Niederösterreich

Hergovich mit 96,2 Prozent zum neuen Chef der SPÖ NÖ gewählt

Sven Hergovich erhielt 326 von 339 Stimmen bei einem außerordentlichen Landesparteitag in St. Pölten.
Sven Hergovich erhielt 326 von 339 Stimmen bei einem außerordentlichen Landesparteitag in St. Pölten.TOBIAS STEINMAURER
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Der 34-Jährige tritt offiziell die Nachfolge von Franz Schnabl an. „Wir werden
gemeinsam das schwarz-blaue System beenden“, verkündigte der neue Landesparteichef in seiner Dankesrede.

Der Generationenwechsel an der Spitze der SPÖ Niederösterreich ist vollzogen: Sven Hergovich wurde am Samstag bei einem außerordentlichen Landesparteitag in St. Pölten mit 96,2 Prozent zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der 34-Jährige folgt damit auch offiziell auf den 30 Jahre älteren Franz Schnabl. Der neue Landesparteichef machte eine „Kampfansage an das schwarz-blaue System“. Hergovich und Bundesvorsitzender Andreas Babler erhielten Standing Ovations.

Bei der Veranstaltung mit dem Motto „Neustart für unser Niederösterreich“ in der Glanzstoff-Konerei waren 341 Delegierte anwesend. 339 Stimmen wurden abgegeben, davon entfielen 326 auf Hergovich. Gegenkandidaten gab es keine. Der neue Landesparteichef sprach von einem Zeichen, dass die SPÖ geeint sei. „Wir werden gemeinsam das schwarz-blaue System beenden“, sagte Hergovich. Der jüngste Landesparteivorsitzende in der Geschichte der SPÖ Niederösterreich will als „Kontroll-Landesrat“ in der Proporz-Landesregierung agieren und ÖVP sowie FPÖ auf die Finger schauen. Er werde immer dafür kämpfen, „dass es der normalen Bevölkerung, den arbeitenden Menschen, denen, die es sich nicht richten können, besser geht“, betonte Hergovich weiters.

Schnabl, der nun als „einfacher“ Abgeordneter im Landtag sitzt, hatte im Juni 2017 bei seiner ersten Wahl zum Landesparteivorsitzenden 98,8 Prozent erreicht. Im September 2018 waren es 86, im Oktober 2022 schließlich 89 Prozent.

SPÖ Niederösterreich soll geschlossen hinter Babler stehen

Nach dem SPÖ-internen Wahlkampf betonte Hergovich: „Egal, wo jeder einzelne von uns noch im Mai gestanden ist: Jetzt sind wir wieder geeint, jetzt ziehen wir wieder alle an einem Strang - und zwar alle in eine Richtung.“ Die SPÖ Niederösterreich „steht stolz, geschlossen und einig hinter dir“, sagte der 34-Jährige, der als Unterstützer von Bablers Konkurrenten Hans Peter Doskozil galt, in Richtung des neuen Vorsitzenden. Beim nächsten Parteitag werde dieser nicht nur Bundesparteichef, sondern auch Bundeskanzler sein.

„Wir stehen am Beginn eines neuen Weges, der uns auch zu neuer Stärke führen wird“, sagte Hergovich. Der Parteitag sei ein „kraftvolles Lebenszeichen“ der niederösterreichischen Sozialdemokratie - „oder - um es mit den freundlichen Worten unserer Landeshauptfrau (Johanna Mikl-Leitner, ÖVP, Anm.) zu sagen: Das rote Gsindl lebt! Mit uns ist zu rechnen!“, sagte Hergovich, der mit seiner Rede auch für den ein oder anderen Lacher unter den rund 750 Teilnehmern sorgte. Er dankte seinem Vorgänger Schnabl, der die niederösterreichische SPÖ mit großem Einsatz durch eine besonders schwierige Zeit geführt habe.

Viel Kritik an Volkspartei

Viel Kritik übte Hergovich an der Volkspartei, die Niederösterreich als ihr Eigentum sehe, für ihn sei es seine Heimat. Ziel sei, „endlich die Allmacht der ÖVP in diesem Land zu brechen“. Zu den gescheiterten Verhandlungen über ein Arbeitsübereinkommen nach der Landtagswahl meinte der Sozialdemokrat, die Volkspartei „wollte von Anfang an eine Koalition mit der FPÖ“ und habe mit der SPÖ „scheinverhandelt“: „Wahr ist: Die ÖVP hat die Menschen im Land angelogen“, dafür werde sie bei der nächsten Wahl die Rechnung bezahlen müssen.

