Insolvenz

Unmut wegen Kika/Leiner-Insolvenz: Ein Sanierungsverfahren wurde beantragt

Gemessen an den Mitarbeitern handelt es sich um die größte Insolvenz seit 10 Jahren.
Gemessen an den Mitarbeitern handelt es sich um die größte Insolvenz seit 10 Jahren.APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Die Pleite des Möbelhändlers könnte den Steuerzahlern teuer kommen. Gewerkschaft und Opposition sehen „mehr als schiefe Optik“.

Nach dem Verkauf von Kika/Leiner durch den Tiroler Investor René Benko haben die neuen Eigentümer rund um den steirischen Unternehmer Hermann Wieser am späten Montagnachmittag ein Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt. Dabei könnten auch die Steuerzahler Geld verlieren. Denn in der Coronapandemie wurden dem Unternehmen Steuern gestundet, die Kika/Leiner eigentlich später zurückzahlen sollte. Die Verbindlichkeiten machen insgesamt etwa 150 Mio. Euro aus. Einen Gutteil davon soll die Leiner & Kika Möbelhaus GmbH alleine an gestundeten Steuern zurückzahlen müssen. Auch die laut Transparenzportal mehr als fünf Mio. an Covid-Hilfsgeldern, die zwischen 2020 und 2022 ausbezahlt wurden, könnten zurückbezahlt werden müssen.

Die Quote bei Sanierungsverfahren liegt üblicherweise bei 20 Prozent, sofern der Sanierungsplan angenommen wird. Die öffentliche Hand müsste also bis zu 80 Prozent abschreiben. Das gilt genauso für andere Gläubiger wie Banken oder Lieferanten. Auch die Finanzprokuratur wurde bereits eingeschalten. Sie vertritt als Anwältin der Republik die Interessen der Steuerzahler: „Wir werden uns gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter die Vorgänge, die zur Insolvenz geführt haben und alle wesentlichen Vermögensverschiebungen genau anschauen“, heißt es vonseiten der Finanzprokuratur.

Käufer von Kika/Leiner-Immobilien spendete 2017 40.000 Euro an „Kurz-ÖVP“

An den Vorgängen rund um die Pleite der Möbelkette gibt es laute Kritik. Als „mehr als schiefe Optik“ bezeichnete am Sonntag Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, „dass Kika/Leiner nun mit Steuergeldern abgewickelt wird, während Immobilienmogul Frank Albert mit seiner Supernova-Gruppe von einem Megadeal profitiert“. Alberts Supernova kaufte vor zwei Wochen die Kika/Leiner-Immobilien von Benkos Signa-Gruppe – Medienberichten zufolge lag der Verkaufserlös zwischen 320 und 370 Mio. Euro. Zentrale Standorte, wie jener auf der Mariahilfer Straße, standen nicht zum Verkauf, verbleiben also bei der Signa.

Supernova-Chef Frank „Albert kauft die wertvollen Immobilien und hat kein Problem mit dem maroden Unternehmen, das auf unser aller Kosten abgewickelt wird“, so Vorsitzende Barbara Teiber am Sonntag in einer Aussendung. Sie verweist darauf, dass Albert „im Wahljahr 2017 der Kurz-ÖVP 40.000 Euro über seine Firma BM 454 GRA GmbH und 20.000 Euro über die Supernova-Gruppe“ gespendet hat. „Über 100 Millionen Euro verliert der Steuerzahler, während Kurz-Spender Albert ein gutes Geschäft macht“, so die Gewerkschafterin.

Kritik kam auch aus der FPÖ: „Da verdienen sich durch türkis-schwarze Machenschaften so manche eine ‚goldene Nase‘ und das Ergebnis sind 1900 Kündigungen und eine irrsinnige finanzielle Last für den braven und ehrlichen Steuerzahler“, kritisierte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, ebenfalls in einer Aussendung. „Das ist eine himmelhoch schreiende Sauerei und bedarf einer gerichtlichen Aufarbeitung.“ Der Freiheitliche sprach von der „vermutlich größten Frotzelei der letzten Jahre“.

