Konferenz in London

Für Wiederaufbau der Ukraine ist eine Billion Dollar nötig

Wolodymyr Selenskijs Videobotschaft bei der Ukraine-Konferenz in London.
Wolodymyr Selenskijs Videobotschaft bei der Ukraine-Konferenz in London. Reuters / Pool
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Westen überlegt, wie eingefrorene russische Konten eingesetzt werden können Selenskij dämpft Erwartungen in Offensive.

Rishi Sunak schien leichtert, die innenpolitischen Turbulenzen um die Tories und Boris Johnson und das wöchentliche Rededuell mit Labour-Chef Keir Starmer in der Fragestunde im Unterhaus für eine Weile hinter sich zu lassen. Nach der ersten Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine im Vorjahr im schweizerischen Lugano rief der britische Premier zu einer zweitägigen Neuauflage in London.

Eine Mammutaufgabe für den Westen: Nach Schätzungen – und heutigem Stand – sind für die Instandsetzung des Landes rund 400 Milliarden Dollar vonnöten. Manche Experten gehen letztlich sogar von einer Finanzhilfe von mehr als einer Billion Dollar aus. Allein die Umweltschäden durch den Bruch des Kachowka-Staudamms am Dnipro bezifferte Denys Schmyhal, der ukrainische Premier, mit 1,5 Milliarden Dollar.

„Russland muss bezahlen“

Er bekräftigte eine Forderung Kiews, der sich Sunak anschloss: „Russland muss für das bezahlen, was es zerstört hat.“ Das bleibt zunächst wohl eine Wunschvorstellung. Und so kam neuerlich die Idee aufs Tapet, die eingefrorenen russischen Vermögen auf Banken in den USA, Großbritannien, der EU und der Schweiz für den Wiederaufbau abzuzweigen. Die Konten summieren sich auf 300 Milliarden Dollar. Es ist indes ein heikles juristisches Unterfangen, weshalb die Regierung in London eine gesetzliche Grundlage für die Enteignung des russischen Kapitals vornehmlich von Oligarchen schaffen will.

Deklariertes Ziel Sunaks ist es überdies, private Investoren anzulocken und durch staatliche Garantien abzusichern. So soll der Wiederaufbau von Infrastruktur, Spitälern und Wohnblocks zu einem Gutteil finanziert werden. Rund 400 Unternehmen haben ihre Bereitschaft bekundet.

Elftes Sanktionenpaket der EU

In Brüssel hat sich die EU indessen auf ein weiteres, das insgesamt elfte Sanktionenpaket gegen Russland geeinigt. Es umfasst ein Instrument gegen die Umgehung der bisherigen Strafmaßnahmen. Unter den Ländern, die den Import nach Russland ermöglichen, sind unter anderem Kasachstan, Armenien, die Vereinigten Arabischen Emirate und China. Die EU attestiert der Türkei dagegen einen gewissen Fortschritt.

Aus der EU kam eine Finanzzusage von 50 Milliarden Dollar und eine Wiederholung der EU-Beitrittsperspektive durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der Kampf gegen Korruption und die Reform des Verfassungsgericht seien allerdings weiterhin auf der Mängelliste und blieben somit Hürden für eine EU-Mitgliedschaft, heißt es in einem Zwischenbericht.

„Echte Projekte“

US-Außenminister Antony Blinken versprach 1,3 Milliarden Dollar zusätzlich zu den bisher geflossenen 20 Milliarden Dollar und der massiven Militärhilfe. Österreich sagte 18 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds zu; ein Teil davon ist für die Republik Moldau reserviert. Außenminister Alexander Schallenberg nutzte den Besuch in London zu Treffen mit Kollegen, unter anderem mit dem Ukrainer Dmytro Kuleba und mit Hakan Fidan, dem neuen türkischen Außenminister.

Im Gegensatz zu Premier Schmyhal war Wolodymyr Selenskij nicht nach London gereist. In seiner Video-Ansprache appellierte der ukrainische Präsident: „Wir müssen von der Vision zur Vereinbarung kommen, und von der Vereinbarung zu echten Projekten.“ Zudem stellte er in Zukunft die Lieferung von Wasserstoff in Aussicht.

„Kein Hollywood-Film“

In einem BBC-Interview hatte Selenskij auch eine ernüchternde Botschaft in petto: Die Fortschritte bei der Gegenoffensive seien „langsamer als gewünscht“. Dies sei „kein Hollywood-Film“, betonte er. Die Verminung des von Russland besetztem ukrainischen Territorium – eine Fläche von 200.000 Quadratkilometern – erschwere den militärischen Vorstoß. Die Ukraine, so der Präsident, werde sich jedoch nicht von der Erwartungshaltung unter Druck setzen lassen. Die Offensive in Richtung Melitopol und zum Asowschen Meer im Süden gehe weiter, meldete das Verteidigungsministerium in Kiew. Im Osten berichtete es von schweren Kämpfen, aber von Geländegewinnen. (vier/ag.)

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