Generationenstreit: Konflikt? Alt bestimmt, Jung akzeptiert

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Die Volksbefragung zur Wehrpflicht sorgt für eine Diskussion über die "Diktatur der Alten". Beweisen lässt sich diese nicht. Ist es die Politik, die sich - aus Angst vor der älteren Wählerschaft - zu wenig traut?

Wien/Ib/J.n./Jaz. Haben die Älteren den Jüngeren bei der Wehrpflichtvolksbefragung „sechs Monate gestohlen“? Und haben die Jungen in einer alternden Demokratie allein aus numerischer Sicht einfach keine Chance mehr? Diese beiden Fragen sorgen seit dem vergangenen Wochenende für hitzige Diskussionen. Denn die Pensionisten scheinen die Jungen überstimmt zu haben. Mehr als 70 Prozent der über 60-Jährigen votierten für die Beibehaltung der Wehrpflicht und damit für die Verpflichtung junger Männer zum Zivil- oder Präsenzdienst. Die Jungen selbst zeigten sich reformfreudiger. Ob sie aber tatsächlich mehrheitlich für ein Berufsheer waren, darüber sind selbst die Meinungsforscher uneinig. Immerhin lag die Schwankungsbreite bei den Umfragen, die das Wahlverhalten der Jüngeren untersuchten, bei knapp zehn Prozent. Die Kluft zwischen Jüngeren und Älteren dürfte also kleiner sein als vermutet. Ist das Diktat der Älteren also nur ein Mythos?

Nur zum Teil. Die Alterspyramide zeigt: Die unter 30-Jährigen machen nur rund 20 Prozent der Gesamtwählerschaft aus, die über 65-Jährigen bereits 23Prozent. Tendenz stark steigend (siehe Grafik). Die Älteren machen zudem von ihrem Wahlrecht stärker Gebrauch: Gaben bei der jüngsten Volksbefragung 53 Prozent der Alten ihre Stimme ab, waren es bei den Jungen lediglich 46 Prozent.

Diese Fakten sind insofern bedeutsam, als die wichtigsten Reformbereiche das Leben der Älteren direkt beeinflussen. Etwa das Pensionssystem und das Gesundheitswesen. So gibt es etwa kaum einen Wirtschaftsbericht über Österreich, der ohne Verweis auf die explodierenden Kosten der Pensionszahlungen auskommt. Erst Anfang der Woche warnte die Ratingagentur Fitch in einem Länderbericht, dass die heimische Staatsschuldenquote allein wegen der Rentenzahlungen bis 2050 um 146,3 Prozent steigen werde. Laut Rechnungshof wird bereits in drei Jahren jeder vierte Steuer-Euro in das Pensionssystem fließen.

Politik fürchtet die Senioren

Doch gerade in diesen Politikfeldern wird die von Ökonomen seit Jahren vorgetragene Reformnotwendigkeit von der Regierung weitgehend ignoriert. Ist das dem Druck der Alten geschuldet?

Nein, glaubt Günther Ogris vom Meinungsforschungsinstitut Sora. Die Älteren würden „in sehr hohem Ausmaß“ an die Jungen denken. So sei die Senkung der Jugendarbeitslosigkeit auch für Senioren eines der wichtigsten politischen Themen. Auch Andreas Khol, Obmann des Seniorenbundes, will sich den Vorwurf der Reformverweigerung nicht gefallen lassen. „Bei der Gesundheitsreform waren wir die Ersten, die für die elektronische Gesundheitsakte eingetreten sind“, so Khol. Auch bei der Pensionsreform waren sie gegen die Hacklerregelung und für ein Bonus-Malus-System für Menschen, die länger beziehungsweise kürzer arbeiten. Und was sagt die junge Generation dazu? „Das physische Alter ist weniger wichtig als der Reformwille“, sagt Sebastian Kurz, Staatssekretär für Integration und Chef der JVP. Und dieser sei altersunabhängig.

Ist es also die Politik, die sich (aus Angst vor der älteren Wählerschaft) zu wenig traut? „Das kann oft der Fall sein“, gibt Kurz zu. Hier würde man oft zu kurzfristig denken – vor allem vor der Nationalratswahl sei das ein Problem. Therese Niss, Vorsitzende der Jungen Industrie, gibt ihm recht: Die Politik würde bei Reformen eher einknicken, weil es sich bei der älteren Bevölkerung um ein großes Wählerpotenzial handle. „Und die Folgen tragen in Bereichen wie Bildung wieder die Jungen.“

Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend, sieht die Blockierer auch eher in der Koalition. Was man dazusagen müsse: „Wenn über Themen bestimmt wird, die die Jugend betreffen, sitzt die Bundesjugendvertretung selten am Verhandlungstisch.“ Bei den Älteren sei dies öfter der Fall. „Hier besteht ein Ungleichgewicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2013)

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