Das Ringen um grüne Rechenleistung

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Informatik ist stromintensiv, das bekommen Umwelt und Klima immer deutlicher zu spüren. Dabei gibt es Wege, besondere IT-Umweltsünder wie Rechenzentren an die grüne Leine zu nehmen. 

Wer eine Google-Suche startet, verbraucht in etwa 0,0003 Kilowattstunden (kWh) Strom. Unternehmensangaben zufolge werden weltweit 3,5 Milliarden Suchanfragen pro Tag gestellt. Das ergibt rund eine Million kWh pro Tag – was dem durchschnittlichen Stromverbrauch von mehr als 120.000 österreichischen Zwei-Personen-Haushalten entspricht.

Eine Stunde Videostreaming in Full-HD-Auflösung benötigt bis zu 0,37 Kilowattstunden elektrische Energie, abhängig vom verwendeten Endgerät. Die Zahlen stammen vom deutschen Borderstep Institut, das auch gleich die mit dem Stromverbrauch zusammenhängenden CO2-Emissonen ausgerechnet hat: 175 Gramm pro Stunde. „Videostreaming liegt im Trend. In Deutschland nutzen mehr als 24 Millionen Menschen bereits kostenpflichtige Streamingangebote und verbringen in Summe weit mehr als eine Milliarde Stunden auf diesen Diensten – pro Quartal“, sagt Borderstep Forscher Simon Hinterholzer. Auch hier „lohnt“ sich eine kleine Rechnung zur Veranschaulichung. Vier Milliarden Stunden pro Jahr multipliziert mit 175 Gramm CO2 pro Stunde ergeben 700.000 Tonnen CO2. Zur Einordnung: Die Höhe der energiebedingten CO2-Emissionen durch den gesamten Verkehr in Deutschland beziffert das Institut Statista mit 400.000 Tonnen pro Tag.

Rechenbeispiele dieser Art könnten beliebig fortgesetzt werden. Oder man begnügt sich mit einer Zahl, welche die ganze Tragweite der energieintensiven Digitalisierung plakativ auf den Punkt bringt: Gemäß einer Schätzung von Greenpeace ist das Internet weltweit für den Ausstoß von etwa 800 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich – ähnlich viel wie ganz Deutschland.

Umweltsünder Rechenzentrum

Eine zentrale Rolle nehmen dabei Rechenzentren ein, die immer mehr und immer leistungsfähiger werden. Laut Statista-Prognose wird die weltweit installierte Datenspeicherkapazität voraussichtlich von 6,7 Zettabyte (ZB) im Jahr 2020 auf rund 16 Zettabyte im Jahr 2025 ansteigen. Ein Zettabyte entspricht rund einer Trilliarde Bytes und bietet beispielsweise ausreichend Platz für mehr als 12 Millionen 4K-Videos. Die Speicher- und Verarbeitungsmöglichkeiten von Daten beschleunigen die digitale Transformation. Der Preis dafür ist der enorme Energieverbrauch.

In den Vereinigten Staaten, wo rund ein Viertel aller weltweiten Server in Datacenters steht, sind Rechenzentren für knapp zwei Prozent des Stromverbrauchs des Landes und für rund 0,5 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. So lautet das Ergebnis der Studie „The environmental footprint of data centers in the United States“ des indischen Digitalisierungsforschers Md. Abu Bakar Siddik. Siddik untersuchte zudem den für den Betrieb notwendigen Wasserkonsum im Detail. Wasser wird sowohl direkt für die Flüssigkeitskühlung benötigt als auch indirekt für die Stromerzeugung. Umweltschutz wird dabei scheinbar nicht großgeschrieben: „Unsere Studie zeigt, dass ein Fünftel des direkten Wasser-Fußabdrucks von Rechenzentrumsservern aus mäßig bis stark wasserbelasteten Wassereinzugsgebieten stammt, während fast die Hälfte der Server ganz oder teilweise von Kraftwerken in wasserbelasteten Regionen betrieben wird.