Hergovich will als „Kontroll-Landesrat“ agieren, „ganz genau hinschauen, wo jeder Cent hinfließt“ und „wo in Niederösterreich das Geld versickert“, damit wieder mehr für Dienstleistungen für die Niederösterreicher bleibe. Zu viele Mittel würden für Landesgesellschaften, Werbemittel und Förderungen verwendet, das „müssen wir und werden wir beenden“, erklärte der Sozialdemokrat. Der Neo-St. Pöltner ist als Landesrat für kommunale Verwaltung und Baurecht zuständig.

„Ich möchte, dass die SPÖ jünger und weiblicher wird“

„Wir sind nicht das Bordell des Superreichen. Wir sind nicht die Hure der Reichen“, hielt Hergovich fest. In Zeiten der Teuerung ließen die Regierenden die Bevölkerung im Stich. Die Lösungen würden auf dem Tisch liegen: Gas-und Strompreisdeckel, Heizkostenstopp, Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und Mietpreisbremse. Die SPÖ kämpfe dafür, „dass man sich das Leben endlich wieder leisten kann“. Hergovich forderte unter anderem Löhne und Pensionen, von denen man leben kann, Jobgarantie für Langzeitarbeitslose in ganz Niederösterreich, Gleichstellung von Frauen und Investitionen in den ländlichen Raum. Weiters bekannte er sich zum Klimaschutz, Nachholbedarf sieht er bei der Kinderbetreuung.

Eine Parteireform soll die SPÖ NÖ demokratisieren und modernisieren, auch die Rolle und der Einfluss der Jugend soll gestärkt werden. „Ich möchte daran arbeiten, dass unsere Partei jünger und weiblicher wird“, betonte Hergovich.

Babler will „raus aus den Sälen, auf die Straßen“

Genau drei Wochen nach dem Auszählungsdebakel beim SPÖ-Sonderparteitag in Linz trat Babler beim Landesparteitag in seinem Heimatbundesland ans Rednerpult. Der Bundesrat und Bürgermeister von Traiskirchen (Bezirk Baden) betonte: „Wir können Wahlen nur gewinnen, wenn wir Menschen in Stadt und Land von der Sozialdemokratie überzeugen. Wir müssen gemeinsam raus aus den Sälen, aus den Hinterzimmern, aus den Strategiebesprechungen, auf die Plätze, die Straßen, in die Fabriken“, sagte Babler, der ebenso wie Hergovich viel Applaus bekam. Es sei wichtig, „niemanden zurückzulassen“: „Es wird niemals radikal für mich sein, auf der Seite unserer Leute zu stehen.“

„Diese Regierung ist eine Regierung der Reichen“, meinte Babler mit Blick auf die Kika/Leiner-Insolvenz. Die Freiheitlichen „wollen mit aller Macht an den Futtertrog“, das gelte auch für die Volkspartei in Land und Bund. Die Sozialdemokratie müsse „bestimmendste und stärkste Kraft sein“, um ÖVP und FPÖ von der Regierung fernzuhalten. Nach dem SPÖ-internen Wahlkampf werde die Partei demnächst die Grenze von 150.000 Mitgliedern wieder überschreiten.

Schlechtestes Ergebnis für SPÖ Niederösterreich im Jänner

Hergovich hat nach dem Desaster bei der Landtagswahl Franz Schnabl an der Spitze der SPÖ Niederösterreich abgelöst. Die Sozialdemokraten hatten am 29. Jänner lediglich 20,65 Prozent verbucht (minus 3,27 Prozentpunkte). Damit wurde das schlechteste Ergebnis aller Zeiten (zuvor 21,57 Prozent im Jahr 2013) eingefahren. Zudem landete die SPÖ erstmals nur auf Platz drei hinter der FPÖ. Hergovich wurde am Tag nach der Landtagswahl von Präsidium und Vorstand einstimmig zum neuen Landesparteichef designiert. Schnabl wünschte seinem Nachfolger am Samstag „alle unsere Unterstützung und viel Kraft“.

Glückwünsche für Hergovich kamen von der Bundespartei und auch von der oberösterreichischen Landespartei. Der Landesgeschäftsführer der ÖVP NÖ, Bernhard Ebner, reagierte ebenfalls prompt in einer Aussendung auf die Wahl: „Ich empfehle der SPÖ dringend, zu einem konstruktiven Weg für Niederösterreich zurückzufinden und ihre Extrempositionen gegen Land und Landsleute zu überdenken.“ (APA)

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