Energie

Verbund-Chef Michael Strugl: „Hier scheitern alle Projekte“

Erst vor wenigen Tagen erwarb der Verbund Windkraftprojekte in Spanien.
Erst vor wenigen Tagen erwarb der Verbund Windkraftprojekte in Spanien. APA
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Der teilstaatliche Verbund verdient wegen hoher Strompreise prächtig und steckt Milliarden in den Netzausbau. Für neue Wind- und Solarkraftanlagen muss der Konzern ins Ausland ausweichen.

Wien. Wer gedacht hat, Energiekonzerne könnten ihre starken Ergebnisse aus dem Jahr 2022 nicht mehr toppen, hat sich gründlich getäuscht. In den ersten sechs Monaten des Jahres hat etwa Österreichs größter Stromanbieter, der Verbund, seinen Nettogewinn um satte 57,5 Prozent auf 1,3 Mrd. Euro steigern können. Der Umsatz stieg um 41 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro.

Sein Geld verdiente das Unternehmen dabei mehrheitlich an der Börse. Der selbst erzeugte Strom aus Wasserkraft wurde dort heuer im Schnitt um 182 Euro je Megawattstunde verkauft, das waren um 70 Euro mehr als vor einem Jahr. Mit dem Stromverkauf an Privathaushalte werde das Unternehmen heuer hingegen 365 Millionen Euro Verlust machen, versuchte Verbund-Chef Michael Strugl die viel kritisierte Preisgestaltung der Branche zu rechtfertigen. Die Tarife für Privatkunden seien „immer deutlich unter den Großhandelspreisen geblieben“. Die von Konsumentenschützern bemängelte Intransparenz bei den jüngsten Preissenkungen erklärte er damit, dass es in Österreich keine Rechtsgrundlage für Preisanpassungen gebe, „die vor Gericht hält“. Zuletzt hatten Verbraucherschützer regelmäßig gegen Tarifänderungen geklagt.

Milliarden für die Netze

Die hohen Gewinne der Energieversorger haben längst auch die Politik auf den Plan gerufen. Seit vergangenem Dezember gibt es eine gesetzliche Strompreisbremse für private Haushalte, zudem werden etwaige „Übergewinne“ gesondert abgeschöpft. In Summe schlugen die Gewinnabschöpfungen in Österreich, Rumänien und Deutschland beim Verbund im ersten Halbjahr mit 172 Mio. Euro zu Buche, 168 Mio. davon wurden hierzulande abgeschöpft, sagte Finanzchef Peter Kollmann. Für das Gesamtjahr erwartet der Konzern einen Nettogewinn von 2,05 bis 2,3 Milliarden Euro. Die Gewinnabschöpfung werde sich – je nach Berechnungsgrundlage – zwischen 300 und 800 Millionen Euro bewegen.

Dabei wüsste der Konzern freilich Besseres mit seinem Gewinn anzufangen: In den kommenden zehn Jahren will das Unternehmen rund 15 Milliarden Euro in die Energiewende stecken. In Österreich sind das vor allem Investitionen in die Erweiterung der Stromnetze, damit diese für den Ansturm der Erneuerbaren fit gemacht werden. 1,7 Milliarden Euro sollen allein bis 2025 in den Bau neuer Leitungen fließen. Und das ist eher die Unterkante, so die Erwartung. Österreichs jüngste Planungen zum Netzausbau (Önip) würden die notwendigen Investitionen in das Netz noch einmal deutlich erhöhen. „Die Dekarbonisierung hat einen Preis“, sagte Michael Strugl. „Das wurde bisher vielleicht vergessen dazuzusagen.“

Kaum Flächen, lange Verfahren

1,24 Milliarden Euro will das Unternehmen bis 2025 in heimische Wasserkraftprojekte stecken. Aktuell werden etwa in Kaprun in Salzburg und im Mölltal in Kärnten neue Pumpspeicherkraftwerke gebaut. Der ebenfalls mit über einer Milliarde Euro dotierte Ausbau in „neue Erneuerbare“, also Wind- und Solarkraft, finde hingegen „nur zu einem sehr geringen Anteil“ in Österreich statt „weil hier alle Projekte scheitern“, bedauerte Michael Strugl. Es gebe zu wenig Flächen, zu wenig politische Klarheit in manchen Bundesländern, zu lange Verfahren und auch immer noch Widerstand aus der Bevölkerung. Erst vor wenigen Wochen musste der Konzern ein weiteres Windkraftprojekt in der Steiermark abblasen: 72 Prozent der befragten Einwohner der Gemeinde Gaal hatten sich zwar grundsätzlich für Windenergie, aber gegen den geplanten Bau von acht Windkraftwerken in ihrer Nähe ausgesprochen, weil diese das Panorama gestört hätten.

Stattdessen investiert der Verbund kräftig in den Ausbau der Wind- und Solarkraft in Italien, Deutschland und Spanien. Vor wenigen Tagen erwarb das Unternehmen spanische Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 257 Megawatt (MW) um rund 460 Mio. Euro. Schon in den Monaten davor kaufte sich der Verbund ein beachtliches Erneuerbaren-Portfolio im Land zusammen: 75 Solar- und elf Windprojekte mit 3,8 Gigawatt Leistung waren in der Pipeline. Ende 2022 konnte der Verbund sein bisheriges Wind- und Solargeschäft durch die Expansion im Ausland nahezu verdoppeln.

Österreich importiert Strom

Allein in Österreich könnte das Unternehmen sein Ziel, bis 2030 ein Viertel der Produktion aus Sonne und Wind statt aus Wasserkraft zu erzeugen, offenkundig nicht erreichen, betonte Michael Strugl. Da das Land aber ohnedies zwölf Prozent seines benötigten Stroms importieren müsse, sei es letztlich egal, wo die Erneuerbaren ausgebaut würden. „Damit ganz Österreich sicher mit grünem Strom versorgt werden kann, muss es in ganz Europa mehr davon geben“, so der Konzernchef.

Sorge um mangelnde Wertschöpfung im Land müsse sich niemand machen: Nicht nur mehr als die Hälfte der üppigen Gewinnausschüttungen gehen an die Republik als Mehrheitseigentümerin. Auch drei Viertel aller gesamten Milliardeninvestitionen des Verbunds bleiben weiterhin in Österreich.

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