Gehobene Gastronomie

Ist der Gast immer noch König?

Christine Pichler
  • Drucken

Vier Gastronomen über überholte Etikette, unbeliebte Gäste und niederschwellige gehobene Gastronomie.

In den Restaurants steht es um die Monarchie herzlich schlecht. Denn als König herrschte der Gast einst durchaus despotisch. Zu den absurdesten Auswüchsen dieses Missverhältnisses zählten Anfang des Jahres jene Liegestütze, die Influencer Jeremy Fragrance für ein paar zusätzliche Klicks beim Nobelitaliener in der Wiener Innenstadt vorzeigte. Man denke auch an Lars Eidinger, der sich in Instagram-Storys im gehobenen Restaurant einst ein Paar Würstel in die Nase steckte. Oder an die vielen Hobbyfotografinnen und Möchtegern-Influencer, derentwegen Juan Amador das Fotografieren in seinem Restaurant untersagte. Nicht selten wollen die reichweitenstärksten unter ihnen ein Gratisessen bekommen. Und dann sind da noch die vielen Laien-Foodkritiker und -Weinexpertinnen, die am liebsten ihr eigenes Menü zusammenstellen würden oder selbst das Fleisch auf den Punkt braten. Besonders treffsicher dargestellt wurde letztere Art von Gast jüngst im Film „The Menu“ mit Ralph Fiennes und Anya Taylor-Joy — und auch dort, kann man spoilern, geht das nicht gut für die Restaurantbesucher aus.

Im Haus der anderen

Passieren kann einem in der R&Bar, einem angesagten Weinlokal im Siebenten, nicht wirklich etwas. Wer sich als Gast im Ton vergreift, muss aber mit einer schneidigen Antwort rechnen. Ein bisserl Sarkasmus darf nämlich schon sein, wenn es nach Gastgeber Stephan Martin geht. Etwa dann, wenn wieder einmal diskutiert werden muss, ob der letzte Tisch im Lokal um drei Uhr morgens noch Nachschub bekommt (die Bar schließt offiziell um Mitternacht). „Man kann den Spieß durchaus auch umdrehen und den Gast aus der Kanzlei fragen, ob man nach Dienstschluss noch zur Beratung kommen kann“, sagt Martin. Ein paar fühlen sich dann auf den Schlips getreten, andere nehmen es mit Humor, zeigen sich einsichtig. „Die Vorstellung, dass man essen geht und sich bedienen lässt, ist, glaube ich, der falsche Zugang. Ich wollte immer, dass sich die Gäste so fühlen, als wären sie bei uns zu Hause.“ Der entsprechende Respekt wird aber auch erwartet.

»Wenn sich Gäste leiwand verhalten, kann man ihnen das auch sagen.«

Wem ein Glas kaputtgeht, der entschuldigt sich, wer etwas möchte, sagt Bitte und Danke, wie im Heim der anderen eben. „Auf unsere Polstermöbel wurde mal was ausgeschüttet. Da war ein Riesenfleck, und die Gäste haben den Sitzpolster einfach umgedreht.“ Ein anderes Mal kippte im hinteren Raum der Bar zu später Stunde ein Tisch, in Mitleidenschaft gezogen wurden ein Haufen Gläser und eine der Stehlampen. „Ich hab’ damals zu der Partie gesagt, wir müssen da eine Lösung finden, woraufhin die meinten, wir waren das nicht“, erinnert sich Martin. „Wenn sie gesagt hätten: ,Hey, sorry, ich hab’ mich da aufgestützt und der Tisch ist umgeflogen, die Lampe ist hin‘, o.  k., aber das abzustreiten und uns für blöd zu verkaufen ist nicht wirklich respektvoll.“ Das Level an Freundlichkeit, Herzlichkeit und Respekt sei ausbaufähig, die Etikette hingegen weniger wichtig.

Es gibt aber auch die guten Gäste, die sich „super­leiwand“ verhalten und in der R&Bar auch durchaus einmal gelobt werden. Denn Lob gebühre nicht nur dem Service. „Die Leute sollen ihre Art ja nicht verlieren“, so Martin. Man kann sie also wissen lassen, wenn man den Abend mit ihnen genossen hat.

Auf Augenhöhe

Flachere Hierarchien zwischen Gast und Wirt gehen auch oft ganz bewusst Hand in Hand mit dem zunehmenden Verzicht auf Formalitäten und Etikette, angefangen hat das übrigens im skandinavischen Bereich. „Wir wollten von Anfang an, dass in unseren Restaurants jede Etikette erlaubt ist, wir sind große Gegner von Schwellenangst“, sagt Konstantin Filippou, der das gleichnamige Zwei-Sterne-Restaurant, sowie das Bistro O Boufé in Wien betreibt. Damit der Austausch auf Augenhöhe trotzdem reibungslos funktioniert, brauche es trotzdem ein paar Regeln und viel Kommunikation.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.