Jugendforscher Ikrath sieht wenig Konfliktpotenzial.
Wien. Die Jungen, die sich an den Werten, dem Lebensstil ihrer Eltern reiben, aufbegehren, revoltieren? Das war einmal. Die heutige Jugend ist – im Großen und Ganzen – keine, die mit den Älteren so gar nicht kann.
Zwar ist es, wie es Jugendforscher Philipp Ikrath (Institut für Jugendkulturforschung) formuliert, „ihnen immer noch peinlich, mit der Mutter in die Disco zu gehen“, aber: Die Mutter geht heute auch in die Disco. Soll heißen: In vielen gesellschaftlichen Bereichen – von Konsumverhalten bis Mode – sind die Jugendlichen heute tonangebend. Die Älteren sehen sich lang und gern als „jung geblieben“. Das Problem dabei, aus Sicht der Jungen: „Ihr kultureller Einfluss korrespondiert so gar nicht mit ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung“, so Ikrath. Immer noch verdienen die Älteren besser, sind weniger oft arbeitslos oder geben, schlicht weil sie die größere Gruppe sind, den Ton an.
Daraus entstehe aber kein Generationenkonflikt, sagt Ikrath. Natürlich würden sich Jugendliche darüber ärgern, dass sie weniger verdienen, deutlich länger arbeiten und trotzdem weniger Pension erhalten werden. Aber: „Die Jugendlichen empfinden es nicht so, dass die ältere Generation ihr Erbe aufbraucht. Sie geben die Schuld vielmehr der Politik und dem Wirtschaftssystem.“
Dass der Konflikt zwischen Alt und Jung heute weitgehend fehlt, wie Ikrath meint, liege auch daran, dass es mit den Eltern kaum Differenzen gebe. Dazu beigetragen habe der viel kooperativere Erziehungsstil der vergangenen Jahrzehnte. „Es ist schwierig, gegen eine Autorität aufzubegehren, die es gar nicht gibt.“ Das Fehlen von Reibungspunkten im Elternhaus führe zu mangelndem Revoluzzergeist im Allgemeinen. Was nicht bedeutet, dass man sich den Älteren anbiedert. Vielmehr sei es ein „Nebeneinanderherleben“ zwischen Jung und Alt. Für die Jugendlichen seien die Älteren „eine Generation hoffnungslos altmodischer, dabei aber liebenswert schrulliger Menschen“.
Was die jungen Leute gern am System ändern würden? Schwer zu sagen, sagt Ikrath. „Das ist keine Generation, die ihre Wünsche laut formuliert. Das ist eine sehr reaktive Generation, die sich an die vorgegebenen Umstände anpasst.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2013)