Junge Forschung

Stärkere Durchmischung täte gut


In Salzburg hat Lisa Windsteiger ein Zuhause gefunden. Ihre Forschung belegt, dass gesellschaftliche Blasen den Blick für Ungleichheiten trüben. 
In Salzburg hat Lisa Windsteiger ein Zuhause gefunden. Ihre Forschung belegt, dass gesellschaftliche Blasen den Blick für Ungleichheiten trüben. wildbild/Herbert Rohrer 
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Wenn die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird, nehmen Menschen diese Ungleichheit nicht stärker wahr. Lisa Windsteiger beschäftigt sich mit der Frage, warum das so ist.

Salzburg ist für die 37-jährige Lisa Windsteiger ein Glücksfall. Endlich hat sie in einer Stadt sowohl ihren privaten als auch beruflichen Lebensmittelpunkt. Seit April ist sie Assistenzprofessorin am Fachbereich für Volkswirtschaftslehre der Uni Salzburg. Zuvor hatte sie an den Wochenenden viel Zeit im Zug oder Flugzeug verbracht, um von London, München und Fürth in die Mozartstadt zu kommen, wo ihr Mann lebt. „Als ich mit dem Studium der Volkswirtschaftslehre begonnen habe, hat es das Fach in Salzburg noch gar nicht gegeben“, erzählt Windsteiger. Mittlerweile gibt es den Fachbereich an der Uni Salzburg, Windsteiger ist die erste Frau im Team. „Ich beschäftigte mich stark mit der Einstellung der Bevölkerung zu wirtschaftspolitischen Maßnahmen und dem Gerechtigkeitsempfinden von Menschen“, beschreibt die gebürtige Oberösterreicherin.

Zentral ist die Frage, wie die Menschen Ungleichheiten empfinden und welche Akzeptanz Umverteilungsmaßnahmen – wie etwa Vermögenssteuern, Mietendeckel oder Investitionen in Bildung für benachteiligte Gruppen – haben. „Mich interessiert, was Menschen denken“, sagt Windsteiger: „Ich untersuche, welche Faktoren die Zustimmung von Menschen zu wirtschaftspolitischen Fragen beeinflussen.“

Wahrnehmung ist fern der Realität

Nach dem Studium an der TU Wien und dem Institut für Höhere Studien (IHS) bewarb sie sich für das PhD-Programm an der London School of Economics. Vorlesungen des französischen Ökonomen Thomas Piketty weckten ihr Interesse an Verteilungsfragen. Bei ihren Umfragen gab es überraschende Ergebnisse: Wenn die Kluft zwischen den ärmeren und reicheren Bevölkerungsgruppen steigt, wird diese Ungleichheit von den befragten Menschen nicht notwendigerweise als größer wahrgenommen. Windsteiger hat auch eine Erklärung für dieses Phänomen: „Unsere Wahrnehmung kann sich signifikant von der tatsächlichen Situation unterscheiden, wenn gesellschaftliche Gruppen stark segregiert sind.“ Jene Menschen, die wenig verdienen, leben meist auch in den wenig privilegierten Stadtteilen, die Kinder gehen in öffentliche Schulen. Wer es sich leisten kann, zieht in begehrtere Villenviertel mit privaten Schulen und entsprechenden Betreuungsangeboten. Man bleibt in seinen gesellschaftlichen Blasen unter sich. „Ist das der Fall, neigen wir dazu, Ungleichheiten in der Bevölkerung zu unterschätzen.“

Zu große Ungleichheiten sind aber auch eine Gefahr für die Demokratie, betont die Wissenschaftlerin: „Ökonomische Ungleichheit führt oft auch zu Ungleichheit in der politischen Machtverteilung.“ Deshalb rät sie dazu, die Blasen aufzubrechen und Begegnungsmöglichkeiten zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu fördern. Etwa durch staatliche Investitionen in Schulen und andere öffentliche Güter, damit diese so attraktiv sind, dass auch jene, die es sich leisten könnten, sie gegenüber privaten Angeboten vorziehen.

»Gerade bei politisch motivierten Voreinstellungen misstrauen Menschen scheinbar objektiven Informationen.«

Lisa Windsteiger

Uni Salzburg

Dass mehr Information recht unterschiedlich wirken kann, hat Windsteiger in einer Untersuchung zum Mietendeckel in Berlin festgestellt. Die Menschen ließen sich durch Argumente für oder gegen die Begrenzung von Mieten nicht von ihrer vorgefassten Meinung abbringen. „Gerade bei politisch motivierten Voreinstellungen misstrauen Menschen scheinbar objektiven Informationen, wenn sie nicht zu ihren vorherigen Ansichten passen“, erklärt sie. „Sie führen nicht zum Hinterfragen des Urteils, sondern eher zum Einzementieren.“ Deshalb sei politische Kommunikation gerade bei emotionalen Themen wie Coronapolitik oder Klimawandel so heikel.

Aktuell beschäftigt sich Windsteiger mit der Einstellung der Bevölkerung zu Schulden und der Frage, wie die jeweilige Sprache Einstellungen beeinflussen kann. Im Englischen gibt es für finanzielle Schulden und persönliche Schuld mit „debt“ und „guilt“ zwei unterschiedliche Begriffe, im Deutschen sind sie sehr eng verbunden. Es könnte sein, dass das im deutschen Sprachraum zu einer negativeren Einstellung gegenüber Schulden führt.

Zur Person

Lisa Windsteiger (37) studierte an der TU Wien Wirtschaftsmathematik. 2011 bis 2017 war sie an der London School of Economics, danach am Max-Planck-Institut für Steuerrecht in München. Ab 2022 forschte sie als stellvertretende Leiterin am Ludwig Erhard ifo Zentrum für Soziale Marktwirtschaft und Institutionenökonomik in Fürth. Seit April 2023 ist sie Assistenzprofessorin an der Uni Salzburg.

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