Wort der Woche

Lebensmittel sind teuer

Die Herstellung und der Konsum von Lebensmitteln verursachen hohe Kosten, von denen nicht einmal ein Drittel durch den Verkaufspreis abgedeckt ist.

U nser Lebensmittelsystem ist nicht nachhaltig, meint die UN-Ernährungsorganisation FAO – es bringe erhebliche ökologische, soziale und gesundheitliche Kosten mit sich. Die vielfältigen Auswirkungen der Herstellung und des Konsums von Nahrungsmitteln sind kaum zu überblicken. Die Liste an Themen reicht von Treibhausgasen, Pestiziden und Erosion über ungenügende bzw. unausgewogene Ernährung, Tierwohl und Kinderarbeit bis hin zu Lebensmittelverschwendung und Antibiotikaresistenzen. All das verursacht Kosten – vielfach sind das „externe“ Kosten, die durch den Preis der Produkte nicht abgedeckt sind. Sie werden vielmehr von der Allgemeinheit getragen (Steuern etc.) oder auf die nächsten Generationen abgewälzt.

Seit einiger Zeit wird unter dem Schlagwort „True Cost Accounting“ (TCA) versucht, all diese Kosten zu beziffern. So hat etwa der deutsche Ressourcenökonom Tobias Gaugler (TH Nürnberg) vor einigen Jahren berechnet, dass Paradeiser um zwölf, Mozzarella um 52 und gemischtes Faschiertes sogar um 173 Prozent höhere Kosten verursachen, als durch die Verkaufspreise abgedeckt ist.

Das Problem an solchen Berechnungen ist, dass es nur wenige belastbare Zahlen gibt. Doch die Datenlage verbessert sich. Die bislang umfassendste Analyse stammt von Forschenden um Sheryl Hendriks (Uni Pretoria) im Auftrag des UNFSS (UN Forum on Sustainability Standards). Unter Einbeziehung von Umweltschäden, Treibhausgasen, Landnutzungsänderungen sowie Folgekosten von Fehlernährung (Diabetes, Herz-Kreislauf, Krebs) ergeben sich Kosten des weltweiten Lebensmittelsystems in der Höhe von fast 29 Billionen US-Dollar; davon sind sieben Bio. Dollar Umwelt- und mehr als zwölf Bio. Dollar Gesundheitsfolgekosten – bei einem Marktwert der Produkte von neun Bio. Dollar (doi 10.1007/978-3-031-15703-5?32). Und dabei sind bei Weitem noch nicht alle Faktoren berücksichtigt.

Die Frage ist nun, was man mit diesem Wissen anfangen soll. Denn alle Kosten auf die Preise umzulegen – sie komplett zu „internalisieren“ –, ist undenkbar; schon jetzt hungern 800 Mio. Menschen. Dennoch sind die Daten wertvoll: zum einen für politische Entscheidungen etwa für Vorgaben oder Anreize für Produzenten – so ist nun z. B. belegbar, dass pflanzliche Ernährung und Biolandbau gesamtwirtschaftlich billiger sind; und zum anderen zur Schärfung des Bewusstseins, dass jede Konsumentscheidung sehr weitreichende Folgen hat.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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