"Der Generationenkonflikt ist ein Verteilungskampf um die Budgetmittel"

(c) Clemens Fabry
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Der Demograf Rainer Münz sieht eine Dominanz der Älteren und fordert Pensionsreformen ein.

Die Presse: Bestimmen die Alten über die Jungen?

Rainer Münz: Ja. Die Älteren können eher bestimmen, weil sie mehr Geld haben und auf dem Arbeitsmarkt öfters über Anstellung oder Karriere von Jüngeren entscheiden.

Das war aber immer schon so. Wird es jetzt schlimmer?

Es gibt zum ersten Mal in der Geschichte in der Bevölkerung ein Übergewicht der Älteren, das hatten wir bisher nicht. Mehr als die Hälfte der Menschen in Europa ist über 40. Bei Wahlen spielen die Älteren eine noch größere Rolle, weil sie eher wählen gehen, weil es unter den Jüngeren einen höheren Anteil ausländischer Staatsbürger gibt und weil Einheimische unter 16 ebenfalls nicht wählen dürfen.

Das klingt nach einer unumkehrbaren Entwicklung.

Das ist es auch, zumindest so lange die Babyboom-Generation am Leben ist.

Diesen Prozess muss man einfach hinnehmen?

In einer Demokratie entscheiden Mehrheiten, und die sind eben nicht nur politisch organisiert, sondern haben auch eine Altersstruktur. Am Beispiel der Bundesheer-Debatte: Als die Babyboom-Generation jünger war, hat die Politik ganz gezielt darauf gesetzt, für die damals Jungen die Wehrpflicht zu verkürzen. Und jetzt hat dieselbe Babyboom-Generation mehrheitlich gegen die Abschaffung der Wehrpflicht gestimmt.

Scheitern kann die Dominanz der Älteren, wenn sich das System nicht mehr finanzieren lässt. Wird das bei den Pensionen bald der Fall sein?

Die Vorstellung, dass sich unser Pensionssystem mit einem großen Knall auflösen könnte, ist völlig falsch. Unser Pensionssystem kippt deswegen nicht, weil es mindestens so viel auszahlen kann wie eingenommen wird. Zusätzlich werden die Pensionen mit Steuermitteln aufgebessert. Solange in unserer Welt Güter und Dienstleistungen hergestellt werden und die Einkünfte versteuert werden, bleibt das System im Prinzip solvent. Und würden eines Tages keine Güter und Dienstleistungen mehr hergestellt, dann hätten die Pensionisten ein anderes Problem als die ausbleibende Rente. Es gäbe dann nämlich auch nichts zu kaufen.

Aber die Frage ist ja nicht, ob es Pensionen geben wird, sondern wie hoch die sein werden.

Durchaus. Die Pensionsreform 2002/2003, die Änderungen bei der Invaliditätspension und bei der Hacklerpension zielen in diese Richtung. Wir müssen entweder länger arbeiten, oder wer früher in Pension geht, muss größere Abschläge in Kauf nehmen.

Wie dramatisch ist da die demografische Entwicklung?

Die gäbe bei uns kein Problem, wenn das Pensionsantrittsalter und die Pensionshöhe einen demografischen Korrekturfaktor hätten. Wenn das Antrittsalter jedes Jahr mit dem Ausmaß des Zuwachses an Lebenserwartung erhöht würde, wäre das System auch in einer alternden Gesellschaft gut finanzierbar.

Damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt: Das müssten die Jüngeren gegen eine Mehrheit der Älteren durchsetzen.

Das ist zweifellos die Schwierigkeit. Man darf sich einen Generationenkonflikt zwischen Alt und Jung nicht als Auseinandersetzung auf der Straße vorstellen, sondern als Verteilungsfrage. Jedes Budget, das einen höheren Bundesbeitrag für Pensionen und Kürzungen bei Wissenschaft und Bildung beschließt, oder umgekehrt, entscheidet über diese Verteilungsfrage.

Kommt auch wieder eine Phase, in der sich die jetzt ungünstige Altersverteilung umdreht?

Wenn das letzte Mitglied der Babyboom-Generation verstorben sein wird, kommen keine so starken Jahrgänge mehr nach. Geborene der späten 1950er- und 60er-Jahrgänge rücken in absehbarer Zeit ins Pensionsalter ein und werden dann 25 bis 30 Jahre lang Pensionen beziehen. Das heißt, dass nach dem Jahr 2050 mit einer gewissen Entspannung zu rechnen ist. Aber davor haben wir jetzt einmal 35 Jahre, in denen es in die Gegenrichtung geht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2013)

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