Wien

Vereitelter Pride-Anschlag: Politologe Hafez zieht Vergleich zur „Operation Luxor“

Der auf Islamophobieforschung spezialisierte Politikwissenschaftler Farid Hafez
Der auf Islamophobieforschung spezialisierte Politikwissenschaftler Farid Hafez(c) Presse, Clemens Fabry
  • Drucken

„Auch damals hat man den Terrorbegriff ohne jegliche Grundlage verwendet“, erinnert der auf Islamophobieforschung spezialisierte Politikwissenschaftler Farid Hafez an den November 2020 in Wien.

Der auf Islamophobieforschung spezialisierte Politikwissenschaftler Farid Hafez sieht bei den Ermittlungen zum angeblich vereitelten Anschlag auf die Wiener Pride-Parade am 17. Juni Parallelen zur umstrittenen „Operation Luxor“. „Auch damals hat man den Terrorbegriff ohne jegliche Grundlage verwendet“, sagte Hafez, gegen den selbst im Zuge von „Luxor“ ermittelt worden war. Die Staatsanwälte-Vereinigung äußerte sich indes am Wochenende zu einem Ermittlungs-„Dilemma“.

„In beiden Fällen sind Ermittlungen begonnen worden. In beiden Fällen haben sich die verantwortlichen Behörden inszeniert und in beiden Fällen hat man den Terrorbegriff ohne jede Substanz verwendet“, vergleicht Hafez im Gespräch mit der APA die jüngsten Terror-Ermittlungen der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) mit jenen im Zuge der „Operation Luxor“.

Der DSN-Leiter Omar Haijawi-Pirchner hatte am Tag nach der Regenbogenparade die Ermittlungen wegen terroristischer Vereinigung und die Festnahmen von drei Verdächtigen im Alter von 14, 17 und 21 auf einer Pressekonferenz kommuniziert - inzwischen sind allerdings alle drei Beschuldigten wieder auf freiem Fuß, der Älteste mangels dringenden Tatverdachts, die beiden anderen wurden wegen gelinderer Mittel enthaftet. Dass seitens der DSN ein verhinderter Anschlag kommuniziert wurde, wobei die dahin gehenden zentralen Informationen offenbar von einem ausländischen Nachrichtendienst stammten, die noch nicht freigegeben und damit nicht gerichtsverwertbar sind, sei „hochproblematisch für jede Art von demokratischer Gesellschaft, wo es Checks and Balances geben sollte“, warnte Hafez.

„Misstrauensvorschuss gegenüber der DSN“

Dass in Österreich „Sicherheitsdienste ohne jede Kontrolle agieren und autoritäre Maßnahmen umsetzen“, sei für ihn höchst bedenklich: „Das passiert immer auch zum Leidwesen von marginalisierten Gruppen wie diesen Burschen, die wahrscheinlich keine Ahnung haben, in was sie da hineingezogen worden sind.“ Die Forderung der DSN nach mehr Befugnissen zur Überwachung moderner Nachrichten- und Messengerdienste vor dem Hintergrund der Ermittlungen gegen die drei Beschuldigten, sei „ein sehr eigenartiges Timing“. Auf Basis seiner eigenen Erfahrungen gelte für ihn „grundsätzlich ein Misstrauensvorschuss gegenüber der DSN“, sagte Hafez: „Das ist keine seriöse nachrichtendienstliche Arbeit, in den Akten zu den Ermittlungen gegen mich, die ich hier erkennen kann.“

Auch die Verteidiger der jugendlichen Terrorverdächtigen hatten zuletzt die DSN kritisiert. „Hier wird etwas behauptet, das es nicht gibt. Es wurde nie ein Anschlag geplant“, erklärte der Rechtsvertreter des 17-Jährigen, Markus Sommerauer. „Es gibt keine Chats, es gibt keine Screenshots. Es gibt einzig und allein eine Zusammenfassung der DSN, die sich auf angebliche Informationen eines ausländischen Nachrichtendienstes bezieht. Damit wird eine gewisse Beweislage aufgebaut, aber die Quelle wird nicht offen gelegt.“ Der Wiener Anwalt Andreas Schweitzer, der den 14-Jährigen vertritt, unterstellte der DSN einen „eklatanten Verstoß gegen gesetzliche Normierungen“, der „einzig und allein“ dazu gedient habe, „dass der Beschuldigte (gemeint: der 14-Jährige, Anm.) aufgrund nicht näher verifizierter Behauptungen festgenommen wurde“.

