Zahl rassistischer Gewalttaten wird nicht gemessen

(c) Clemens FABRY
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Die Polizei erfasst nicht, ob ein Verbrechen aus rassistischen Gründen begangen wurde.

Wien/Eko/Cim. Ein Mann beschimpft zwei schwarze Frauen in einer U-Bahn-Station, schließlich stößt er eine auf die Geleise. Ein Fall von rassistischer Gewalt? Ja, sagt die Polizei. Der Mann selbst bestreitet das. Welches Motiv tatsächlich hinter der Attacke steckte, bei der vergangenen Samstag eine Frau schwer verletzt wurde, wird noch geklärt werden. Klar ist aber, dass bei Angriffen auf Menschen auch der Migrationshintergrund eine Rolle spielen kann.

Wie sehr er das tut, ist allerdings nicht so leicht herauszufinden. Denn valide Daten, inwieweit Gewalt einen rassistischen Hintergrund hat, gibt es kaum bis gar nicht. So wird etwa in der Kriminalitätsstatistik nicht erfasst, ob etwa eine Schlägerei ausbricht, weil jemand aus rassistischen Gründen angegriffen wird oder wie viele Pöbeleien und Beleidigungen es deswegen gibt. Das Bundeskriminalamt schlüsselt Verbrechen in der Statistik nur danach auf, ob Täter und Opfer Österreicher sind oder eine andere Staatsbürgerschaft haben. Religionszugehörigkeit, Hautfarbe oder gar die Motive der Taten werden nicht erfasst.

Um zu Daten zu gelangen, ist man vor allem auf die Aussagen jener angewiesen, die Opfer oder Zeugen rassistischer Gewalt wurden. So hat etwa die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) eine eigene Meldestelle eingerichtet, bei der Gemeindemitglieder die Möglichkeit haben, antisemitische Vorfälle zu melden. „Wir bemühen uns dann, dass sie auch bei der Polizei Anzeige erstatten“, sagt IKG-Präsident Oskar Deutsch. Anhand der eingelangten Meldungen lässt sich für die IKG jedenfalls eine Tendenz feststellen: So wurden 71Vorfälle im Jahr 2011 gemeldet, 2012 waren es bereits 135. „Das ist eine Verdopplung, die uns zu denken geben sollte“, so Deutsch. Bei den Meldungen habe es sich um Beschimpfungen, Beschmierungen und Sachbeschädigungen gehandelt – „körperliche Gewalt“, so Deutsch, „gab es Gott sei Dank noch nicht“.

Ebenfalls auf die Meldungen Betroffener angewiesen ist der Verein Zara, der jährlich einen Rassismusreport herausgibt. Darin wird anhand von Einzelfallberichten das Ausmaß rassistischer Diskriminierung gezeigt. Das reicht von Schmierereien über Kettenbriefe mit falschen Inhalten bis zu Benachteiligungen bei der Wohnungssuche. In der Ausgabe von 2012 wurden 706 Vorfälle in den Report des Vorjahres aufgenommen.

Statistische Qualität

Körperliche Gewalt nimmt dabei nur einen geringen Teil ein – es geht dabei um etwa vier Prozent der Fälle. „Das geht von der Androhung von Gewalt, etwa mit dem Messer am Hals, bis zum Krankenhausreifschlagen“, sagt Sprecherin Claudia Schäfer.

Zum Thema Rassismus in Österreich bietet der Zara-Report derzeit das ergiebigste Material. Klar sei aber, so Schäfer, dass es sich dabei um ein Monitoring handle und nicht um eine Statistik, bei der man Vergleiche ziehen könnte. „Daher wäre es etwa anhand der Zahl der Meldungen unseriös zu sagen, dass Rassismus zugenommen hätte.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2013)

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