juli: Grünen-Kultursprecher Zinggl macht eine parlamentarische Anfragebeantwortung publik, wonach Matt für die beiden New Yorker Ausstellungen im Kulturforum insgesamt 8.000 Euro Honorar erhalten hat, für eine weitere Schau im Jahr darauf keine Vergütung. Er habe für seine Arbeit mithin "doppelt kassiert" und Ehre durch den Einsatz von Kunsthallen-Personal verdient, so Zinggl. Das Museum weist die Vorwürfe mit Verweis auf die veröffentlichten Prüfberichte zurück.

6. Juli: Matt geht mit mehreren Interviews in die Gegenoffensive und macht publik, Zinggl wegen Verleumdung angezeigt zu haben. "Die Vorwürfe sind eindeutig unhaltbar", verweist der Kunsthallen-Chef auf die vorliegenden Berichte. Von einem schlechten Betriebsklima - so der Vorwurf des geschassten Ex-Kurators Mießgang - könne angesichts hoher Mitarbeiterkontinuität keine Rede sein: "Da ist viel Neid im Spiel." Die Anzeige wird später von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt.

17. Oktober: Neue Vorwürfe: Laut "profil" soll Matt zwischen 1998 und 2005 private Dienstleistungen über das Ausstellungshaus verrechnet haben. Für Bankgeschäfte, Steuerangelegenheiten und Urlaubsreisen, aber auch für Umbauarbeiten in Matts Privatwohnung sollen Mitarbeiter der Kunsthalle betraut und vom Ausstellungshaus bezahlt worden sein, was diese in eidesstattlichen Erklärungen bezeugen. Präsident Häusle betont hingegen, "dass zu keiner Zeit private Leistungen für Dr. Matt aus Mitteln der Kunsthalle beglichen wurden".

18. Oktober: Kulturstadtrat Mailath-Pokorny stellt im Ö1-Interview erstmals eine "Neuorganisation" der Kunsthalle "in unmittelbarer Zukunft" in Aussicht. Konkret gehe es um die Gründung einer GmbH inklusive Aufsichtsrat. Laufende Verträge seien aber nur dann aufzulösen, wenn es tatsächlich strafrechtlich relevante Vorkommnisse gibt: "Und die haben die Strafbehörden festzustellen."

Die Wiener Grünen stellen im APA-Interview ihrem Koalitionspartner die Rute ins Fenster. Angesichts der neuen Sachlage binde man die Zustimmung zu einer künftigen Subventionsvergabe durch die Stadt an eine sofortige Suspendierung Matts ohne Bezüge, so Kultursprecher Klaus Werner-Lobo.

20. Oktober: "Die Zeit" veröffentlicht den Vorwurf, wonach die 2009 von der Stadt Wien in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie für eine mögliche Fusion von Kunsthalle und Künstlerhaus von einer Firma durchgeführt worden sei, die Matts langjähriger Freundin Susanne Moser gehörte. Auch die Eintritte von 2001 bis 2010 seien um knapp 500.000 Besucher höher angegeben worden. Präsident Häusle verweist darauf, dass der Auftrag nicht von der Kunsthalle, sondern der Stadt vergeben worden sei.

27. Oktober: Der "Falter" berichtet, dass Matt und Kunsthallen-Geschäftsführerin Bettina Leidl jeweils als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft "Kunst im öffentlichen Raum GmbH" (KÖR) ein Gehalt für ihren "Nebenjob im Hauptjob" erhalten haben. Das wird aus dem Büro Mailath-Pokorny bestätigt.

16. November: Die Grünen drängen auf rasche Entscheidungen der Stadtregierung: "Am 29. November ist Kulturausschuss. Wenn man will, dass die Kunsthalle zu diesem Datum behandelt wird, muss man in den nächsten Tagen zu einer Entscheidung kommen", so Kultursprecher Klaus Werner-Lobo, der auch auf einer personellen Neuordnung beim Verein Wiener Kunsthalle pocht.

17. November: In Folge eines Berichts des "News" fordert der BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler, stellvertretender Obmann des Immunitätsausschusses im Parlament, "sofortige Aufklärung". Es geht um die mögliche Aufhebung der Immunität des grünen Kultursprechers Zinggl. Der entsprechende Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft liegt seit Oktober bei Justizministerin Beatrix Karl (V) und sei in Bearbeitung, heißt es. Bevor hierüber von Ministeriumsseite nicht entschieden ist, kann der Antrag nicht dem Immunitätsausschuss des Parlaments vorgelegt werden.

2. Dezember: Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S) präsentiert die "Neuordnung" der Kunsthalle: Statt des bisherigen Trägervereins wird sie in eine GmbH im Eigentum der Stadt Wien überführt. Gerald Matt wird von 1. Jänner bis 31. März 2012 für drei Monate dienstfrei gestellt. Der Geschäftsführer des Kunsthauses Wien, Franz Patay, übernimmt interimistisch die Leitung der Kunsthalle. Neben der künstlerischen soll für die Kunsthalle eine gleichwertige kaufmännische Geschäftsführung gemäß dem Vier-Augen-Prinzip bestellt werden.