Neuer Kika/Leiner-Chef gilt als Unbekannte

Hermann Wieser, der das operative Geschäft des Möbelhändlers übernommen hat, verwies darauf, dass es um die Kette wirtschaftlich sehr schlecht stehe. Das Unternehmen schreibt seit 2017 durchgehend rote Zahlen und erwirtschaftet von Jahr zu Jahr weniger Umsatz. Wieser war schon zuvor über viele Jahre in führender Position bei Kika/Leiner sowie beim Konkurrenten XXXLutz tätig, kennt die Branche also. Zuletzt war er selbstständig als Immobilienentwickler. Geschäftsverbindungen zu Benko soll es vor der Kika/Leiner-Übernahme keine gegeben haben, heißt es aus Wiesers Umfeld. Ansonsten weiß man wenig über den neuen Kika/Leiner-Inhaber. Interviews gibt er keine, im Internet findet man keine Fotos von ihm und generell gilt er selbst für Branchenkenner als Unbekannte.

Wurde die Insolvenz hinausgezögert?

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) verwies im Zusammenhang mit dem im Raum stehenden Verlust von Steuergeldern durch ein etwaiges Insolvenzverfahren von Kika/Leiner auf die Finanzprokuratur. Man habe diese „beauftragt, die Interessen der Republik wahrzunehmen“ und zu prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gebe, bekräftigte er am Montag vor Journalisten.

Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, will die Vorgänge rund um den Verkauf von Kika/Leiner sowie eine Kompensation für die Steuerstundungen nun genau prüfen, wie er im „Ö1-Mittagsjournal“ ankündigte. Zum genauen Anteil der Republik an den Verbindlichkeiten der Kette machte Peschorn keine konkreten Angaben. In dem geplanten Sanierungsverfahren werde die Republik jedenfalls aber „ein gewichtiges Wort mitzureden haben“. „Wir haben hier sicherlich die entscheidenden Stimmrechte.“

Zu klären ist aus Sicht von Peschorn auch, ob die Insolvenz der Möbelkette hinausgezögert worden sein könnte. „Das ist alles Gegenstand eines Insolvenzverfahrens. Das ist die Aufgabe des Masseverwalters unter gerichtlicher Aufsicht und mit Unterstützung des Gläubigerausschusses, sich diese Dinge genau anzuschauen. Und es ist auch unsere Aufgabe, hier alles zu prüfen“, sagte Peschorn. Er gehe aber davon aus, „dass alle Beteiligten bestrebt waren, die Gesetze einzuhalten“.

Peschorn vermutet, dass Signa als bisheriger Eigentümer hauptsächlich an Mietengelten aus den Liegenschaften der Kette interessiert gewesen sei. Das Handelsgeschäft habe Signa möglicherweise nur als Mittel zum Zweck gesehen. „Man muss sich anschauen, wie die Verrechnungspreise waren“, so der Finanzprokurator-Chef.

Am Wochenende wurde bekannt, dass dem Unternehmen in der Coronapandemie Steuern gestundet worden waren, die Kika/Leiner eigentlich später zurückzahlen sollte. Man schaue sich „jetzt im Detail an, was überhaupt die Herausforderungen sind“, so Brunner. In den kommenden „Stunden und Tagen“ soll unter Federführung der Finanzprokuratur geprüft werden, „was überhaupt die Konsequenzen sein werden“. Dabei gehe es um unterschiedliche Themenbereiche wie die zur Verfügung gestellten Unterstützungsgelder oder den Insolvenzentgeltfonds, so Brunner.

Details zu Sanierungsverfahren sollen noch am Montag bekannt werden

Von 40 Standorten werden 23 geschlossen. Von den 3900 Beschäftigen verlieren 1900 ihren Job. Sorgen vor Arbeitslosigkeit brauchen sie sich aber nicht machen: andere Handelsketten werben bereits um die Betroffenen. Am Dienstag wird das Sanierungsverfahren offiziell eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Erste Details zum Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung sollen noch am Montag bekannt werden. Kreditschützer warten auf den Insolvenzantrag am Landesgericht St. Pölten.

(APA/Red)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.