Schnelle Lösungen für Unternehmen

Um den ökologischen Fußabdruck von Servern zu verringern, gibt es laut Experten einfache Dinge, die Unternehmen sofort tun können. „Zuallererst empfiehlt sich der Wechsel zu umweltfreundlichen Stromanbietern. Damit verkleinert man nicht nur den Carbon-Footprint, sondern auch die Luft- und Wasserverschmutzung. Das schützt natürliche Lebensräume und unterstützt die Entwicklung nachhaltiger Gemeinschaften“, sagt Nikita Belov, Produktmanager bei USU, einem Spezialisten für die Digitalisierung von IT- und Kundenservices. Wird ein Rechenzentrum in der Cloud betrieben, lassen sich die Messinstrumente oder die Dokumentation des Anbieters nutzen, um die ökologischen Auswirkungen abzuschätzen. Belov empfiehlt zudem die Implementierung einer Reduktionsstrategie: „Es gilt, die Anzahl der Server in der IT-Umgebung zu reduzieren, indem zu wenig genutzte Server abgeschrieben oder effizientere physische und virtuelle Technologien eingesetzt werden.“

Je größer, desto effizienter

Interessant ist auch der Wechsel in eine öffentliche Cloud. Laut Belov gilt die Faustregel: Je größer ein Rechenzentrum ist, desto effizienter arbeitet es. „Aus diesem Grund ist der CO2-Fußabdruck pro Quadratmeter bei Hyperscale-Cloud-Anbietern wie AWS, Azure oder Google Cloud fünf Mal kleiner als bei einem internen Rechenzentrum. Die gleiche Logik gilt für den Wasserverbrauch. Hyperscale-Rechenzentren sind im Vergleich zu internen Rechenzentren sechs Mal wassersparender“, beruft sich Belov auf Ergebnisse der US-amerikanischen Siddik-Studie. Ein weiterer Ratschlag des Digitalisierungsexperten: „Man sollte überflüssige Software vermeiden. Der Einsatz von ausschließlich relevanter Software trägt dazu bei, die Energieeffizienz zu verbessern.“ Große Unternehmen neigen laut Belov oft dazu, zu viele Softwarelizenzen zu erwerben, was zu einer ineffektiven oder unnötigen Softwarenutzung in den Rechenzentren führt: „Infolgedessen benötigen Sie mehr Server, Virtual Machines, Speicher und Energie, um all das zu betreiben. Durch die Reduzierung oder Optimierung der Softwarenutzung lässt sich die Anzahl der Geräte verringern und die Umweltbelastung der IT-Infrastruktur signifikant reduzieren.“

Energie sparen auf Software-Seite

Häufig haben Unternehmen bei ihren Nachhaltigkeitsbemühungen vor allem die Hardware im Blick und übersehen, dass sich auch auf Software-Seite viel Strom sparen lässt“, bestätigt Huamin Chen, Senior Principal Software Engineer beim Softwarehersteller Red Hat, ein Anbieter von Open-Source-IT-Lösungen. „Das gelingt jedoch nur, wenn sie in der Lage sind, den Energiebedarf ihrer Arbeitslasten zu ermitteln, damit sie Einspar- und Optimierungspotenziale überhaupt erkennen“, so Chen, der in diesem Zusammenhang auf das Kepler-Projekt verweist. Kepler steht für Kubernetes-based Efficient Power Level Exporter und wurde von der Red Hat Emerging Technologies Group ins Leben gerufen. IBM Research und Intel haben bereits früh zu dem Open-Source-Projekt beigetragen, dessen Entwicklung von einer starken Community vorangetrieben wird. „Kepler erfasst verschiedene Metriken zum Stromverbrauch über eine Vielzahl von Plattformen hinweg. Daraus generiert es Berichte und prognostiziert auf Basis von Regressionsmodellen den zukünftigen Bedarf, sodass Unternehmen ihren Stromverbrauch insgesamt besser verstehen“, erklärt Chen. Der Kepler Model Server passe seine vortrainierten Modelle kontinuierlich an und verbessert sie mithilfe der Stromverbrauchsdaten, die Agenten von Kepler auf den einzelnen Rechnerknoten zusammentragen. Auf diese Weise optimiert das Tool seine Berechnungen immer weiter, um bestmöglich auf die individuellen Systeme und Anforderungen des jeweiligen Unternehmens einzugehen.

„Mit dem durch Kepler gewonnenen Wissen können Entscheidungsträger dann besser einschätzen, wie sie den Energieverbrauch optimieren, steigende Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen und die Ziele ihres Unternehmens am besten erreichen“, so Chen mit Verweis auf den Open-Source-Charakter: „Künftige Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit entwickeln sich schneller durch die Zusammenarbeit der Open-Source-Community. Deshalb ist Red Hat dabei, Kepler in die Cloud Native Computing Foundation Sandbox einzubringen, sodass deren Mitglieder erkunden können, wie sie Kepler in eigene Anwendungsfälle integrieren.“

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