Literatur

Rätsel Ernst Jandl: Die erste Biografie über den „schtzngrmm“-Dichter

Ernst Jandl 1984 mit der Dichterin Friederike Mayröcker, seiner Gefährtin bis zuletzt.
Ernst Jandl 1984 mit der Dichterin Friederike Mayröcker, seiner Gefährtin bis zuletzt.Franz Hubmann
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Hans Haiders Buch über den mit seiner Lautpoesie bis heute begeisternden österreichischen Lyriker erfüllt höchste Ansprüche - gerade weil sie den Dichter nicht zu erklären versucht.

Zu Beginn der neuen und zugleich ersten Biografie über Ernst Jandl begegnet uns der Dichter Ernst Jandl als mindestens physisch niedergedrückter Mensch auf den Straßen Wiens, spazierend mit seiner geliebten Friederike Mayröcker „aus dem IV. Bezirk ins Café Museum nahe der Oper, zu Konzerten im Musikverein oder zum Burgkino“: „Bedächtig setzte er mit zumeist schräg gesenktem Kopf Schritt vor Schritt. Das fast kahle Haupt barg er unter einer Kappe. Sein gefütterter Trenchcoat um den massigen Leib war Jahrzehnte alt und schlabberte nun überlang, denn die Wirbelsäule seines Trägers hatte nachgegeben.“

So bekamen Passanten den alten Jandl oft zu sehen. Hans Haider war kein Passant, sondern ein langjähriger Freund. Er steckt auch hinter „er2“ in Jandls Stück „Aus der Fremde“, dem neuen Nachbarn, der kurz vorbeischaut. In Jandls und Mayröckers Leben schaute Haider nicht nur kurz vorbei.

Statt jedoch die Nähe zu betonen, nimmt er sich in seiner Biografie des Dichters zurück. Er betont die „Beschränkung auf nachprüfbare Fakten“ schon mit dem nüchternen Titel „Ernst Jandl 1925–2000. Eine konkrete Biografie“ und mit der Versicherung, er wolle sich das „Subjektive“ und „feuilletonistische Ausschmückungen“ versagen (die für den langjährigen Journalisten und einstigen Kulturchef der „Presse“ zweifellos ein Leichtes wären). Hinter dieser Bescheidenheit, merkt man freilich bald, steckt höchster Anspruch.

Gerettete „Oral history“ über Ernst Jandl

Haider hat Auskünfte unzähliger Menschen rund um Jandl, von Verwandten bis Schülern und Ärzten, gesammelt und damit in die Nachwelt gerettet. Er hat sich in Archivmaterial von den USA bis Osteuropa gegraben. In ihrer Überfülle an Details wird diese Biografie, die am Donnerstag in Mürzzuschlag, im September dann im Wiener Volkstheater präsentiert wird, als Forschungsgrundlage zu Jandl künftig unverzichtbar sein. Ein Buch mit solchem wissenschaftlichen Anspruch aber auch noch zum außergewöhnlichen Leseerlebnis zu machen, ist eine rare Kunst. Hier bekommt man sie vorgeführt.

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