SZ- und NDR-Recherche

„Noch größer“ als gedacht: Neue Vorwürfe gegen Rammstein

Auch weiteres Bandmitglied mit Vorwürfen konfrontiert.
Auch weiteres Bandmitglied mit Vorwürfen konfrontiert. IMAGO/Smith
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Weitere Recherchen zeigen: Der Fall Rammstein könnte größer sein als bisher angenommen. Es gibt Vorwürfe gegen ein weiteres Bandmitglied.

Rammstein spielt weiter ihre Welttournee. 18 Konzerte hat die Band seit dem Aufkommen der Vorwürfe gegen Frontmann Till Lindemann gespielt. Frauen würden gezielt für Sex mit dem Sänger ausgewählt und hinter die Bühne oder zu After-Show-Partys mitgenommen – nicht immer einvernehmlich.

Forderungen, die Konzerte abzusagen, führten bisher ins Leere. Solange gegen Lindemann ermittelt wird, gilt die Unschuldsvermutung, es gebe rechtlich also keinen Hebel. Auch in Wien gibt es eine Petition gegen das Konzert am 26. Juli, auch eine Kundgebung vor Ort ist geplant.

Zur Causa hat sich bisher nur ein einziges Bandmitglied geäußert: Schlagzeuger Christoph Schneider. Auf Instagram schrieb er, es sei ihm wichtig, „dass Tills Partys nicht mit unseren offiziellen After-Show-Partys verwechselt werden“ und dass Lindemann sich von der Band entfernt habe. Dass „etwas strafrechtlich Relevantes“ passiert sei, glaube er aber nicht.

„Mädels privat besorgt“

Mittlerweile ist die mediale Berichterstattung um den Fall leiser geworden, die „Süddeutsche Zeitung“ und NDR haben aber nach eigener Angabe weiter mit Frauen sowie mit Menschen im Umfeld der Band gesprochen. Auch Chatprotokolle wurden ausgewertet. Ihr Fazit: Das System Rammstein scheint größer zu sein.

Zunächst habe nicht nur Alena M., von der sich die Band mittlerweile getrennt hat, die Akquise junger Frauen übernommen, sondern mehrere Personen. Aus Chatnachrichten geht ein gewisser Danny U. hervor, sein Vorgänger war der SZ zufolge der ehemalige Boulevardjournalist Alex B., auch er habe für Lindemann „Mädels privat besorgt“, so geht es aus einem Chat aus dem Jahr 2020 hervor. „Das muss mittlerweile in die Tausende gehen,“ schrieb er damals samt drei Lach-Emojis. Lindemanns Manager Anar R. und dessen Assistent und DJ Joe L. seien wohl auch mit dabei gewesen.

Vorwürfe gegen Keyboarder „Flake“

Außerdem gibt es mittlerweile Vorwürfe gegen ein weiteres Bandmitglied, den Keyboarder Christian Lorenz, bekannt als „Flake“. Eine Frau, deren Name von der „Süddeutschen Zeitung“ geändert wurde, erzählt von einer Nacht im Dezember 2002 nach einer Signierstunde Lindemanns. Die damals 17-Jährige sei von Lindemann in eine Bar eingeladen worden und später mit Lindemann (damals 39) und Lorenz (damals 36) in das Haus des Keyboarders gefahren.

Dort habe sie sich dann irgendwann komisch gefühlt, ihr sei übel geworden. Lorenz habe ihr das Bett gezeigt, in das sie sich gelegt habe. Er habe sich daneben gelegt, sie irgendwann ausgezogen und mit ihr geschlafen. In ihrem Zustand habe sie weder Ja noch Nein sagen können, wird sie von der SZ zitiert. Jedenfalls habe sie sich geekelt und die Schuld bei sich gesucht.

Aussage gegen Aussage

Fakten dazu wurden von der SZ überprüft: ob es die Signierstunde damals gab, die Bar und das Haus von Lorenz, das Buch mit Lindemanns Widmung, einen Tagebucheintrag, Aufzeichnungen einer Therapeutin. Beweise sind es dennoch keine. Während jene Frau ihre Aussage an Eides statt versichert, lässt Lorenz diese durch einen Anwalt dementieren. Eine andere Frau erzählt von einer Nacht in Gera im Jahr 1996. Nach einem Konzert der Band habe sie Lorenz ins Hotel eingeladen, aufgewacht sei sie mit Erinnerungslücken und Schmerzen neben dem Keyboarder. Auch das lässt der Musiker dementieren.

In seinem autobiografischen Buch „Der Tastenficker: An was ich mich so erinnern kann“ von 2015 schreibt der Keyboarder Folgendes: „Nüchtern erlebte ich nun mal kein sexuelles Abenteuer.“ Im zweiten Buch „Heute hat die Welt Geburtstag“, das zwei Jahre später erschien, liest man etwa: „Wenn eine Frau überraschenderweise doch einmal nicht Nein sagte, lag das größtenteils daran, dass sie noch betrunkener war als ich.“ In einem Interview im Jahr 2016 tätigt er ähnliche Aussagen, dass ihm die Konsequenz, die Sex habe, alkoholisiert „egal“ war. Mittlerweile habe er dem Alkohol abgeschworen.

Recherchen von SZ und NDR zufolge habe jedenfalls auch Alena M. Frauen für andere Bandmitglieder gecastet. Einer Frau schrieb sie einmal, ob sie eine „good company for one guy from band“ sein könne, also gute Gesellschaft für einen Mann aus der Band. Später habe sie den Namen genannt. Auf Nachfrage von SZ und NDR hätte der Musiker nichts davon gewusst. Dem Bericht zufolge gehen Anwälte bisher nicht gegen das Rekrutierungssystem per se vor. (evdin)

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