23. Dezember: Matt erklärt in einem Interview mit "Presse": "Ich werde am 1. April 2012 meinen Dienst wieder antreten, weil alle Überprüfungen, jene, die im Gange sind, und jene, die noch kommen, belegen werden, dass die Vorwürfe gegen mich unberechtigt sind."

29. Dezember: Es wird bekannt, dass die Subvention der Kunsthalle von bis dato 4,15 Mio. auf 4,05 Mio. Euro gekürzt wird. Auch die Ursula Blickle Stiftung entzieht der Kunsthalle für die Zeit der Dienstfreistellung von Matt die finanzielle Unterstützung. Von Kritikern wird allerdings betont, dass Matt selbst Gremiumsmitglied der Blickle Stiftung sei.

26. Jänner 2012: Der Wiener Gemeinderat segnet die neue Struktur der Kunsthalle ab. Mit der Überprüfung der Vorwürfe gegen Gerald Matt wird HLB Intercontrol, Österreichableger des Londoner Unternehmens HLB International, beauftragt.

30. Jänner: Die Staatsanwaltschaft Wien beantragt im Zusammenhang mit einem angeblichen "Datenklau" in der Kunsthalle Wien die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des Grünen Kultursprechers Wolfgang Zinggl. Am 29. Februar wird sie im Nationalrat einstimmig aufgehoben.

14. Februar: Die Kunsthalle wird offiziell zur GmbH. Zwei Tage später veröffentlicht der Verein einen neuen Bericht der Wirtschaftsprüfungskanzlei IB Interbilanz Hübner, der Matt neuerlich entlastet. Eine Sonderprüfung habe "keine Hinweise auf privat veranlasste Belastungen der Kostenstelle 10" gefunden.

3. März: Die kaufmännische Geschäftsführung der Kunsthalle wird ausgeschrieben. Bis 3. April können Bewerbungen für die auf die Dauer von fünf Jahren angelegte Position eingereicht werden.

9. März: 47 von 54 Mitarbeitern der Kunsthalle unterschreiben eine Erklärung, in der Matt das Misstrauen ausgesprochen und die Stadt Wien als Eigentümerin gebeten wird, für klare Verhältnisse zu sorgen. Die Auswertung des anonym durchgeführten Misstrauensvotums wird durch einen Notar vorgenommen.

23. März: Gerald Matt tritt als Direktor der Kunsthalle Wien zurück. Als Grund wird in einer Aussendung des Vereins angegeben, dass Matt der in der neuen Struktur vorgesehenen Trennung zwischen kaufmännischer und künstlerischer Leitung nicht zustimmen könne.

10. April: Der in der Aufsichtsratssitzung der neugegründeten Kunsthalle Wien GmbH diskutierte Due-Diligence-Bericht der HLB Intercontrol, in dem das Gebaren der bisher von einem Verein geführten Kunsthalle Wien geprüft wurde, gibt grünes Licht für die Übernahme der Geschäfte.

9. Mai: Durch einen Notariatsakt wird offiziell die Übernahme zwischen Verein Kunsthalle Wien und der neugegründeten Kunsthalle Wien GmbH besiegelt.

11. Mai: Ursula Hühnel-Benischek, die sei 1. Dezember als Leiterin von Buchhaltung und Personalwesen mit der Prokura vertraut war, wird offiziell zur neuen kaufmännischen Geschäftsführung der Kunsthalle bestellt.

20. Mai: Die Bewerbungsfrist für die neue künstlerische Leitung der Kunsthalle endet. 67 Personen haben sich beworben.

13. Juni: Es wird bekannt, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft auch gegen die ehemaligen Vorstände des Trägervereins, Thomas Häusle und Siegfried Menz, sowie die langjährige Geschäftsführerin der Kunsthalle, Bettina Leidl, ermittelt.

14. Juni: Der deutsche Kurator und Kunsthistoriker Nicolaus Schafhausen wird von Mailath-Pokorny als neuer künstlerischer Leiter der Kunsthalle präsentiert.

1. Oktober: Schafhausen tritt sein Amt offiziell an.

7. Dezember: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft gibt bekannt, dass das Ermittlungsverfahren gegen Gerald Matt sowie gegen Thomas Häusle, Siegfried Menz und Bettina Leidl eingestellt wird. Die Ermittlungsergebnisse hätten "die behaupteten Interventionen" nicht bestätigt, auch ein "wissentlicher Befugnismissbrauch" konnte nicht festgestellt werden.

(APA)

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Keine Untreue festgestellt. Diesen Donnerstag wird der Kontrollamtsbericht veröffentlicht. Matt war u. a. vorgeworfen worden, er habe Ressourcen der Kunsthalle (KH) für private Zwecke verwendet.
Kommentare

Jetzt schämt euch aber, ihr Grünen!

Die Kampagne gegen den ehemaligen Direktor der Kunsthalle Wien, Gerald Matt, war ein empörender Skandal.
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Kontrollamt rügt großzügigen Vertrag mit Matt

Dem ehemaligen Kunsthallen-Direktor waren "umfangreiche Nebentätigkeiten" erlaubt. Insgesamt sieht der Kontrollamtsbericht keine "unrechtmäßigen Handlungen".

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