Umstrittene Justizreform

Zehntausende demonstrieren: Israel schlittert in einen „nationalen Notfall“

Demonstranten in Tel Aviv blockieren eine Autobahn aus Protest gegen die Justizreform.
Demonstranten in Tel Aviv blockieren eine Autobahn aus Protest gegen die Justizreform.Reuters / Corinna Kern
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Der Beschluss des ersten Teils der Justizreform verschärft die monatelange Krise. Ein Generalstreik steht vor der Tür, der Armeechef sieht sogar die nationale Sicherheit in Gefahr.

Jitzhak Herzog hat schon vor dem Votum in der Knesset vor einem „nationalen Notfall“ gewarnt. Gleich nach Ende seiner US-Visite hatte Israels Präsident am Sonntag in der Sheba-Klinik in Tel Aviv Benjamin Netanjahu nach dessen Operation besucht. Herzog meinte indes nicht die Einsetzung eines Herzschrittmachers beim Premierminister, sondern einen Ausnahmezustand samt Generalstreik, Demos, Gegendemos und einem Boykott des Militärdiensts durch Tausende Reservisten, die die Polarisierung im Zuge der Justizreform an die Spitze treiben könnten.

Der Ernstfall könnte nun eintreten. Denn Netanjahu gab sich unbeeindruckt. Nach seiner Rückkehr aus der Spitalsbehandlung ließ sich der 73-Jährige feiern und zur raschen Regeneration und zu seinem Triumph gratulieren. Herzogs Konsultationen, die Sondierungen mit der Opposition über einen Kompromiss – eine Abschwächung der Angemessenheitsregel –, hatten sich bis Montagmittag in Luft aufgelöst. Auch der mäßigende Einfluss des Verteidigungsministers Joav Galant vermochte nichts auszurichten.

Drohung mit Auflösung der Koalition

Israel Premier schlug nicht zuletzt die Warnungen des US-Präsidenten Joe Biden in den Wind, das Gesetz nicht im Eiltempo durchzupeitschen. Verfechter der Justizreform wie Itamar Ben-Gvir, der rechtsextreme Sicherheitsminister, und Jariv Levin, der Justizminister, drohten sogar mit der Auflösung der Koalition, was der Premier unter allen Umständen – wie es scheint – verhindern wollte.

Am Montagnachmittag war der erste Teil der Justizreform schließlich besiegelt: 64:0 lautete das Votum in dritter Lesung, das die Opposition bereits boykottiert hatte. Vor dem Parlament in Jerusalem brachte die Polizei die Wasserwerfer gegen die Zehntausenden Demonstranten in Stellung, die zum Teil über Nacht hier kampiert hatten. Bei hochsommerlichen Temperaturen in der israelischen Hauptstadt mochten sie das druckvolle Bespritzen mit Wasser noch als einigermaßen angenehme Abkühlung empfunden haben. Am Abend sollte das halbe Land auch in Tel Aviv wieder auf den Beinen sein: Zehntausende Menschen störten überall im Land den Verkehr.

Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein.
Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein.APA / AFP / Jack Guez

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