Fingerabdrücke von Asylwerbern: Polizei bekommt EU-weit Zugriff

(c) AP (Jens Meyer)
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Bei Schwerverbrechen und Terrorismus sollen die nationalen Sicherheitsbehörden Einsicht in die gesamte EU-weite Datenbank erhalten. Diese wurde 2000 eingerichtet, um Mehrfachanträge von Asylwerbern zu verhindern.

Brüssel. Im Europaparlament ist am Montagabend eine Entscheidung von großer Bedeutung für die Aufdeckung und Vorbeugung schwerer Verbrechen in der EU gefallen. Die Abgeordneten des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres stimmten mehrheitlich dem Zugriff der nationalen Polizeibehörden auf die EU-weite Datenbank zur Erfassung der Fingerabdrücke von Asylwerbern und aufgegriffenen illegalen Zuwanderern zu.
Diese Datenbank, Eurodac genannt, wurde im Jahr 2000 mit dem Zweck eingerichtet, Mehrfachanträge von Asylwerbern in mehreren EU-Staaten zu verhindern. Sucht ein Flüchtling in der Union um Schutz an, werden ihm die Fingerabdrücke abgenommen und gespeichert.

Schon jetzt vergleicht die Polizei Fingerabdrücke, die sie an Tatorten von Kapitalverbrechen oder Terroranschlägen findet, mit den Fingerabdrücken von Asylwerbern. Allerdings kann sie dabei nur auf ihre eigenen, nationalen Datenbanken zugreifen. Eurodac ist ihr bisher versperrt.
Damit geraten die Sicherheitsbehörden laut Angaben von Europol gegenüber organisierten Banden von Menschenhändlern, Drogendealern und Terroristen ins Hintertreffen, deren Mitglieder gezielt unter Vorlage falscher Dokumente Asyl in einem EU-Staat beantragen. Damit erhalten sie zumindest für die Dauer des Verfahrens einen vorübergehenden Aufenthaltstitel und können mit „weißer Weste“ Verbrechen in anderen Mitgliedstaaten begehen.

Zwar dürfen die Behörden der von dieser Form der organisierten Kriminalität betroffenen Mitgliedstaaten bilateral den Austausch national erfasster Asylwerber-Fingerabdrücke vereinbaren. Das ist in der EU aber nur erlaubt, wenn die Ermittlungen klar darauf hindeuten, dass der Verdächtige in einem bestimmten Staat ist.

Zugriff soll Lücke schließen

Der Zugriff auf Eurodac, den Innenkommissarin Cecilia Malmström mit neuen grundrechtlichen Sicherheitsbestimmungen vor dem Sommer vorgeschlagen hatte, soll diese Lücke schließen. Künftig soll jede Polizeibehörde in der EU bei bereits begangenen schweren Verbrechen Zugriff erhalten, sobald sie ihre eigenen Asylwerber-Dateien erfolglos durchsucht hat. Ihre elektronischen Anfragen müssen gespeichert werden, damit die Datenschutzbehörden die Einhaltung der einschlägigen europäischen Vorschriften prüfen können.

Mit dieser mit 41 zu elf Stimmen bei vier Enthaltungen beschlossenen Position des Ausschusses ging das Parlament am Dienstag in die Verhandlungen mit den Innenministern. Eurodac basiert auf einer EU-Verordnung, Rat und Parlament müssen sich also einigen. Das scheint mit dem Votum vom Montagabend sehr wahrscheinlich, voraussichtlich im Frühjahr 2013. Denn die kritischen linken Fraktionen wurden mit dem Zugeständnis zufriedengestellt, dass die Abdrücke von Flüchtlingen, denen Asyl gewährt wurde, zwar in Eurodac gespeichert bleiben. Die Polizei bekommt auf diese Abdrücke aber keinen Zugriff.

Dass dieser Datenabgleich bei der Aufklärung von Schwerverbrechen und Terrorismus dienlich ist, zeigen nationale Statistiken. In Österreich führte der Abgleich von Abdrücken, die man an Tatorten fand, mit jenen in der nationalen österreichischen Asylwerberdatei in den Jahren 2007 bis 2011 zu 87 beziehungsweise 85, 105, 71 und 52 Treffern. Niederländische Ermittlungsstatistiken zeigen, dass jede dritte Anfrage in Mord- und Totschlagsfällen zum Täter führte, ebenso drei von sechs Anfragen in Terrorismus-Fällen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2012)

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