Zu dieser Problematik nahm am Wochenende auch die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Stellung. „Es ist ein ernst zu nehmendes Dilemma, auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft: Der Staatsschutz berichtet von Hinweisen ausländischer Dienste auf potenzielle terroristische Straftaten, die konkreten Beweise werden vom Ausland jedoch nicht zur Verwendung freigegeben. Dies birgt die Gefahr, entweder Anschlagspläne nicht aufklären zu können, oder auf dünner Beweislage handeln zu müssen, mit dem Risiko, dass sich der Verdacht nicht bestätigt und die getroffenen Maßnahmen nachträglich als überzogen beurteilt werden“, äußerte sich die Vereinigung auf Twitter. Sie forderte „eine offene und ehrliche Diskussion über einen Kompromiss zwischen Datenschutz und notwendigen Ermittlungsmaßnahmen in Ausnahmefällen, um dieses Dilemma aufzulösen“.

Rückkehr nach Österreich vorerst ausgeschlossen

Farid Hafez war als Politologe mit Schwerpunkt Rassismusforschung unter anderem wegen seiner durchaus kontrovers diskutierten Islamophobie-Studien als mutmaßlicher Muslimbruder ins Visier der Behörden im Zuge der „Operation Luxor“ geraten. Im heurigen Jänner wurde sein Verfahren in Ermangelung „eines Substrates“ eingestellt. In den bisherigen Ermittlungsergebnissen sei nichts erkennbar, das den Verdacht tragen würde, Hafez „habe sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung, kriminellen Organisation oder an einer auf Österreich bezogenen staatsfeindlichen Verbindung beteiligt, derartige Personenverbindungen sonst auf irgendeine Weise unterstützt oder terroristische Aktivitäten finanziert“, hatte der „Standard“ damals aus dem Einstellungsbeschluss zitiert. Auch die Islamophobie-Studien seien kein Indiz dafür, hieß es seitens des Oberlandesgericht Graz.

Heute lebt Hafez im US-Bundesstaat Massachusetts. Zehn Monate nach den Razzien war der habilitierte Politikwissenschaftler mit seiner Familie in die USA übersiedelt und trat eine Stelle als Visiting Professor am Williams College in Williamstown an. Eine Rückkehr nach Österreich schließt er vorerst aus: „Damit habe ich erst einmal abgeschlossen.“

Operation Luxor

Im Zuge der heftig kritisierten „Operation Luxor“ hatten eine Woche nach dem Terroranschlag in Wien vom 2. November 2020 60 Razzien gegen Vereine mit angeblicher Verbindung zur Muslimbruderschaft und der Hamas in der Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und Wien stattgefunden. Die zuständigen Behörden unter Federführung des steirischen Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) sowie der Staatsanwaltschaft Graz sprachen damals von 70 Beschuldigten wegen des Verdachts der Terrorfinanzierung und der Bildung einer Terrororganisation.

Wie die Grazer Staatsanwaltschaft im vergangenen Jänner erklärte, wurde gegen insgesamt 31 Beschuldigte das Verfahren eingestellt. Im Sommer 2021 hatte sich herausgestellt, dass die Razzien zum Teil rechtswidrig waren. Das Oberlandesgericht Graz hatte mehreren Beschwerden stattgegeben und etwa auch die Hausdurchsuchung bei der gemeinnützigen Stiftung Anas Schakfeh für rechtswidrig erklärt.

(APA/Nikolaus Pichler und Stefan Somweber)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.